Impf-Betrug:"Die Vorwürfe gegen den Arzt sind erschütternd"

Lesezeit: 2 min

Stefan Rößle, der Landrat im schwäbischen Kreis Donau-Ries, zeigte sich tief betroffen. (Foto: Stefan Puchner/dpa)

Ein Mediziner aus Wemding hat offenbar Hunderte falsche Impfzertifikate ausgestellt und womöglich unwirksame Spritzen verabreicht.

Von Dietrich Mittler, Donauwörth/Wemding

Bereits Mitte Juli dieses Jahres waren erste Hinweise aufgetaucht, dass ein Hausarzt im schwäbischen Wemding im Kreis Donau-Ries womöglich Impfbescheinigungen ausstellt, ohne seine Patienten tatsächlich gegen Corona immunisiert zu haben. Am Dienstag machten Behördenvertreter in Donauwörth erstmals konkrete Angaben zu ihren bisherigen Erkenntnissen - und die sind erschütternd. Wie Landrat Stefan Rößle (CSU) nach der Pressekonferenz am Telefon erklärte, habe die Sichtung der von der Kriminalpolizei beschlagnahmten Unterlagen ergeben, dass mutmaßlich mehrere hundert Patienten des Arztes falsch ausgestellte Impfbescheinigungen erhalten haben. Darunter waren Personen, die offenbar ganz bewusst gar keinen Wert darauf gelegt hatten, Impfstoff zu erhalten. Aber eben auch viele Menschen, die guten Glaubens zu dem Wemdinger Allgemeinmediziner gegangen waren, um sich impfen zu lassen.

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"Man darf also von zwei Fallkonstellationen ausgehen", sagte der Landrat. Es habe sich offenbar herumgesprochen, "dass man da einen Impfnachweis kriegt, ohne sich tatsächlich impfen zu lassen". Völlig neu sei hingegen die Auskunft der Ermittler gewesen, "dass es mehrere hundert Menschen gegeben habe, die guten Glaubens in der Praxis waren, die dort einen Piks bekamen und danach davon ausgingen, dass sie nun einen Impfschutz haben". Offenbar aber gibt es ernsthafte Hinweise darauf, dass bei diesem Piks kein Impfstoff verabreicht wurde. Unter den Betroffenen seien Menschen gewesen, "die unter Vorerkrankungen litten und für die diese Impfung sehr notwendig ist".

Über die bisherigen Erkenntnisse war Landrat Rößle bereits am Freitag bei einer gemeinsamen Besprechung mit der Regierung von Schwaben, der ermittelnden Staatsanwaltschaft Augsburg und der Polizei aufgeklärt worden. Nun am Dienstag präsentierten er sowie Vertreter der Ermittlungsbehörden erstmals Details - betonten dabei aber auch einhellig, "erst ganz am Anfang eines Ermittlungsverfahrens zu stehen". Die Dimension der im Raum stehenden Vorwürfe hat Rößle erschüttert. Und nicht nur ihn. Er habe großes Verständnis für die Besorgnis, die Betroffenheit und den Vertrauensverlust in der Bevölkerung.

Erste Hinweise auf Unregelmäßigkeiten beim Impfen in der Wemdinger Praxis waren offenbar nicht nur beim Ärztlichen Kreisverband Nordschwaben und bei der Bayerischen Landesärztekammer aufgetaucht, sondern auch im Landratsamt. Die anonyme Mitteilung sei umgehend an die Ermittlungsbehörden weitergereicht worden. Wie in der Pressekonferenz im Landratsamt anklang, sei es aber für die Ermittlungsbehörden sehr schwierig, allein aufgrund von anonymen Hinweisen ernsthafte Schritte wie eine Hausdurchsuchung einzuleiten. Dazu brauche es etliche "konkrete Anhaltspunkte", zitierte der Landrat die Ermittler.

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Am vergangenen Freitag habe sich das Landratsamt dazu entschieden, den Namen des Arztes bekannt zu geben, um die Verunsicherung in der Bevölkerung nicht noch zu vergrößern. Es handelt sich demnach um den Wemdinger Hausarzt Gerhard Holst, der nach Erkenntnissen der Landesärztekammer den Corona-Leugnern nahestehen soll. "Das war eine Güterabwägung, aber hier überwog der Gesundheitsschutz", so Rößle. Mit der Verwaltungsgemeinschaft Wemding sei überdies beschlossen worden, die Praxis zu schließen.

Seit Montag bereits können sich Patienten des Wemdinger Arztes im ehemaligen Impfzentrum von Nördlingen einem Antikörpertest unterziehen. Der soll klarstellen, ob sie wirklich gegen das Coronavirus geimpft sind. Mehr als 130 Männer und Frauen hätten am ersten Tag von dem Angebot der Kreisbehörde Gebrauch gemacht, sagte Rößle. Vor dem Gebäude hätten sich schon am Vormittag "Schlangen gebildet", beschrieb eine Sprecherin des Landratsamtes den Andrang.

Auch im Gesundheitsministerium wird der Fall Wemding mit Aufmerksamkeit verfolgt. Dort hieß es am Dienstag: "Die Vorwürfe gegen den Arzt sind erschütternd." Im Ministerium ist man indes überzeugt, dass die laufenden Ermittlungen "zu einem gerechten Schluss kommen werden". Es gehe jetzt aber nicht darum, die Ärzteschaft unter Generalverdacht zu stellen. Wo immer es bei den gegenwärtigen Covid-19-Impfungen nachweislich zu Rechtsverstößen komme, würden diese "mit der geballten Macht des Strafrechts und des ärztlichen Berufsrechts geahndet".

Ruth Waldmann, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, erklärte auf Nachfrage: "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann hat das seitens des beschuldigten Arztes überhaupt nichts mit Impfskepsis oder gar mit persönlichen Freiheiten zu tun, sondern dann ist das eine bewusste Gefährdung anderer."

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