Fall Peggy:Ein neuer alter Verdächtiger

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Peggy Knobloch war neun, als sie verschwand. Bis heute gibt es viele Gerüchte - und neue Ermittlungen. (Foto: dpa)

Er war 17, ein Freund der Familie und vermutlich verknallt: Im Fall der spurlos verschwundenen Peggy gibt es einen neuen Verdächtigen. Die Ermittler hatten den Mann schon vor zwölf Jahren im Visier, damals soll er ein falsches Alibi angegeben haben. Mittlerweile sitzt er wegen Missbrauchs seiner Tochter im Gefängnis.

Von Katja Auer

Als Elke Beyer am Dienstag aus dem Urlaub heimfährt, hört sie sich selbst im Radio. Ein altes Interview wahrscheinlich. Da weiß sie schon, dass wieder irgendwas passiert sein muss. Die Bürgermeisterin von Lichtenberg ist eine freundliche Frau, aber man meint ihr anzumerken, dass sie auch mal gerne über das Burgfest am Wochenende reden würde oder darüber, dass Lichtenberg wirklich ein hübsches kleines Städtchen ist, mit ein paar schönen Wanderwegen drumherum. Aber es geht immer nur um Peggy.

2001 ist das Mädchen verschwunden und seitdem schwappen durch den Ort im Frankenwald immer wieder mehr oder weniger große Wogen der öffentlichen Erregung. Gerade ist es eher eine kleinere. Die Ermittler verfolgen eine neue Spur, oder besser, sie verfolgen eine alte Spur neu: Seit zwei Monaten wird gegen einen 29-Jährigen aus Halle in Sachsen-Anhalt ermittelt, er steht im Verdacht, das damals neunjährige Mädchen ermordet zu haben. Schon 2001 geriet der erst 17-jährige Freund der Familie ins Visier der Polizei, aber offenbar hätten sich keine hinreichenden Beweise ergeben, sagt der Bayreuther Oberstaatsanwalt Herbert Potzel. Außerdem gestand der geistig behinderte Gastwirtssohn Ulvi K. das Verbrechen und der Fall schien gelöst zu sein.

Ein Fehler, wie die Autoren Ina Jung und Christoph Lemmer den Ermittlern in ihrem Buch "Der Fall Peggy" vorwerfen, in dem sie den Mann als den wahrscheinlicheren Mörder beschreiben. Lemmer arbeitet bei "Antenne Bayern" und der Radiosender berichtet nun über die neuen Ermittlungen. Es sind auch die Medien, die im Fall Peggy immer neue Wogen über Lichtenberg hereinbrechen lassen.

Verknallt und mit falschem Alibi

Der Mann sei in Peggy verknallt gewesen, habe ein Medaillon mit ihrem Foto um den Hals getragen, schreiben die Autoren. Außerdem habe er der Polizei ein falsches Alibi für den Tag von Peggys Verschwinden genannt. Und später wurde er wegen des sexuellen Missbrauchs seiner eigenen Tochter zu sechs Jahren Haft verurteilt. Er sitzt noch im Gefängnis und Oberstaatsanwalt Potzel will nicht sagen, ob er bereits vernommen wurde. Die Spur nach Halle sei aber unabhängig von dem Buch der beiden Journalisten verfolgt worden, betont Potzel, im Sommer hätten sich einige neue Hinweise ergeben. Wie im Fall Peggy insgesamt.

Seit gut einem Jahr ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft wieder, es sei ihre Aufgabe, die Ergebnisse von damals zu überprüfen, sagt Potzel. Zwei Sonderkommissionen gab es nach dem Verschwinden von Peggy, häufig standen die Ermittler in der Kritik. Nun seien erneut 120 Zeugen befragt worden, eine "sensationelle Wendung" deute sich aber auch mit dem jüngsten Verdacht nicht an, sagt Potzel.

Aufregung um Knochenfund

Erst im April hatte es so ausgesehen, als ob sich etwas tun könnte. Damals rückte die Polizei mit schwerem Gerät in Lichtenberg an, ein Hinterhof am Marktplatz wurde metertief umgegraben und auch im Haus suchten die Beamten nach Spuren von Peggy. Ein paar Knöchelchen fanden sie dann auch. Die allerdings stammten nicht von dem Mädchen. Drei Tage lang hatte die mediale Öffentlichkeit gebannt auf die Plane gestarrt, hinter der die Spezialisten sich durch die Erde wühlten. Indes, sie fanden nichts. Offenbar gegen ihre Erwartungen, anfangs hatte sich der Polizeisprecher noch hoffnungsfroh gegeben. Nun stehen die Ermittlungen vor dem Abschluss, der Hausbesitzer hat wohl nichts mit der Sache zu tun, sagt Potzel.

Ein Rückschlag, wieder einmal, es hat schon einige gegeben in diesem Fall. Ein Ende der Ermittlungen sei nicht in Sicht, aber im Oktober will die Staatsanwaltschaft ihre Stellungnahme zum Wiederaufnahmeantrag des Frankfurter Rechtsanwalts Michael Euler abgeben. Der vertritt Ulvi K., wie seine Unterstützer zweifelt auch Euler an der Schuld seines Mandanten. Auch Jung und Lemmer glauben, dass der Falsche verurteilt wurde und listen in ihrem Buch eine Reihe von angeblichen Verfehlungen und Ermittlungsfehlern der damaligen Sonderkommissionen auf. Außerdem ist unklar, wie es der ungelenke Ulvi, der offenbar kaum lesen kann und auch sonst als wenig verständig beschrieben wird, hinbekommen haben soll, den perfekten Mord zu begehen. Schließlich gibt es bis heute keine Spur von Peggys Leiche. Manche meinen, alleine könne er das nicht geschafft haben. Er müsse Helfer gehabt haben.

Selbst wenn der Wiederaufnahmeantrag zugelassen würde, käme Ulvi K. wohl nicht frei. Denn der heute 36-Jährige wurde zwar wegen des Mordes an Peggy zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, hat die Haft aber nicht angetreten. Vielmehr sitzt er in der geschlossenen Psychiatrie in Bayreuth - weil er Kinder missbraucht hat, nicht wegen Peggy.

© SZ vom 05.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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