Gastronomie auf Rädern:Mit Foodtrucks zum Gründerpreis

Lesezeit: 6 min

Franziska Weidner hat ihr Unternehmen "Food Trucks United" mit ihrem Vater Andreas (li.) gegründet. (Foto: Arlet Ulfers)

Die 29-jährige Franziska Weidner aus Feldafing hat mit ihrem Vater Andreas ein deutschlandweites Netzwerk für Foodtrucks aufgebaut. Jetzt steht sie damit im Finale für den Deutschen Gastro-Gründerpreis. Porträt einer Frau, die niemals aufgibt.

Von Astrid Becker, Feldafing

Ohne Corona wäre wahrscheinlich alles ganz anders gekommen. Franziska Weidner würde vermutlich noch immer in München wohnen. Dort ein Event nach dem anderen in der Allianz-Arena organisieren. "Ich habe diesen Job geliebt", sagt die 29-Jährige. Doch das Leben hatte anderes mit ihr vor. Die dunkelblonde Frau erzählt in einem Café in Feldafing davon. Von dem Moment an, in dem sie in Kurzarbeit geschickt worden ist, von der Zeit, in der ihr einfach nur eines war: extrem langweilig.

Das Gefühl nimmt man ihr sofort ab. Franziska Weidner, oder Franzi, wie sie alle nennen, ist ein lebhafter Mensch, fast schon ein wenig hippelig, auf jeden Fall spontan und auch ganz schön leidenschaftlich, wenn sie sich für etwas begeistert. Und damals, in der Pandemie, in all der Langeweile, wächst in ihr eine Idee. Aus der Idee wird ein Start-up. Aus dem Start-up mittlerweile eine GmbH - die mit so viel Herzblut betrieben wird, dass Franzi Weidner und ihre Firma jetzt sogar im Finale des deutschen Gastro-Gründerpreises stehen, der am 8. März in Hamburg vergeben wird.

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"Ich freue mich natürlich riesig, so weit gekommen zu sein", sagt sie. "Das bringt einem schon jetzt viel Aufmerksamkeit." Und das ist gut fürs Geschäft. Franzi Weidner gibt das unumwunden zu. Genauso wie viele andere Dinge. Zum Beispiel, wenn sie darüber spricht, wie schwierig es ist, mit dem eigenen Vater eine Firma zu gründen. "Wahrscheinlich", so sagt sie, "würde ich das heute nicht noch einmal machen und es auch niemandem raten." Das klingt heftig, hat aber aus ihrer Sicht seine Berechtigung. Das Private, das Familiäre, leide schon darunter, sagt sie, "weil wir, wenn wir uns sehen, nur über die Arbeit reden: Das hat alles, unser ganzes Verhältnis zueinander verändert. Das habe ich vorher so nicht bedacht."

Vater Andreas Weidner kommt ursprünglich aus der Gastronomie. Er ist Koch und Hotelbetriebswirt, hat einst von 1993 bis 1998 ein eigenes Lokal in Starnberg geführt, die "Poeterie". Der heute 59-Jährige verbrachte zudem viele Jahre im Außendienst eines Logistikunternehmens in der Lebensmittelbranche, ehe er mit dem "Herrn von Schwaben" in der Foodtruck-Szene landete.

Bei den Weidners gibt es Spätzle und Maultaschen. (Foto: Food Trucks United)
München sei der bessere Markt für Foodtrucker als etwa Starnberg, findet Weidner - hier ein Event am Olympiapark. (Foto: Tizian Voss/Food Truck Unitel)

Ein Franchisekonzept ist das zu dieser Zeit, in die Firma dahinter ist Weidner irgendwann selbst eingestiegen. So erzählt es seine Tochter. Vor gut sieben Jahren war das mit dem "Herrn von Schwaben" und den rollenden Spätzle und Maultauschen, die aus diesem Truck heraus verkauft werden. Franzi Weidner unterstützt ihren Vater dort von Anfang an. Sie hilft immer wieder mal im Service aus oder geht selbst damit auf Tour. Vor allem dann, als aus dem einen Foodtruck zwei werden und sich das Geschäft immer mehr von Starnberg nach München verlagert.

Starnberg, sagt die gelernte Veranstaltungskauffrau Franzi Weidner, sei einfach kein Markt für Foodtrucks. Das habe sich mehr und mehr gezeigt. Zu wenig Laufkundschaft. Zu wenig Firmen, deren Mitarbeiter die Mittagspause bei Spätzle und Co. im Freien verbringen würden. Und zu wenige Stellflächen für Foodtrucks. München hingegen - das rechne sich. Und zwar gut. Vor allem auch jetzt, in Zeiten, in denen die Gastronomie wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer verlangen müsse: "Bei uns bleibt ja alles bei sieben Prozent." Was sich auch bei Veranstaltungen niederschlage.

Zum Beispiel in dieser Woche. Kurz vor der Verleihung des Gastro-Gründerpreises hat Franzi Weidner noch einen Großkunden mit 4000 Gästen zu betreuen. Zwei Tage lang. Sie wird selbst die Trucks mit Getränkekisten bestücken, kontrollieren, ob alles passt - von den angebotenen Gerichten bis hin zu den Stromleitungen. "Ich krieche selbst am Boden herum, verlege und schaue, ob alles in Ordnung ist." Wer nun denkt, dass sie dort nur Spätzle und Maultaschen aus der eigenen Produktion kredenzt, irrt. Denn Weidner hat aus der Ursprungsidee ihres Vaters eine andere gemacht: Ihr Schwerpunkt liegt auf der Vermittlung dieser speziellen Form der Gastronomie. Rund 150 verschiedene Foodtrucks lassen sich von ihr und ihrem Vater, der in ihrer Agentur "Food Trucks United" mit dabei ist, buchstäblich an den Mann, an die Frau, an Veranstalter bringen. Doch wie ist es dazu gekommen?

Während der Pandemie verändert sich das Geschäft: Von Veranstaltungen am Wochenende zu Kantinenersatz an den Werktagen. (Foto: Food Trucks United)

Während der Zeit der Langeweile, so nennt Franzi Weidner ihre persönliche Wahrnehmung der Pandemie immer wieder, sei sie bei ihrem Vater eingesprungen. Eine schwierige Phase sei das gewesen, sagt sie: Streetfood-Festivals oder eben andere Veranstaltungen, für die normalerweise Foodtrucks gebucht werden, gibt es nicht. Die Corona-Auflagen verbieten das. Wer überleben will unter den Foodtruckern, muss sich verändern, das Geschäft von Wochenenden oder Abendevents mehr und mehr auf Werktage verlegen. Und die einzige Chance ergreifen, die sich damals anbietet: als Alternative für ebenfalls während der Lockdowns geschlossene Kantinen zu fungieren.

Franzi Weidner wird das schnell klar - durch ihren Job in der Allianz-Arena: "Da gab es ja auch keine Kantine mehr - und wir mit unseren beiden Foodtrucks konnten gut Abhilfe schaffen." Das Angebot dieser besonderen Art von Essen auf Rädern kommt an, immer mehr Firmenchefs zeigen sich von der Idee, die Versorgung ihrer Mitarbeiter über Foodtrucks zu gewährleisten, regelrecht begeistert. So sehr, dass die Nachfrage für die Weidners allein nicht mehr zu bewältigen ist: "Da habe ich verstanden, dass wir Foodtrucker überleben können, aber nur gemeinsam. Und dass die Sache mit dem Kantinenersatz Gold wert ist - für uns alle."

Ihr Mentor Heiko Baier ist mittlerweile gestorben

Deshalb initiiert sie 2020 ein spezielles Netzwerk: eben "Food Trucks United". Die Idee dahinter klingt einleuchtend, nur darauf kommen muss man erst mal: im Internet eine Art Plattform für alle Foodtrucker zur Verfügung zu stellen. Das, so meint sie, bringe doch für jeden nur Vorteile: "Niemand muss mehr Kunden eine Absage erteilen, wenn er keine Kapazitäten mehr an den gewünschten Terminen freihat." Franzi Weidner sucht einfach dem Kundenwunsch entsprechend einen Ersatz unter ihren Partnern. Das funktioniere eben auch, wenn einem Teller oder Gläser oder was auch immer ausgingen, sagt sie: "Dann können wir uns untereinander aushelfen."

Große Unterstützung für ihre Idee bekommt Weidner zu dieser Zeit von Heiko Baier aus Haar vom "Heimat Foodtruck". Er fungierte als eine Art Mentor und auch als Multiplikator für sie. So beschreibt sie es sinngemäß - und während sie über ihn spricht, zieht ein dunkler Schatten über ihr Gesicht. Denn Baier, Jahrgang 1972, ist vergangenes Jahr im Oktober an Krebs gestorben. Für Franzi Weidner noch immer unfassbar. Sie wird sehr leise, wenn sie sagt: "Wenn er noch da wäre, würde ich das Konzept nur mit ihm gemeinsam in Hamburg beim Gastro-Gründerpreis präsentieren."

Soziale Medien spielen eine große Rolle in der Vermarktung der Foodtrucks: Franziska Weidner hat mittlerweile 28 000 Follower allein auf Instagram. (Foto: Arlet Ulfers)

Aber sie möchte ihn auf ihre Weise trotzdem bei sich haben: "Ich werde von ihm erzählen, dort, auf der Bühne." Und wenn sie so redet, ihre Augen feucht glänzen, ist deutlich zu spüren, wie sehr er ihr als Ansprechpartner fehlt, wie viel sie ihm offenbar verdankt. Das ist eine ganze Menge: Immerhin sind heute Foodtrucks aus ganz Deutschland unter Weidners Firmendach vereint. Und klar, sagt sie, habe anfangs der eine oder andere sich schon gefragt, was ihm so "ein junges Ding wie ich" bieten oder vermitteln könne, erzählt sie.

Doch Franzi Weidner macht einfach weiter. Ihr Netzwerk wächst. Zunächst nicht nur über persönliche Empfehlungen, sondern auch über die sozialen Medien: Dort informiert sie etwa 2021 darüber, wo sich gerade welche Foodtrucks befinden oder spezielle Foodtruck-Drive-Ins, die sie mit ins Leben gerufen hat. Die Zahl ihrer Follower allein auf Instagram wird immer höher. Mittlerweile sind es etwa 28 000. Sie lässt eine App entwickeln, die sich jede und jeder aufs Smartphone laden kann, die genau Auskunft darüber gibt, wo genau welcher Foodtruck in Deutschland steht, samt Telefonnummer und einer Übersicht, welche Speisen dort angeboten werden: "Es gibt ja alle möglichen Foodtrucks - angeboten werden Burger oder Thailändisch, süße und herzhafte Konzepte. Da kann der Gast wählen, worauf er Lust hat."

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Ebenso wie die Großkunden, die sich Veranstaltungen mit mehreren kulinarischen Ausrichtungen wünschen. Bis zu 5000 Menschen könne sie derzeit auf diese Weise bewirten, sagt Weidner. Wie in den kommenden Tagen bei dem Event eines bekannten Software-Unternehmens in München. Das muss die junge Gründerin noch abwickeln, bevor sie nach Hamburg zur Internorga fährt, auf welcher der Gastropreis im Wert von 10 000 Euro vergeben wird.

Wenn man sie fragt, wie sie selbst ihre Chancen darauf einschätzt, sich gegen die anderen vier Finalisten durchzusetzen, lächelt sie: "Ich glaube, die stehen gut. Die Internorga hat heuer genau dasselbe Motto wie wir: gemeinsam sind wir stark." Zudem sei die Vergabe am Weltfrauentag, und sie Mitglied im Frauennetzwerk - und im Leaders-Club, der den Preis mitvergibt und in dem sie bereits jetzt ihre eigenen Erfahrungen weitergibt. "Wir müssen ja nicht alle dieselben Fehler machen."

Franziska Weidner träumt von einer Lagerhalle für sich und ihre Mitbewerber - mit eigenen Produktionsküchen. Hier bereitet sie die Speisen mit ihrem Mitarbeiter Jonas Kaltenbach zu. (Foto: Arlet Ulfers)
Franziska Weidner plant und organisiert nicht nur vom Schreibtisch aus. Sie packt immer selbst mit an. (Foto: Arlet Ulfers)

Sollte sie tatsächlich gewinnen, will sie mit dem Preisgeld erst einmal ihrer Firma eine funktionierende Struktur verpassen: "Normalerweise gibt es ja immer erst eine Idee, dann einen Business-Plan und erst danach ein Start-up - bei uns war es genau umgekehrt." Das alles habe sehr viel Energie gekostet. Sie habe in den vergangenen Jahren praktisch nur gearbeitet, viele Kilos abgenommen und nur noch wenig Zeit für Hobbys wie Sport oder gar Freunde oder Familie gefunden. "Ich war nur mehr im Hamsterrad", sagt sie. Und genau das will sie wieder ändern.

Einen wichtigen Schritt dazu hat sie bereits vollzogen: "Ich bin von München nach Feldafing umgezogen, in das Haus meiner Eltern." Ihre Hoffnung: sich wieder ein echtes Familienleben zurückzuholen. Privat will sie wieder ein wenig Spaß haben, das Leben genießen. Und neue Kraft für ihre nächste Vision tanken: Weidner möchte Foodtrucker nicht nur im Internet auf einem Portal vereinen, sondern auch unter einem realen gemeinsamen Dach: "Dafür suchen wir größere Lagerflächen für unsere Fahrzeuge, für Büros und Produktionsküchen." Denn klar ist für sie trotz privater Tiefschläge eines: "Ich mache natürlich weiter, ich als Mensch, so wie ich bin - ich kann ja gar nicht anders."

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