Parteichef Horst Seehofer berichtet aus einem politischen Katastrophengebiet. Seine Rede in der Hanns-Seidel-Stiftung, wo an diesem Montag eigentlich eine Party steigen sollte, beginnt mit den Worten: "Wir warten noch, bis wir alle versammelt sind." Dann versucht er die Zahl 40 zu erklären, die für die CSU in den Hochrechnungen bei der Europawahl steht.
Er habe bis eben in der Landesleitung den "Versuch einer Analyse" unternommen. Aber mit den Infos, die "er bis zur Stunde" zur Verfügung habe, sei das schwierig. Er spricht von einer "bitteren Stunde", und dass man jetzt "zusammenstehen" müsse. Land unter im CSU-Land. 40,5 Prozent - es ist das schlechteste Ergebnis überhaupt für die CSU bei einer Europawahl.
Die Partei leidet wie schon lange nicht mehr. Die Berliner Statthalterin der Partei, Gerda Hasselfeldt, sagt: "Ich kann das noch gar nicht glauben." Manfred Weber, der Europapolitiker der CSU, analysiert dagegen schon ganz kühl: "Wir haben die Menschen nicht überzeugt." Reden will er morgen im Vorstand. Über die CSU und Europa. Mit "Nachdenklichkeit" werde er in die Sitzung gehen. Was für eine Untertreibung angesichts dieses Ergebnisses.
Die Disziplin lässt nach
Acht Abgeordnete. Dieses Ziel hatte Seehofer vorgegeben. Jetzt werden es nur noch fünf sein. Seehofer wusste, dass die Wahl schwierig wird. Deutschland schickt drei Parlamentarier weniger nach Brüssel. Ohne Fünf-Prozent-Hürde haben die Kleinparteien freie Bahn. Aber dass es so schlimm kommen würde? Er macht die geringe Wahlbeteiligung in Bayern dafür verantwortlich. Aber er weiß auch, das allein wird als Analyse nicht reichen.
Wenn der Vorstand an diesem Montag zur Analyse in der Parteizentrale zusammenkommt, wird es viel zu bereden geben. Wie erklärt man die eigene Niederlage und den Erfolg der AfD, die mit sieben Prozent rechnen kann - auch gegenüber der Schwesterpartei CDU? Die hatte sich von Anfang an über die populistischen Töne aus Bayern geärgert. Nach dieser Wahl kann Seehofer nicht mit Milde rechnen. "Bislang hat ihn immer geschützt, dass die nächste Wahl vor der Tür stand", sagt ein Vorstandsmitglied.
Die Disziplin lässt schon nach. Der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, den Seehofer gerne mal als Bundesbedenkenminister verhöhnt hatte, macht sich jetzt selbst lustig. Die Leute hätten der CSU auch glauben müssen, dass sie wirklich etwas verändern will. Eine Anspielung auf den "Ja, aber"-Kurs in der Europapolitik, den die CSU gefahren hatte. "Da war das Vertrauen aber etwas unterwickelt", sagt Friedrich.