Ästhetik:Nato-Draht am Gartenzaun

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Diese Stahlmattenzäune vor denkmalgeschützten Häusern in München mussten schon vor Jahren entfernt werden. Doch sie breiten sich immer weiter aus. (Foto: Stephan Rumpf)

Nach der Toskanahauspest und der Gabionenkrankheit grassiert auf dem Land eine neue Seuche: Eigenheimbesitzer umgeben ihre Gärten mit Sperranlagen aus Metall. Eine Polemik.

Glosse von Sebastian Beck

Alle stolzen Besitzer von Doppelstabmattenzäunen - und es werden leider immer mehr - seien gewarnt: Dieser Artikel richtet sich klar gegen Doppelstabmattenzäune. Die folgenden Zeilen werden also einseitig, stellenweise sogar polemisch, denn neben der Toskanahauspest und der Gabionenkrankheit grassiert in Bayern neuerdings das Doppelstabmattenzaunvirus. Kein Neubaugebiet auf dem Land, das ohne diese schwarzen oder dunkelgrünen Sperranlagen auskommt, die stark an den Bauzaun von Wackersdorf erinnern.

Wahrscheinlich kann man sie auch gleich mit einer Rolle Nato-Draht bestellen, damit es Nachbarn, Igel und andere potenzielle Feinde kapieren: Wage du es nicht, auch nur einen Fuß auf meine hundert Quadratmeter Steingarten zu setzen! Das Komplettmodul (10 Meter x 1,20 Meter plus 250 Kilo Spezialbeton und Ankerschrauben) wird im Internet übrigens für gut 700 Euro gehandelt. Da kommen schon mal ein paar Tausender zusammen, bis die Hochsicherheitszone steht. Wer will, kann sich auch noch einen Sichtschutz aus Kunststoff einflechten lassen und das Vorfeld wie einst die innerdeutsche Grenze mit Kameras und einem Kiesstreifen sichern. Dann schaut es fast so professionell aus wie in Mödlareuth.

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Als Nichtbesitzer eines Doppelstabmattenzauns fragt man sich allerdings, welche Erwägungen der Anschaffung einer solchen Scheußlichkeit vorausgehen. Oder anders ausgedrückt: Warum geben Menschen auf dem Land ein Vermögen dafür aus, um sich ein geradezu lebensfeindliches Ambiente aus widerlichen Materialien zu schaffen? Zumal seit ungefähr 40 Jahren Architekten, Bauberater, Heimatpfleger und Landschaftsgärtner vergebens predigen, dass Gärten etwas anderes sind als Exerzierplätze.

Einige gehen sogar so weit, dass sie das Konzept Gartenzaun insgesamt infrage stellen, weil sich das heimische Revier doch auch mit einer Reihe von Sträuchern oder Büschen markieren lässt. Die aber werfen Laub ab, und Laub ist bekanntlich der größte Feind vieler Eigenheimbesitzer, weil Laub im Herbst einfach rumfliegt und sich erkennbar an keine Hausordnung hält, egal wie laut und wie oft man sie dem Gebüsch auch vorliest.

Zumindest hat der Doppelstabmattenzaun eine klare Botschaft. Sie lautet: Ihr Ökos mit eurem Gerede von Natur, ihre könnt uns alle mal den Buckel runterrutschen.

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