Hebammenmangel:Immer mehr Kreißsäle bleiben geschlossen

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Hebammen fehlen in ganz Bayern. (Foto: dpa)
  • In vielen Kliniken Bayerns können keine Kinder mehr zur Welt kommen.
  • Wegen des großen Hebammenmangels müssen die Geburtshilfe-Abteilungen schließen.
  • Ministerin Huml hält dennoch an ihrer Meinung fest, dass die Geburtshilfe in Bayern nach wie vor auf hohem Niveau gesichert sei.

Von Dietrich Mittler, Aichach

In Aichach und Umgebung ist die Verbitterung groß - insbesondere bei den Frauen, die ihr Kind gerne im neuen Aichacher Krankenhaus auf die Welt gebracht hätten. Aber das ist nicht möglich, so wie bereits längst im benachbarten Landkreis Schrobenhausen. Klaus Metzger, der Landrat des Kreises Aichach-Friedberg, weiß sehr wohl, dass die Aichacher nicht als einzige in Bayern mit den Folgen des Hebammenmangels zu kämpfen haben. Doch dass im erst kürzlich eröffneten Neubau des Aichacher Krankenhauses der Kreißsaal aufgrund unerwartet fehlender Beleghebammen nicht in Betrieb gehen konnte, das tut wirklich weh.

Kurz vor Eröffnung des Neubaus hatten die Hebammen in Aichach "an einem Sonntagmittag Knall auf Fall ihre Verträge gekündigt", wie Metzger sagt. Eine der vier Frauen ist selbst schwanger, weitere zwei wollen beruflich neue Wege gehen. Angesichts der bisherigen Rahmenbedingungen fühlten sie sich "am Rande unserer Kräfte".

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"Das Haus, Investitionskosten 47,5 Millionen Euro, ist technisch auf neuestem Stand", sagt Metzger. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte in seiner Zeit als Gesundheitsminister den Förderantrag für das Bauprojekt unterschrieben, der Freistaat beteiligt sich daran mit gut 26,3 Millionen Euro, und Söder kam Anfang Oktober eigens zur Einweihung. Das neue Krankenhaus kann durchaus als Blaupause für alle kleinen Landkrankenhäuser in Bayern dienen, die ihr Überleben durch eine intelligente Umstrukturierung sichern wollen.

Nun aber das Dilemma: Gerade dieses Vorzeige-Projekt macht deutlich, dass bezüglich der Hebammenversorgung in Bayern einiges aus den Fugen zu geraten droht. Auch das dürfte dazu beigetragen haben, dass Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) nun so rasch auf einen Brandbrief von Landrat Metzger reagiert hat und voraussichtlich bereits am 10. Dezember nach Aichach kommt.

Andere Kreiskrankenhäuser, die ihre Geburtshilfe-Abteilung längst schließen mussten, hätten sich ähnliche Anteilnahme gewünscht. Wie das Gesundheitsministerium mitteilte, haben seit 2016 neben Aichach aufgrund der Hebammen-Problematik folgende Kliniken ihre Geburtshilfeabteilungen geschlossen: das Kreiskrankenhaus Schrobenhausen, die Kreisklinik Bogen, die Illertalklinik Illertissen, die RoMed Klinik Bad Aibling. Wiederum aufgrund von Gynäkologen, die als Belegärzte wegbrachen, seien die Geburtshilfestationen der DiaMed Clinic Neuendettelsau und der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz geschlossen worden.

Viele Geburtshilfe-Abteilungen sind geschlossen

Aufgrund "verschiedener Gründe", so das Gesundheitsministerium sei die Geburtshilfe-Abteilung der Wolfartklinik Gräfelfing zugemacht worden. Die Bayerische Krankenhausgesellschaft rechnet darüber hinaus auch das Haus in Rotthalmünster zu jenen, deren Kreißsaal nicht mehr in Betrieb ist.

Kliniken, die zeitweise schwangere Frauen auf andere Häuser verweisen mussten, finden sich erst gar nicht in der Auflistung des Gesundheitsministeriums. Die sind - wenn auch nicht vollständig, wie etwa das Beispiel Erding zeigt - auf der Homepage des Deutschen Hebammenverbandes in einer interaktiven "Landkarte der Kreißsaalschließungen" aufgelistet: in Neu-Ulm, Schwabmünchen - und von Juli bis September 2018 bereits in Aichach, da noch im Altbau.

Ministerin Huml bleibt indes bei ihrem Statement, das sie in der Diskussion um Hebammen und die Geburtshilfe-Stationen seit längerem vertritt: "Insgesamt ist die Geburtshilfe in Bayern nach wie vor auf hohem Niveau gesichert." Derzeit befinde sich in den meisten Landkreisen Bayerns mindestens ein Krankenhaus mit einer Geburtshilfestation. Und wo das nicht der Fall sei, sei die Geburtshilfe "in nahegelegenen kreisfreien Städten" sichergestellt.

Da hat Humls Parteifreund, Landrat Klaus Metzger, indes eine ganz andere Meinung. In seinem Brandbrief schrieb er: "Sehr geehrte Frau Staatsministerin, es kann nicht in Ihrem und schon gar nicht im Sinne der Bevölkerung des Freistaates Bayern sein, dass Schritt für Schritt die Geburtshilfen in den kleinen Krankenhäusern im ländlichen Raum geschlossen werden, weil die Rahmenbedingungen für Beleghebammen und Belegärzte hinsichtlich Arbeitszeiten, Kostenentwicklung (vor allem in Bezug auf Haftpflichtversicherungsbeiträge) und Verdienstmöglichkeiten uninteressant sind."

Dabei, so sagt Metzger, hätte der Kreis Aichach-Friedberg zum Beispiel noch einmal 10 000 Euro zu dem von der Staatsregierung versprochenen 5000 Euro umfassenden Startbonus für Hebammen draufgelegt - neben weiteren freiwilligen Zahlungen. Metzger ist sich in einem sicher: Vieles, was die neue Staatsregierung nun zum Erhalt der wohnortnahen Geburtshilfe tun wolle, "greift zu kurz". Auch darüber will er mit Melanie Huml reden - ohne die Illusion, dass das rasch eine Lösung für Aichach bringt.

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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