Fasching:Die Rache der rollen- und kultursensiblen Kinder

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Die Verkleidung als Indianer ist heute umstritten. Auf dem Schulfasching hat sie ihrem Träger immer große Macht verliehen. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Faschingszeit war voller moralischer Debatten, etwa darüber, ob Kinder noch als Prinzessinnen und Indianer verkleidet sein dürfen. Was Eltern dabei übersehen: Erziehung funktioniert selten so, wie man sich das vorstellt.

Glosse von Sebastian Beck

Zum Glück ist die Faschingszeit vorbei. So anstrengend wie in diesem Jahr war sie noch nie. Nicht wegen all der Bälle und der Saufereien, sondern wegen der Diskussionen: Darf die Altneihauser Feierwehrkapell'n wieder auftreten, obwohl sie vergangenes Jahr schlechte und sexistische Witze gemacht hat? Dürfen Kinder noch als Prinzessin oder Indianer gehen? Wie verwerflich ist Blackfacing? Bei wem muss sich die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer entschuldigen? Ist der Fasching in seiner Ganzheit sexistisch und überholt? Darf man Buben Pistolen erlauben? Und kann es außerhalb der Grünen überhaupt Menschen mit akzeptablen moralischen Maßstäben geben?

Ganz früher, als all diese Fragen weder gestellt noch beantwortet waren, da hatte die Verkleidung als Indianer auf dem Schulfasching ihrem Träger große Macht verliehen: Mit dem Gummi-Tomahawk ließen sich Angriffe von Seeräubern, Cowboys, Sheriffs, Scheichs, aber auch von Kannibalen abwehren. Zur Not hatte man noch einen zwölfschüssigen Revolver im Gürtel. Heute haben die wenigen verbliebenen Indianer keine adäquaten Gegner mehr. Wer will schon ernsthaft auf eine Biene schießen? Oder auf einen Schwachmaten im Froschanzug? Aus Schweden schwappt nun überdies die Welle der geschlechterneutralen Erziehung nach Resteuropa - das Ende aller Indianer und Prinzessinnen. Oder nicht?

Das erinnert doch stark an die Achtzigerjahre, als Kinder und Jugendliche von ihren Öko-Eltern mit Büchern von Gudrun Pausewang über den Weltuntergang malträtiert wurden und dazu Grünkernaufläufe futtern mussten, um schon mal einen Vorgeschmack darauf zu bekommen. Das pazifistische Erziehungsprogramm samt Wackersdorf-Demo sollte sie zu besseren Menschen formen. Nicht wenige Eltern wunderten sich, als ihre Kinder Jahre später allem zum Trotz Nazi-Bands hörten und den Abfall von McDonalds aus dem fahrenden Auto warfen. Erziehung funktioniert halt selten so, wie sich Politiker und Pädagogen das vorstellen. Die besten Vorsätze provozieren oft genau das Gegenteil. Man kann deshalb prophezeien: Die rollen- und kultursensiblen Kinder von heute werden zu Seeräubern, Cowboys, Sheriffs, Scheichs und Prinzessinnen heranwachsen. Wetten?

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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