Deggendorf:20-Jährige getötet: Mordurteil gefordert und bewegende Worte

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Ein Schild mit der Aufschrift "Amts- und Landgerich Deggendorf" steht vor dem Gerichtsgebäude. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Im Wiederaufnahmeverfahren um die Tötung einer 20 Jahre alten Frau aus dem niederbayerischen Freyung im Oktober 2016 hat der Staatsanwalt vor dem Landgericht...

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Deggendorf (dpa/lby) - Im Wiederaufnahmeverfahren um die Tötung einer 20 Jahre alten Frau aus dem niederbayerischen Freyung im Oktober 2016 hat der Staatsanwalt vor dem Landgericht Deggendorf auf eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes plädiert. Er forderte die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Seiner Überzeugung nach erstach der heute 28-Jährige seine Ex-Freundin in deren Wohnung - und zwar als sie schlief. Das bedeute das Mordmerkmal der Heimtücke, sagte Ankläger Stefan Brunner am Montag. Zudem ging er von niederen Beweggründen aus.

Der Angeklagte habe die Arg- und Wehrlosigkeit der Schlafenden ausgenutzt, habe die Trennung nicht akzeptieren und seinen Machtwillen und Besitzanspruch durchsetzen wollen sowie mit postmortalem Geschlechtsverkehr sicherstellen wollen, „der Letzte“ gewesen zu sein. Zudem habe er vor der Tat Wodka konsumiert, um später mit Schuldunfähigkeit argumentieren zu können und schon wenige Stunden nach der Tat mit den Vorbereitungen zu seiner Flucht begonnen. Der Angeklagte habe sich dem Opfer gegenüber besonders gleichgültig verhalten.

Zahlreiche, sich im Kern deckende Zeugenaussagen untermauerten diese Tatversion ebenso wie die Ergebnisse der Sachverständigengutachten, sagte Brunner. Die Verletzungen des Opfers und die Blutspuren in der Wohnung könnten nur von einer Tötung im Schlaf stammen. Auch habe keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung beim Angeklagten vorgelegen. Die Flucht habe er ordentlich geplant und später via Handynachrichten an Angehörige vorgetäuscht, sein Opfer sei noch am Leben.

Gegen die Version des Angeklagten - dass seine frühere Freundin in der Küche nach dem Messer gegriffen, sich der Streit ins Schlafzimmer verlagert und er ihr das Messer abgenommen und sie im Streit erstochen habe - spreche auch die Anwesenheit des Sohnes. Der Bub habe mutmaßlich im Schlafzimmer in seinem Bett gelegen und weil er Zeugen zufolge einen leichten Schlaf gehabt habe, sei nicht davon auszugehen, dass seine Mutter schreiend und mit einem Messer in der Hand ausgerechnet ins Schlafzimmer gelaufen sein soll.

Die Nebenklagevertreter schlossen sich in ihren Schlussvorträgen der Forderung des Staatsanwaltes an. Die Plädoyers der Verteidiger werden am 26. September erwartet.

Eindringliche und emotionale Worte fand die Mutter des Opfers, die an jedem der bisher 26 Verhandlungstage im Gerichtssaal saß. Seit der Tat sei kein Tag mehr wie vorher. Ihre Tochter fehle unendlich, und der Schmerz sei kaum auszuhalten. „Dieser Verbrecher“ habe sich über alle gestellt, ihrer Tochter das Leben genommen und seinem eigenen Sohn die Mutter. Ihre Tochter habe mit ihrem großen Herzen und ihrer Gutmütigkeit ihren damaligen Freund immer wieder verteidigt, aus dem Dreck gezogen und sich gar für ihn von ihrer Familie abgewandt.

Sie sprach von einer hinterhältigen, nicht zu rechtfertigenden und unverzeihlichen Tat. Der Angeklagte sei zu feige, für seine Tat geradezustehen. In dem kleinen Sohn, dem die Tochter gern eine gute Mutter gewesen wäre, lebe die Tochter weiter. Die Nebenklägerin, bei der der Bub seit damals lebt, sagte, sein „Erzeuger“ sei ihm völlig fremd und soll keinen Kontakt mehr zu seinem Sohn haben dürfen. Beim Angeklagten habe sie keinerlei Reue erkennen können.

In einem ersten Prozess vor dem Landgericht Passau war der Angeklagte 2017 rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt worden. Im Mai 2022 begann das nun laufende Wiederaufnahmeverfahren. Dieses war möglich geworden, weil im ersten Prozess zwei Zeugen Falschaussagen zugunsten des Angeklagten abgelegt hatten. Dafür wurden sie 2019 rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt.

© dpa-infocom, dpa:220919-99-820329/4

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