Gmund:Der Mann, der das Fleckvieh nach Bayern brachte

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Max Obermayer sorgte dafür, dass das braun-weiße Fleckvieh nach Bayern kam. (Foto: Manfred Neubauer)

1837 reiste der 16-jährige Max Obermayer ins Berner Oberland - und kam mit zwölf Kühen, zwei Ochsen, drei trächtigen Rindern und einem Stier zurück.

Von Christian Sebald, Gmund

Das Gasthaus, von dem aus Max Obermayer 1837 zu seiner ersten Expedition ins Simmental im Berner Oberland aufgebrochen war, ist eine laute, staubige Baustelle. Seit Monaten wird das Herzog Maximilian saniert. Der klobige Bau an der Hauptstraße durch Gmund zählte zu den berühmtesten Wirtshäusern am Tegernsee. Seine Ursprünge reichen zurück ins 14. Jahrhundert.

"Da wurden Hochzeiten gefeiert, Tote betrauert und Gericht gehalten", sagt Beni Eisenburg, 82 und Ortschronist. "Auch eine Landwirtschaft und eine Metzgerei gab es im Herzog Maximilian." Als die Münchner im 19. Jahrhundert den Tegernsee für sich entdeckten, war das Gasthaus ihre erste Anlaufstelle. "Alle sind sie beim Obermayer Max eingekehrt", sagt Beni Eisenburg, "Prinz Karl von Bayern und König Max II., aber auch der Heimatdichter Karl Stieler und andere bürgerliche Prominenz, die es an den Tegernsee zog."

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Max Obermayer war nicht nur ein berühmter und hochgeachteter Wirt. Sondern vor allem ein sehr umtriebiger Viehhändler. Max Obermayer war der Mann, der das Fleckvieh nach Bayern geholt hat. Das Fleckvieh, das sind die braun-weißen Rinder, die zu Zigtausenden in den Ställen und überall auf den Weiden dort stehen. Vier Fünftel der 3,2 Millionen Rinder in Bayern sind Fleckvieh, es gehört zum Freistaat wie das Bier, die Trachten und Zwiebeltürme der Dorfkirchen.

Dabei stammt das Fleckvieh gar nicht aus Bayern. Es wurde erst vor 180 Jahren aus dem schweizerischen Simmental hierher importiert. "Der Obermayer Max war der erste, der eine Herde Fleckvieh von dort nach Gmund geholt hat", sagt Beni Eisenburg. Zwölf schwere Kühe, zwei schwere dreijährige Ochsen zu je 30 Zentnern, drei trächtige Rinder von 16 und 17 Zentnern Altgewicht und einen zweijährigen, 17 Zentner schweren Stier, so steht es in einer Chronik. Erst von Gmund aus hat das Fleckvieh dann Bayern erobert.

Die Bauern am Tegernsee und im übrigen Oberland waren seit jeher Rinderhalter - die saftigen Weiden in der Region, das Bergland und die Almen waren wie geschaffen dafür. "Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein herrschte bei uns der Miesbacher Landschlag vor", sagt Beni Eisenburg, "eine kleine, braune Rasse, die wenig Milch gab und keine zehn Zentner wog." Die Simmentaler waren ganz andere Kaliber. Sie gaben doppelt so viel Milch, waren doppelt so groß und doppelt so schwer. Die Begehrlichkeiten der Bauern waren groß. Jedes Kilo Fleisch mehr, das so ein Rind auf die Waage brachte, war bares Geld.

Es sind nur wenige Bilder von Max Obermayer überliefert. Auf allen wirkt er ernst, aber durchaus freundlich. Schon in jungen Jahren trug er einen markanten Walrossbart, den er sich im Alter immer mächtiger stehen ließ. Seine Kleidung war durch und durch bürgerlich. Auf dem bekanntesten Bild - es hängt heute in der Zentrale des Fleckvieh-Zuchtverbands in Miesbach - hat er einen Elbsegler auf dem Kopf.

Erst vor 180 Jahren brachte Max Obermayer das braun-weiße Fleckvieh in den Freistaat. (Foto: Manfred Neubauer)

"Aber die gediegene Art darf einen nicht täuschen", sagt Beni Eisenburg, der tagein tagaus seine Oberländer Lederhose und Lodenjoppe anhat. "Zum einen war das die Mode damals. Zum anderen war der Obermayer Max von Kind an sehr kontaktfreudig und überaus unternehmungslustig."

Unternehmungslustig dürfte untertrieben sein. Max Obermayer war keine 16 Jahre alt, als er sich am 25. August 1837 zum ersten Mal in Richtung Schweiz aufmachte. Zwar wurde er von einem väterlichen Freund seiner Familie, dem 42 Jahre alten Johann Fischbacher, begleitet. Aber der junge Obermayer soll die treibende Kraft hinter der abenteuerlichen Unternehmung gewesen sein. Am Morgen des 25. August 1837, einem Freitag, spannten die beiden eine Rappstute vor einen Gäuwagen und ab ging die Fahrt ins Berner Oberland.

Heute sind die 500 Kilometer Strecke keine große Mühe mehr. Auf den steinigen, holprigen Karren- und Ziehwegen damals und mit nur einem Pferd vor dem Wagen waren sie das sehr wohl. Gleichwohl erreichten die beiden schon nach vier Tagen Erlenbach im Simmental. Drei Tage später hatten sie 18 Stück Fleckvieh zusammengekauft. Am 3. September 1837, Max Obermayers 16. Geburtstag, machten sie sich auf den Rückweg nach Gmund.

Der wuchs sich zu einem 35-tägigen Gewaltmarsch aus. Zwar hatten Obermayer und Fischbacher die Rinder mit schweren Eisen beschlagen lassen, damit sie sich die Hufe möglichst wenig verletzten. Außerdem hatten sie große Glocken besorgt, dass sich keines unbemerkt von der Herde entfernen konnte. "Aber 1837 war ein sehr heißes Jahr", sagt Beni Eisenburg. "Damit sich die Tiere nicht überanstrengen, sind sie nur nachts marschiert." Einer trieb das Vieh. Der andere fuhr mit dem Gäuwagen voraus, um für tagsüber einen Lagerplatz zu suchen. 10 bis 15 Kilometer Wegstrecke pro Nacht - mehr schafften die beiden und ihre Rinder nicht.

Der Ortschronist Beni Eisenburg hofft, dass im alten Wirtshaus Herzog Maximilian an den Wirt und Viehhändler Max Obermayer erinnert wird. (Foto: Manfred Neubauer)

Natürlich war der Zug eine Sensation. Ob in Aargau, Zürich, St. Gallen, Bregenz, Lindau, Kempten: Überall an der Wegstrecke eilten die Leute aus den Häusern und Bauernhöfen und fragten nach dem Woher und Wohin. Nur allmählich näherten sich Obermayer und Fischbacher der Heimat. Als sie endlich kurz vor ihrem Ziel waren, ging ihnen das Geld aus. Kurzerhand verkauften sie ihre beiden Ochsen an einen Wirt. Am 8. Oktober 1837 war es so weit: Der Zug erreichte Gmund. "Die Begeisterung war riesengroß", sagt Eisenburg. "Aus dem ganzen Oberland kamen die Bauern. Alle wollten die Wunderrinder aus dem Simmental sehen und welche haben."

Die Fahrt von 1837 war denn auch nur Max Obermayers erste. Von da an holte er jedes Jahr Fleckvieh aus dem Simmental nach Gmund. Als später eine Eisenbahnlinie in die Schweiz eröffnet wurde, fuhr er sogar zwei Mal im Jahr dorthin. 1850 verbrachte der russische Zar Nikolaus I. einen Ferienaufenthalt am Tegernsee und wurde auf Obermayers Simmentaler aufmerksam.

"Zar Nikolaus war ja sehr an der Landwirtschaft interessiert", berichtet Eisenburg. "Deshalb hat er gleich eine Herde Fleckvieh beim Obermayer Max bestellt." Der lieferte prompt - "und zwar mehrmals", wie Beni Eisenburg sagt. "Leider haben wir aber keine Aufzeichnungen von seinen Trecks nach St. Petersburg." So ist nur bekannt, dass der erste sieben Monate dauerte und Zillertaler Bauernburschen Max Obermayer beim Treiben halfen.

Im alten Wirtshaus Herzog Maximilian in Gmund soll nach der Renovierung an den Wirt und Viehhändler Obermayer erinnert werden. (Foto: Landesamt für Denkmalpflege)

Am 24. November 1898 starb Max Obermayer, seine Beerdigung auf dem Gmunder Kirchfriedhof war ein Großereignis für das Tegernseer Tal. Das Herzog Maximilian blieb bis weit ins letzte Jahrhundert hinein eines der ersten Häuser am Tegernsee. Zuletzt war es freilich reichlich angegraut. Als in den Achtzigerjahren die Gäste ausbleiben, wird es geschlossen.

30 Jahre lang verfällt der herrschaftliche Bau. Die alten Deckenbalken vermodern, der Hausschwamm kriecht unter den Putz - bis das Herzog Maximilian ein einziger Schandfleck ist. Dann, vor drei Jahren, erwirbt das Herzogliche Brauhaus Tegernsee die Ruine, seit 2016 läuft die Sanierung. "Ende des Jahres soll die Wiedereröffnung sein", sagt Beni Eisenburg. "Im neuen Herzog Maximilian ist dann sicher Platz für eine Erinnerungstafel an den Obermayer Max."

© SZ vom 05.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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