Katholische Kirche:Wir waren Papst

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  • Im September 2006 besuchte Benedikt XVI. seine Heimat Bayern. Am längsten blieb der Papst damals in Regensburg.
  • Begeisterung hatte das Land erfasst: Zu einem Gottesdienst am Islinger Feld in Regensburg kamen gut 250 000 Menschen.
  • Heute ist von der damaligen Begeisterung nur noch wenig zu spüren. Kirchenaustritte und Missbrauchsskandale - die Realität hat die katholische Kirche wieder eingeholt.

Von Katja Auer, Regensburg

In diesem Jahr hat noch keiner die Führung gebucht, die den Spuren von Joseph Ratzinger durch die Stadt folgt, und im vergangenen Jahr auch nicht. "Wir sind Papst - das ist vorbei", sagt Sabine Teisinger, die Leiterin der Regensburger Tourist Information.

Das ist es tatsächlich, schließlich ist Benedikt XVI. 2013 zurückgetreten. Seitdem interessieren sich immer weniger Menschen dafür, wie es ihm in jener Stadt ergangen ist, von der er selber sagt, dass er dort wirklich daheim sei: Regensburg. Dort war Joseph Ratzinger von 1969 bis 1977 Professor, dort lebt sein Bruder Georg, der lange Chef der Regensburger Domspatzen war, dort sind seine Eltern und die ältere Schwester Maria begraben. Und dort weilte der Pontifex am längsten, als er im September 2006 seine bayerische Heimat besuchte.

"Wir sind die Papst-Stadt, und das werden wir auch immer sein", sagt Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD), der den zurückgetretenen Pontifex in jeder Rede über die Stadt mindestens einmal erwähnt, wie er selber sagt. Und dabei das Detail weglässt, dass Ratzinger kein gebürtiger Regensburger ist. Gefühlt ist er das nämlich schon.

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Am 19. April 2005 wurde aus Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI. - das hat seinem Geburtsort Marktl einen Hype beschert. Was ist zehn Jahre danach noch davon übrig?

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Eine Viertelmillion Menschen kam damals zum Gottesdienst auf das Islinger Feld, das 16 Meter hohe Kreuz aus Stahl steht dort heute noch, und am Jahrestag der Messe, immer am 12. September, pilgern die Gläubigen hinaus zum Gebet.

Dekan Johann Ammer war dabei und hat die Welle der Begeisterung gespürt, die über das katholische Bayern schwappte. "Da ging schon ein Gefühl durch das Land", sagt er, da habe die Kirche einen großen Zusammenhalt gemerkt. "Aber dass das nicht ewig anhält, musste auch jedem klar sein", sagt er. Und so habe zehn Jahre nach dem Papstbesuch die Realität die Gefühle von damals eingeholt. Die Realität, das ist auch der Missbrauchsskandal, das sind die 6632 Menschen, die allein im Bistum Regensburg im vergangenen Jahr aus der Kirche ausgetreten sind.

Ammer hat heuer schon zum zweiten Mal einen Telefondienst angeboten, vier Wochen lang, frustrierte Katholiken können dann bei ihm am Handy anrufen. Sinnsuchende wählten die Nummer, sagt er, wer nicht mehr sucht, der ruft auch nicht an. Papst Benedikt habe sich ein reflektiertes Christentum gewünscht, sagt Ammer, nicht nur, dass möglichst viele im schönen Gewand am Sonntag in die Kirche gehen. Die große theologische Bedeutung dieses Pontifikats werde sich erst noch erschließen, sagt Ammer, in Regensburg arbeitet ein Institut daran, sein umfangreiches Werk zu erfassen und erforschen.

Die Sache mit dem Schwert - ein folgenschweres Missverständnis

Die Regensburger Rede - als der Papst an der Uni über das Verhältnis von Religion und Gewalt sprach - hat darin heute schon eine besondere Stellung. Dabei verwendete er ein Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos, wonach Mohammed nur Schlechtes brachte, als er vorschrieb, den Glauben durch das Schwert zu verbreiten. Das wurde als Islamkritik verstanden, es gab heftige Proteste. Später betonte der Papst, er habe sich das Zitat nicht zu eigen machen wollen. Ein Missverständnis, leider, findet Ammer, mit der Rede hätte ein wissenschaftlicher Dialog angestoßen werden können.

Dass der Satz "granatenmäßig einschlagen" würde, hat sich Ulrike Unger dagegen gleich gedacht. Ihr Sohn war ein Domspatz, daher kennt sie den "alten Chef", Georg Ratzinger, und auch mit seinem Bruder ratschte sie schon, als der noch kein Papst war. Heute macht sie jene Stadtführung, die kaum noch einer bucht, und zeigt den Leuten die Papst-Benedikt-Orgel in der Alten Kapelle, die er 2006 weihte, den Dom und das Priesterseminar. Aber auch, wo Bruder Georg wohnt und wo Herbert Schmalhofer kocht, bei dem der Papst so gerne einkehrte.

Und dann erzählt sie, wie der Papst seinen Bewachern kurz verloren ging, als er von der Alten Kapelle einfach zu Fuß hinüberging zum Bruder in die Wohnung. So was hören die Leute am liebsten, sagt sie. Immer noch.

© SZ vom 03.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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