Freie Wähler:Eigener Kandidat zur Wahl des Bundespräsidenten

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Die Freien Wähler wollen einen eigenen Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten schicken. Einst waren sie Zünglein an der Waage.

Kassian Stroh

Die Freien Wähler (FW) werden bei der Wahl eines neuen Bundespräsidenten vermutlich einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. FW-Landeschef Hubert Aiwanger sagte der Süddeutschen Zeitung am Montag, diese Option sei "sehr denkbar, um ein Zeichen zu setzen mit einem Politiker unseres Profils".Nach dem überraschenden Rücktritt des Amtsinhabers Horst Köhler habe er diese Idee bereits mit einigen FW-Politikern besprochen und dabei "offene Türen eingerannt".

Hubert Aiwanger: Die Freien Wähler wollen einen eigenen Kandidaten zur Wahl des Bundespräsidenten schicken (Foto: dpa)

Namen potenzieller Kandidaten nannte Aiwanger nicht, er habe aber einige bereits in Gedanken durchgespielt. "Wir werden jemanden schicken, der sich sehen lassen kann", versprach er. So müssten die zehn FW-Mitglieder der Bundesversammlung zumindest im ersten Wahlgang nicht einfach nur "das geringere Übel" wählen.

Die Delegierten der Bundesversammlung werden zur Hälfte von den Länderparlamenten entsandt, aus Bayern waren es bei Köhlers Wiederwahl vor einem Jahr zehn Freie Wähler. Sie spielten damals die Rolle des Züngleins an der Waage, da Union und FDP keine Mehrheit hatten, und wählten nach eigenem Bekunden Köhler.

Zwar hatten die Freien bereits früh erkennen lassen, dass sie den Amtsinhaber präferierten; dass sie sich aber auch mit dessen SPD-Gegenkandidatin Gesine Schwan trafen, erregte heftigen Protest der CSU, die die FW bezichtigte, das bürgerliche Lager verlassen zu wollen und damit einen Wortbruch zu begehen. Diesmal jedoch ist die Situation eine andere: Nach ersten Berechnungen dürften Union und FDP eine eigene Mehrheit in der Bundesversammlung haben.

Aiwanger sagte, er bereue nicht, Köhler vor einem Jahr gewählt zu haben. Von einem neuen Präsidenten fordert er aber, er müsse "noch mehr ein Präsident der kleinen Leute werden und noch mehr eigene Akzente setzen wollen". Zuvorderst nannte Aiwanger die Lage der Kommunalfinanzen, die auch ein Bundespräsident zum Thema machen müsse. Und "weniger Neoliberalismus" forderte er.

Zwar habe er, als eine Abordnung der Freien Wähler Mitte April Köhler in Berlin besuchte, gespürt, dass der Präsident dies genauso sehe - bei dem Gespräch sei von Köhler sehr viel Kapitalismuskritik zu hören gewesen. Doch insgesamt sei es dem Präsidenten nicht gelungen, dies auch zum Thema zu machen. "Sein dringender Appell, dem Spekulationskapitalismus energischer die Stirn zu bieten und sich für die Belange der kleinen Leute einzusetzen, ist von Schwarz-Gelb kaum gehört worden."

Bei dem Besuch in Berlin habe er auch gespürt, dass Köhler unzufrieden mit der politischen Lage gewesen sei, berichtete Aiwanger, der den Rücktritt deshalb als Ausdruck der Unzufriedenheit mit der schwarz-gelben Regierung bezeichnete, die Köhler einst ins Amt gebracht hatte. "Köhler sieht die deutsche Politik insgesamt in einer Sackgasse" - vielleicht sei sein Rücktritt die einzige Möglichkeit, um auf die Missstände aufmerksam zu machen.

Während die CSU Köhlers Rücktritt bedauerte, sagte SPD-Landeschef Florian Pronold, wer sich bei politischen Themen "aus dem Fenster lehnt", müsse auch mit Kritik rechnen. Davor sei selbst ein Bundespräsident nicht gefeit. "Beim ersten stärkeren Gegenwind mit Rücktritt zu reagieren, wird dem politisch höchsten Amt des Landes nicht gerecht", erklärte Pronold.

Die Landtags-Grünen kritisierten, Köhler habe seine Äußerungen im Zusammenhang mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan nicht eingestanden. Mit seinem missverständlichen Versuch, den Kriegseinsatz dort mit wirtschaftlichen Interessen zu begründen, habe er eine Welle berechtigten Protests hervorgerufen. "Statt seinen Irrtum einzugestehen, spricht er nun von fehlendem Respekt gegenüber dem Amt des Bundespräsidenten." Dadurch und durch seinen überraschenden Rückzug beschädige er genau dieses Amt.

© SZ vom 01.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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