Flüchtlingszahlen:Rechentricks der Bundespolizei

Ein Beamter der Bundespolizei nimmt in der Erstaufnahmestation der Bundespolizei in Rosenheim Fingerabdrücke von einem Flüchtling. (Foto: dpa)
  • Innerhalb der Bundespolizei gibt es Streit über die Zählung der ankommenden Flüchtlinge in Bayern.
  • Neuerdings werden die Zahlen nur noch von der Bundeszentrale in Potsdam veröffentlicht.
  • Der Kern des Streits: Die Bundespolizei zählt nur noch Flüchtlinge, die in Bayern komplett registriert wurden.

Von Heiner Effern, Rosenheim

Innerhalb der Bundespolizei gibt es massiven Streit über die Zählung der ankommenden Flüchtlinge in Bayern. Bis zum Wochenanfang veröffentlichten die regionalen Sprecher in Rosenheim und Freyung-Grafenau, wie viele Asylsuchende die Grenze in ihrem Arbeitsgebiet überschritten haben. Seit Mittwoch verweisen sie bei Nachfragen kommentarlos auf die Bundeszentrale in Potsdam.

Von dort kommen jedoch Zahlen, die Augenzeugen an den Grenzübergängen an ihrer Wahrnehmungskraft zweifeln lassen. Am Montag zum Beispiel zählte Potsdam laut einem Sprecher 2318 Asylsuchende in Bayern. Rechnet man die damals noch veröffentlichten regionalen Zahlen zusammen, kommt man auf mehr als 10 000 Grenzübertritte.

Polizei und Flüchtlinge
:Geduld im Akkord

550 Beamte, drei Schichten, 9600 Menschen im Monat: In Rosenheim versorgen und registrieren Bundespolizisten Tag für Tag ankommende Flüchtlinge. Das läuft nicht immer ohne Missverständnisse ab.

Reportage von Anna Günther

Gefährliche Rechenkünste

Der Unterschied ist ein feiner: Von sofort an zählt die Bundespolizei auf Weisung von oben nur noch Flüchtlinge, die in Bayern komplett registriert wurden. Wer angekommen, kurz erfasst und versorgt worden ist, aber mit einem Zug nach Norddeutschland weiterfährt, taucht in der bayerischen Statistik nicht mehr auf. Schönfärberei sieht der Sprecher in Potsdam darin nicht. "Man sieht ja, was an der Grenze los ist."

Der Berchtesgadener Landrat Georg Grabner (CSU) hält solche Rechenkünste für gefährlich. "Nur wer eine offene und transparente Informationspolitik betreibt, schafft Vertrauen in der Bevölkerung. Alles andere spielt Menschen mit üblen Machenschaften in die Hände." Die neue Haltung passe gut zu einer Erfahrung aus der vergangenen Woche. Da sei den "hervorragend arbeitenden" lokalen Vertretern der Bundespolizei verboten worden, an einer Pressekonferenz teilzunehmen.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Flüchtlinge
:Brücken nach Bayern

Täglich kommen Tausende Menschen zu Fuß nach Bayern - eine extreme Belastung für die Grenzorte. Jetzt fahren Sonderzüge, um Chaos zu verhindern.

Von Heiner Effern und Wolfgang Wittl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: