Ingolstadt:Großes Theater um die Kammerspiele

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Den Siegerentwurf für die geplanten Kammerspiele hält Stadttheater-Intendant Knut Weber für eine Bereicherung der Ingolstädter Innenstadt. (Foto: Stadt Ingolstadt)
  • Im Februar 2017 fasste der Ingolstädter Stadtrat den Beschluss, dass neben dem Stadttheater ein weiteres Schauspielhaus entstehen soll.
  • Der Kulturreferent rechnet damit, dass der Freistaat den Bau zu 75 Prozent bezuschusst - Ingolstadt müsste nur noch rund 7,5 Millionen Euro zahlen.
  • Nun allerdings ist ein Streit darum entbrannt, was Kultur kosten darf - und ob man einem Theaterbau 200 Parkplätze opfern kann.

Von Andreas Glas, Ingolstadt

Misst man die Dinge in Zahlen, dann herrscht in Ingolstadt maximale Einigkeit. Im Februar 2017 fasste der Stadtrat den Beschluss, dass neben dem Stadttheater ein weiteres Schauspielhaus entstehen soll: die Kammerspiele. Der Beschluss war einstimmig. Kürzlich befasste sich dann eine Jury mit den Entwürfen der Architekten. Das Votum für den Siegerentwurf: ebenfalls einstimmig. Also, alles paletti in Ingolstadt?

Nun ja. Misst man die Dinge in Worten statt in Zahlen, schaut es gleich nicht mehr so harmonisch aus. Da gab es zum Beispiel diesen Satz des CSU-Stadtrats Hans Achhammer: "Es würde niemand verstehen, wenn wir dafür Stellplätze opfern." Mit "dafür" meinte Achhammer die Kammerspiele. Mit den Stellplätzen meinte er 200 Parkflächen in einer Tiefgarage, die dem Bau der Kammerspiele zum Opfer fallen könnten. Und dann gab es den Satz des Theaterintendanten Knut Weber, der natürlich als Konter zu verstehen ist: "Niemand würde verstehen, wenn die Stadt Ingolstadt viele Millionen Zuschüsse durch den Freistaat ignorieren würde."

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Etwas zugespitzt geht es in Ingolstadt also um die Fragen: Was ist wichtiger? 200 Parkplätze oder ein Theater? Und, klar, der Klassiker: Was darf Kultur überhaupt kosten? Je nachdem, wen man fragt, fallen die Antworten anders aus.

Aber zunächst zu den Hintergründen: Das Stadttheater Ingolstadt platzt aus allen Nähten. Nicht nur der große Theatersaal mit seinen 663 Plätzen, auch die drei kleineren Spielstätten. Wer Karten möchte, muss sich oft Wochen im Voraus darum bemühen. Mit dem Bau der Kammerspiele könnte die Stadt endlich mehr Besucherkapazität schaffen. Dazu kommt, dass der Hämer-Bau, in dem sich der große Saal befindet, bald saniert werden muss. Für die Zeit der Sanierung könnte das Theater dann die Bühne der Kammerspiele als Ausweichquartier nutzen.

Die Sanierung könnte 100 Millionen Euro kosten, für den Neubau der Kammerspiele hat die Stadt rund 30 Millionen veranschlagt. Weil Kulturreferent Gabriel Engert damit rechnet, dass der Freistaat den Bau zu 75 Prozent bezuschusst, muss die Stadt nur rund 7,5 Millionen Euro selbst tragen. Kein Problem für das reiche Ingolstadt, oder?

Na ja, sagt Referent Engert, "vor eineinhalb Jahren hätte jeder gesagt: keine Frage". Doch habe sich "der Himmel etwas verdüstert". Er meint die Situation bei Audi, dem mit Abstand größten Gewerbesteuerzahler in der Stadt. Die Zukunft der Automobilbranche sei allgemein schwer abzuschätzen, sagt Engert. Man wisse ja nicht, "ob wir in zehn Jahren alle E-Autos fahren, die in China produziert werden". Mit anderen Worten: Ingolstadt ist sparsamer geworden. Und seit Audi schwächelt, schauen die Bürger genauer hin, wenn die Stadt investiert. Zumal bei Kulturprojekten, die ja besonders polarisieren.

"Die Spannweite reicht von völliger Ablehnung bis bedingungsloser Zustimmung", sagt Engert mit Blick auf die Stimmung in der Stadt. Er sagt aber auch: "Mein Gefühl ist, dass die Kammerspiele mehrheitlich gewollt werden." Um das genauer auszuloten, wird es mehrere Veranstaltungen zur Bürgerbeteiligung geben. Die Ergebnisse sollen in die Entscheidung des Stadtrats einfließen. Wohl im Sommer werden die Stadträte ihren finalen Beschluss fassen - auch darüber, ob sie dem Siegerentwurf zustimmen. Oder ob sie einen der Entwürfe der derzeit zweit- oder drittplatzierten Architekten bevorzugen.

Unterdessen drängt Theaterintendant Knut Weber darauf, dass der Stadtrat diesen Zeitplan auch einhält. Schließlich kann die Sanierung des Hämer-Baus ja erst beginnen, wenn die Kammerspiele als Ausweichquartier zur Verfügung stehen. Läuft alles nach Plan, könnte das in der Spielzeit 2022/23 der Fall sein. Falls nicht, hätte das Theater ein Problem. Denn für den Hämer-Bau gibt es laut Weber nur eine Betriebsgenehmigung bis zum Jahr 2022 - wegen Brandschutzmängeln. Ohne schnelle Entscheidung für die Kammerspiele sei das Stadttheater "auf kurz oder lang im Spielbetrieb gefährdet", sagt Weber und erinnert an das Theater Augsburg, das den Spielbetrieb wegen Mängeln beim Brandschutz einstellen musste. Weber sagt: "Ich möchte nicht, dass wir eine Augsburger Situation bekommen."

Der vorläufige Siegerentwurf stammt vom Architekturbüro Blauraum aus Hamburg. Entwurf: Stadt Ingolstadt (Foto: N/A)

In den Kammerspielen sieht der Intendant auch einen Gewinn für die Stadtarchitektur. Der vorläufige Siegerentwurf bilde "eine sehr gute Relation zum Hämer-Bau und öffnet gleichzeitig die Stadt zur Donau", sagt Weber. Und: "Der offene Theaterplatz findet durch die Kammerspiele endlich einen Abschluss." Es habe ihn daher "irritiert", dass die Reaktion einiger Stadträte auf den Siegerentwurf eher verhalten gewesen sei.

Auch die Furcht vor den Kosten kann der Intendant nicht nachvollziehen. Er erinnert daran, dass Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nicht nur eine Förderung des Kammerspiele-Neubaus versprach - sondern auch einen 75-Prozent-Zuschuss für die Sanierung des Hämer-Baus. "Ich weiß, mit Audi zittert die ganze Stadt", sagt Knut Weber. Aber unter dem Strich bleibe doch "ein Schnäppchenpreis für die Stadt Ingolstadt".

Dem hält Freie-Wähler-Stadtrat Markus Reichhart entgegen, dass nicht nur die Baukosten entscheidend seien. Er sagt: "An den Betriebskosten werden wir gemessen", die seien erst noch zu klären. Und dann sind da ja noch die 200 Parkplätze, die vielleicht wegfallen, wenn die Kammerspiele kommen. Sie liegen unter der Fläche, auf der das neue Schauspielhaus entstehen soll. Intendant Weber fürchtet trotzdem keinen Interessenkonflikt. Schließlich, sagt er, gebe es auch Autofahrer, die gerne ins Theater gehen.

© SZ vom 23.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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