Mitten in Nürnberg:Der heimliche Gigant

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An prominenten Tagesgästen mangelt es dem Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg grundsätzlich nicht. An anderem schon. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Stünde das Germanische Nationalmuseum in New York, so wäre es das Aushängeschild einer Weltstadt - vermutet zumindest Ulrich Wilhelm, der ehemalige Sprecher von Angela Merkel. Tatsächlich ringt das Haus um Beachtung. Braucht es einen neuen Namen?

Glosse von Olaf Przybilla, Nürnberg

Ulrich Wilhelm war Sprecher von Angela Merkel und Intendant des Bayerischen Rundfunks, kommunikative Kompetenz darf da vorausgesetzt werden. Die hat er vergangenen Dezember dazu genutzt, um als Verwaltungsratschef des Germanischen Nationalmuseums (GNM) eine notwendige Debatte in Gang zu bringen. Stünde das Haus in London oder New York, so wäre "es ein Renner, das Aushängeschild einer Weltstadt". Tatsächlich müsse er, Wilhelm, sich oft fragen lassen, was er so treibe. GNM? Das sage seinen Freunden in Rom oder Paris nichts.

Als einen der heiklen Punkte hat Wilhelm den Hausnamen ausgemacht. "Germanisches Nationalmuseum" sei heute - anders als im 19. Jahrhundert - nicht mehr selbsterklärend. Man frage sich: "Germanisch, was ist das?" Auf die Rückfrage der Nürnberger Nachrichten, ob man das GNM folglich umbenennen sollte, antwortete Wilhelm: "Die Frage muss man in der Tat stellen."

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Nun hat Wilhelm damit keinen Sturm ausgelöst, eher einen köchelnden Diskurs für Eingeweihte - exakt das aber ist Teil des Problems. Keine andere Institution in Bayern dürfte so unter einem Missverhältnis von abstrakter Relevanz ("größtes kulturhistorisches Museum im deutschen Sprachraum") und konkreter Publikumsreichweite leiden. Und ja, der Name trägt dazu bei.

Freilich nur zum geringeren Teil. Von außen gleicht das Haus in großen Teilen einer hermetischen Zitadelle. Im Inneren steht man teils in modernen Räumen, teils in miefigem Adenauer-Setting. Baustelle ist im GNM, diesem labyrinthartigen Gebäudeallerlei, eigentlich immer. Zu erreichen ist es auf einem maximal unwirtlichen Altstadtsträßchen (grau, grausam, Grasersgasse). Und die extrem heterogene Haussammlung - mehr als 1,3 Millionen Objekte - wäre wohl am wahrhaftigsten unter dem Label "Museum für Dinge, ältere und neuere" subsumierbar.

Schuld daran ist niemand, für die ebenso faszinierende wie verschlungene Haushistorie kann keiner etwas. Und auch der genialste Museologe könnte das GNM nicht im Handumdrehen zur total angesagten Location machen. Umso wichtiger ist es, wie Wilhelm das getan hat, Debatten um dieses (nicht nur) theoretische Juwel zu entfachen. Genauso richtig ist es aber auch, dass GNM-Chef Daniel Hess - ein smarter Schweizer - keinen komplett neuen Hausnamen anstrebt, höchstens eine Ergänzung. Schließlich wird auch die Germanistik nicht umbenannt, nur weil jemand meinen könnte, es ginge dabei um germanische Stammeskunde.

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