Flüchtlingspolitik:Wo hat Bayern noch Platz für geflüchtete Menschen?

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Geflüchtete Menschen angemessen unterzubringen, ist für viele Kommunen nicht so einfach. (Foto: Robert Michael/picture alliance/dpa)

Ministerpräsident Söder fordert wieder mal Hilfe vom Bund, aber nutzt der Freistaat auch die landeseigenen Immobilien? Die Grünen sehen da noch Potenzial.

Von Andreas Glas und Max Weinhold

Am Dienstag hat Markus Söder der Bundesregierung mal wieder geraten, "dringend zu handeln". Wegen der vielen Flüchtlinge seien die Kommunen "an der Belastungsgrenze". Der Ministerpräsident wiederholt seine Forderung ja seit Wochen. Neuerdings sieht er den "Bundeskanzler persönlich" in der Pflicht. Was Söder (CSU) konkret von Olaf Scholz (SPD) fordert: mehr Geld, keine zusätzlichen Aufnahmeprogramme für Flüchtlinge, eine "sofortige Umsetzung" der angekündigten Rückführungsoffensive - und die rasche Überlassung von zusätzlichen Bundesliegenschaften. Der Freistaat habe dem Bund bereits "eine Reihe von Liegenschaften" benannt, "die aus unserer Sicht geeignet sein könnten", um dort Menschen unterzubringen, sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU)

Wenn Bayern so vehement nach bundeseigenen Immobilien ruft, stellt sich natürlich die Frage: Nutzt die Staatsregierung überhaupt alle Unterkünfte, die ihr der Bund jetzt schon mietfrei zur Verfügung stellt? Und wie steht es um die eigenen Immobilien des Freistaats? Gibt es da kein Potenzial mehr?

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Wie aus einer Übersicht des Bundesinnenministeriums hervorgeht, lässt Bayern 32 Prozent der rund 11 000 vom Bund überlassenen Plätze ungenutzt, also knapp ein Drittel. Und trotzdem zeigt Söder mit dem Finger nach Berlin, wie passt das zusammen? Laut Innenminister Herrmann hat das einen einfachen Grund: Die 32 Prozent seien eine veraltete Zahl, aus dem Sommer 2022. Wenn das stimmt: Schöpft der Freistaat die vom Bund überlassenen Unterkünfte wenigstens jetzt aus, ein halbes Jahr später?

Bis vor wenigen Wochen war das zumindest nicht der Fall, rein rechnerisch. Das geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der asylpolitischen Sprecherin der Landtags-Grünen, Gülseren Demirel, hervor. Laut dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, nutzte der Freistaat zum Stichtag 22. Dezember 2022 insgesamt 52 Bundesliegenschaften - mit unterschiedlicher Belegung. Während etwa die beiden Objekte in Bamberg schon damals zu gut 50 Prozent überbelegt waren, blieb eine Unterkunft in Traunstein komplett ungenutzt. In einer Immobilie in Garmisch-Partenkirchen waren immerhin rund ein Drittel der Betten frei, in Weiden etwas weniger als die Hälfte.

Was das unter dem Strich bedeutet? Ist gar nicht so leicht zu beantworten. Wenn Unterkünfte nicht komplett belegt sind, kann das laut Innenministerium auch daran liegen, dass einzelne Räume renovierungsbedürftig sind oder eine vierköpfige Familie ein Sechs-Bett-Zimmer belegt - und die übrigen zwei Betten aus Gründen der Privatsphäre leer bleiben. So oder so seien fast 90 Prozent der Plätze in den sogenannten Ankerzentren in Bayern belegt. Sollten die Zentren weiter volllaufen, brauche es zusätzliche Plätze, auch für die Anschlussunterbringung.

Laut der Regierung kommt kein einziges Wohnobjekt des Freistaates für die Unterbringung in Frage

Für Gülseren Demirel ist das alles "merkwürdig". Sie findet, dass Bayern eigene Immobilien bereitstellen sollte, statt den Bund in die Pflicht zu nehmen. Dagegen versichert das bayerische Innenministerium, dass "aufgrund ihrer Größe und des baulichen Zustands" kein einziges Wohnobjekt im Besitz des Freistaats "für eine Unterbringung von Menschen in Betracht" komme. Auch das steht in der Antwort auf Demirels Anfrage. Laut dem Bauministerium hat der Freistaat immerhin einzelne Immobilien zur Verfügung gestellt, etwa den "Himbeerpalast" in Erlangen, ein ehemaliges Siemens-Gebäude.

Grünen-Politikerin Demirel bezweifelt allerdings, dass ein so großes Bundesland wie Bayern nicht noch mehr Liegenschaften übrig hat, immerhin habe ja auch der Bund 52 Liegenschaften gefunden. "Für die Unterbringung sind die Länder zuständig. Bayern kann und muss hier mehr tun", sagt Demirel, etwa bislang ungeeignete "Landesimmobilien ertüchtigen". Die Staatsregierung wiederum setzt darauf, dass die Kommunen selbst Unterkünfte bauen - und der Freistaat das Geld dafür bereitstellt.

Derweil wächst die Unzufriedenheit in den Kommunen. In Miesbach, sagt CSU-Landrat Olaf von Löwis, gebe es zwar Flächen - doch dauerten die Genehmigungsverfahren für den Bau von Unterkünften zuletzt ein halbes Jahr. Statt in Containern oder Häusern übernachteten daher viele Geflüchtete in Turnhallen. Von Löwis nennt diese Situation "eine Katastrophe", Familien mit kleinen Kindern seien eingepfercht, "wir sind am Limit". Der benachbarte Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat dagegen Probleme, geeignete Grundstücke für Unterkünfte zu finden, sagt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler), die aktuelle Situation "frustriert uns alle".

Aber nicht überall ist der Platz das Problem. Landräte und Bürgermeister warnen, dass die Toleranz in der Bevölkerung schwindet. Beobachten kann man das etwa im oberfränkischen Schwarzenbach an der Saale (Landkreis Hof). Bürgermeister Hans-Peter Baumann (CSU) spricht davon, "dass eine gewisse Angst, ein gewisses Unwohlsein, ein gewisses Grummeln aufkommt". In Schwarzenbach war das etwa auf gut 30 Plakaten zu sehen, die Unbekannte aufgehängt hatten - einen Tag, bevor der Stadtrat über den Standort für Container-Unterkünfte für 66 Geflüchtete entschied. "Können unsere Frauen abends noch auf die Straße gehen?" - diese und ähnliche Fragen hätten die Gegner der Container-Unterkunft gestellt, sagt Baumann.

Er wolle das nicht überbewerten, spricht von ein paar wenigen Verantwortlichen. Und betont: "Man kann schon sagen, dass es in der Bevölkerung viel Verständnis dafür gibt, dass man etwas tun und dass die Unterkunft irgendwo hin muss." Dass sich das ändert, sollte die Schwarzenbach weitere Geflüchtete aufnehmen müssen? Baumann will es nicht ausschließen.

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