Fraunhofer-Institut:Regensburger Krebsforscher sind den Metastasen auf der Spur

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  • Regensburger Forscher arbeiten daran, einzelne Krebszellen im Körper zu entdecken, bevor sie sich in einem Organ ansiedeln und dort Metastasen bilden.
  • Gelingt dies, können die schädlichen Zellen schneller und gezielter behandelt werden als bislang.
  • Das Regensburger Team gehört seit Jahresbeginn zum "Fraunhofer ITEM", dem Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin mit Sitz in Hannover.

Von Anne Kostrzewa, Regensburg

Für Krebspatienten sind sie der diagnostizierte Albtraum: Metastasen, gestreute Krebszellen also, die sich an einem anderen Ort im Körper ansiedeln und vermehren als dort, wo der ursprüngliche Tumor entdeckt wurde. Bis Metastasen erkannt werden, vergehen oft Jahre - in denen unzählige Krebszellen über Blut, Lymphknoten oder Knochenmark unbemerkt durch den Körper wandern. Entdeckt man sie, dann ist es oftmals schon zu spät, um sie noch zu behandeln. "In vielen Fällen sind Metastasen ein Todesurteil", sagt Christoph Klein. "Deshalb arbeiten wir daran, dass sie gar nicht erst entstehen."

Klein ist Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Medizin und Therapieverfahren an der Universität Regensburg. Seit 2011 leitet er dort die Projektgruppe "Personalisierte Tumortherapie". Das Ziel der Forscher ist es, bereits einzelne Krebszellen im Körper zu entdecken, bevor sie sich in einem Organ ansiedeln und dort die gefürchteten Metastasen bilden. "Bislang ist das so, als würden Sie eine Nadel im Heuhaufen suchen", sagt Klein. "Wir versuchen, einzelne Krebszellen leichter zu finden - und sie dann früher und vor allem gezielter zu behandeln."

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Eine vielversprechende und wegweisende Forschung, weshalb die Projektgruppe zum Jahreswechsel zu einem eigenen Bereich am Fraunhofer-Institut befördert wurde. Das Regensburger Team gehört nun zum "Fraunhofer ITEM", dem Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin mit Sitz in Hannover.

Das freut nicht nur Klein und seine 20 Kollegen, die vor allem aus der Medizin, Physik, Biologie und Bioinformatik kommen. Auch auf dem Regensburger Campus ist die Freude groß. Uni-Präsident Udo Hebel lobt nicht nur die Wertschätzung der "hervorragenden Forschungsleistungen". Für ihn ist die Entscheidung der Fraunhofer-Gesellschaft auch "ein weiterer wichtiger Meilenstein für den Wissenschaftsstandort Regensburg". Es lohne sich nachweislich, außeruniversitäre Forschung in die Stadt zu holen, so Hebel.

Für Kleins Projektgruppe ändert sich nun vor allem die Finanzierung ihrer Arbeit. Bislang stemmte der Freistaat das Projekt, das im Dezember 2010 gemeinsam von der Fraunhofer Gesellschaft, der Uni Regensburg und dem Land Bayern ins Leben gerufen wurde. Künftig werden die Forschungsgelder nach dem Fraunhofer-Modell fließen: je zu einem guten Drittel aus Industrieaufträgen und öffentlich finanzierten Forschungsprojekten sowie einer Grundförderung, von der der Bund 90 Prozent und die Länder zehn Prozent übernehmen. Weitere 1,6 Millionen Euro für Investitionen zahlen Bund und Länder zu gleichen Teilen.

Die Forscher wollen die Prozesse verstehen

Wann Christoph Klein und seine Kollegen Metastasen den Garaus machen können, dazu wagt der Professor keine Prognose. Denn Krebszellen sind listig. Sie verhalten sich so, wie gesunde Zellen nie überleben könnten. "Eine normale Brustdrüsenzelle begeht im Knochenmark Selbstmord", sagt Klein. "Eine zur Krebszelle mutierte Brustdrüsenzelle vermehrt sich dort." Der Forscher möchte verstehen, wie der Zelle das gelingt - und sie dann mit der richtigen Behandlung dazu bringen, dass sie sich doch selbst zerstört, wenn sie in ein Organ gelangt, in das sie nicht gehört. So wäre es möglich, kranke Zellen auf ihrem Weg durch den Körper auszumerzen, bevor sie sich irgendwo ansiedeln und zu Metastasen auswachsen.

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Moderne Geräte können Metastasen heute sichtbar machen, wenn sie etwa einen Zentimeter groß sind. Dann bestehen sie bereits aus der unglaublichen Menge von einer Milliarde Zellen. Deshalb werden Krebspatienten auch meist bestrahlt oder bekommen eine Chemotherapie, nachdem der Tumor herausoperiert wurde: Die Ärzte wollen vermeiden, dass unentdeckte Krebszellen im Körper neue Kolonien bilden.

Interesse aus der Pharmaindustrie

"Momentan läuft es so: Man schüttet nahezu blind Gift in die Patienten, ohne die gestreuten Tumorzellen tatsächlich gesehen und analysiert zu haben", sagt Klein. Für ihn ist der Auftrag klar: "Wir müssen es schaffen, zehn Millionen Mal sensitiver zu sein als die Bildgebung." Sprich: Lange bevor ein Computertomograf, ein Ultraschall- oder ein Röntgenbild Metastasen zeigt, sollen einzelne Zellen dort aufgespürt werden, wo sie nicht hingehören.

Das, sagt Klein, könnte etwa mit Filtertechniken funktionieren, die Blut, Knochenmark oder Lymphknoten auf Fremdzellen durchsuchen. Erste Interessenten aus der Pharmabranche gebe es bereits. Klein hofft, dass die Ansiedlung seiner Gruppe am Fraunhofer-Institut der Metastasen-Forschung einen Schub gibt und diese auch in anderen Laboren Fahrt aufnimmt. Dann könnte es bald die ersten groß angelegten klinischen Studien geben.

Bis es gelingt, Metastasen ganz zu verhindern, arbeitet Christoph Klein daran, sie besser zu verstehen. "Ich hoffe, eines Tages die Regeln der frühen Krebsstreuung und Ansiedlung zu finden. Wenn ich die erst mal kenne, kann ich den entstehenden Metastasen in die Parade fahren."

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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