Parteitag:Grüne bestätigen Eike Hallitzky als Co-Chef

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Eike Hallitzky erhält knapp 62 Prozent der Stimmen beim Grünen-Parteitag in Bad Windsheim. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Mit fast 62 Prozent wurde Eike Hallitzky auf dem Parteitag der Grünen in seinem Amt als Landesvorsitzender bestätigt.
  • Hallitzky wurde gewählt, weil er den Wahlkampf im vergangenen Jahr erfolgreich und straff organisierte - manchen auch zu straff.
  • Die nächste große Herausforderung seien laut Claudia Roth die Kommunalwahlen 2020 und die Frage: "Wie bauen wir die Grünen im ländlichen Raum auf?"

Von Lisa Schnell, Bad Windsheim

Es ist kurz nach halb zwölf beim Parteitag der Grünen. Zeit, sich einen Kaffee zu holen oder ein Stück Kuchen, der mit Blaubeeren ist sehr beliebt. Nur einer steht da und hat in seiner Hand: ein volles Glas Bier. Beppo Brem hört in diesem Moment viele aufmunternde Worte, seine Schulter wird fast minütlich mit einem Klopfer bedacht. Manchmal aber braucht es dazu noch einen Schluck kühles Bier, wenn es heißt, eine Niederlage zu verdauen.

Vor ein paar Minuten stand Brem noch auf der Bühne und bat die Grünen, ihn zu ihrem neuen Vorsitzenden zu machen. Kurz darauf winkte allerdings ein anderer mit seinem Glückwunsch-Blumenstrauß der applaudierenden Menge zu. Mit fast 62 Prozent wurde Eike Hallitzky in seinem Amt als Landesvorsitzender bestätigt. Vier Jahre steht er zusammen mit Sigi Hagl schon an der Spitze der Grünen, jetzt ist er für weitere zwei Jahre gewählt. Brem bekam 35 Prozent, die viele als "ehrenhaft" werten. "Ein Trostpreis" nennt es eine Delegierte, aber immerhin ein Preis.

Von einer wirklichen Niederlage will niemand sprechen. Schließlich war es mehr als mutig, was der frühere Vorsitzende der Münchner Grünen, Brem, da versuchte. Der Trainer wird gewechselt, wenn die Mannschaft verliert. So ist das im Sport, so ist das in der Politik. Und selbst das ist keine verlässliche Regel, wie CSU und SPD gerade zeigten, die ihre Wahlverlierer jüngst mit dem Parteivorsitz belohnten. Die Grünen aber haben nicht verloren, sondern bei den Landtagswahlen so viel gewonnen wie noch nie in ihrer Geschichte.

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Dazu kommt, dass schon ein Wechsel an der Spitze ansteht, weil Hagl als Oberbürgermeisterin für Landshut kandidiert und deshalb im Herbst ihr Platz als Landesvorsitzende frei wird. "Wann je hätte ein Landesvorsitzender fröhlicher eine Landesversammlung eröffnen dürfen", fragte Hallitzky zu Beginn des Parteitags. Wann je wäre eine Kandidatur gegen ihn schwieriger gewesen? "Man muss realistisch sein, wenn man gegen einen Amtsinhaber antritt", sagt Brem kurz nach der Wahl und vor dem Glas Bier. Immerhin habe man jetzt gesehen, "dass die Partei mehr Leute hat, die es können".

In anderen Parteien wäre sein Vorstoß als "Kampfkandidatur" gewertet worden und als Versuch, die Partei zu spalten. Bei den Grünen aber freuen sie sich über jeden, der eine Wahl zu einer wirklichen Wahl macht und nicht nur zu einer Abstimmung über einen Kandidaten. Für oder gegen was entschieden sich die Delegierten also? Auf der einen Seite stand in Hallitzky ein Niederbayer, Brem ist Münchner. Den eh schon sehr starken Münchner Kreisverband zu stärken, ist bei den Delegierten generell nicht unbedingt beliebt, dürfte diesmal aber nicht ausschlaggebend gewesen sein. Hallitzky wurde hoch angerechnet, dass er während des Wahlkampfs nicht auf die große Bühne drängte, sondern die Spitzenkandidaten glänzen ließ.

Andere werfen ihm vor, er habe den Wahlkampf zu straff geführt. Mit der Grünen Jugend, die scharfe Worte gegen die Regierungsfreudigkeit der Grünen im Wahlkampf fanden, soll es Clinch gegeben haben. Dass die Delegierten Hallitzky nichts von früherem Unmut spüren ließen, dafür hat Claudia Roth eine Erklärung. Wenn es Konflikte gab, sei Hallitzky sofort dagewesen, um sie zu lösen, sagt die Bundestagsvizepräsidentin. Er habe einen großen Anteil am Erfolg der Grünen. Sein Wahlergebnis sei die Anerkennung dafür.

Brem warb für sich mit dem Versprechen, auch dort hinzugehen, wo den Grünen nicht der rote Teppich ausgelegt wird, etwa in die Wirtschaft. Brem war früher bei der FDP und studierte BWL. Von grünen Urängsten gegenüber der Wirtschaft sei er frei. Wie genau er die Grünen "zur Nummer eins in der Politik in Bayern" machen will, führte er in seiner Rede nicht allzu konkret aus. Vielleicht fehlte ihm auch die Zeit dafür. Als seine Redezeit um war, hatte er noch lange nicht alles gesagt, was auf seinem Manuskript stand. "Ihr kennt mich", sagte er noch, Hallitzky aber kennen bestimmt mehr.

Mit ihm lernten die Grünen das Fliegen

Eike Hallitzky wurde gewählt, weil mit ihm die Grünen im Wahlkampf das Fliegen lernten, jetzt muss er dafür sorgen, dass sie nicht abstürzen. Vordergründig wirkt es so, als müssten sich die Grünen keine Sorgen machen. Für ihr Kernthema Klimaschutz gehen Tausende auf die Straße. Das Volksbegehren für mehr Artenvielfalt scheint zu einem der erfolgreichsten in Bayern zu werden und lässt die Mitgliederzahlen wachsen und wachsen. Bald sind es 12 000. All das bejubelten die Grünen und erinnerten in der Freude über sich selbst fast schon an die CSU. Sie tanzten zu "Don't stop me now" von Queen, reckten ihren Preis für die beste politischen Kampagne in die Höhe, den sie gerade bekamen. Und dann sagte die europäische Spitzenkandidatin Ska Keller noch diesen Satz: "Von Bayern lernen, heißt siegen lernen." So sprachen bis jetzt neidische CDU-Politiker auf Parteitagen der CSU.

Bei all der Euphorie konnte man sie fast überhören, die mahnenden Worte, etwa von Claudia Roth. "Wir müssen jetzt liefern", sagt sie. Die fast 18 Prozent bei der Landtagswahl seien ein Vertrauensvorschuss. Die nächste große Herausforderung seien die Kommunalwahlen 2020 und die Frage: "Wie bauen wir die Grünen im ländlichen Raum auf?" Auch wenn es derzeit nicht so wirkt: In Bayern gibt es viele hellgrüne Flecken auf dem Land, in Oberfranken, der Oberpfalz oder Niederbayern. Etwa bei Hermann Schoyerer, Bezirksgeschäftsführer von Niederbayern aus dem Kreisverband Freyung-Grafenau. Bei ihm brauche man als Grüner noch "Mumm", um am Biertisch seine Meinung zu sagen. Auf 1000 Quadratkilometer kommen 30 Mitglieder. Aber auch dort wählten bei der vergangenen Landtagswahl doppelt so viele grün wie zuvor. Nur: Es gibt nicht mal einen Ortsverein. Ohne Struktur aber wird die politische Arbeit für die Kommunalwahlen schwer. Deshalb will der Landesverband jetzt den ländlichen Raum unterstützen. Auch Schulungen für Neumitglieder soll es geben. Das Geld ist da, pro Jahr gut eine halbe Millionen Euro mehr als zuvor.

Am Ende will Schoyerer, dass sich über Niederbayern ein "Spinnennetz aus Ortsvereinen" legt, in denen sich Wählerstimmen verfangen. Bis die Grünen auch Niederbayern erobern, könnte es allerdings dauern. "Bei uns auf dem Land ist alles zeitversetzt. Das kann sich ein Großstädter gar nicht vorstellen."

© SZ vom 04.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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