CSU: Reha-Politik gegen FDP:Der Torkel-Kurs des Horst Seehofer

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Partei-Reha auf Kosten des Koalitionsfriedens: Seehofer will die CSU im Steuerstreit nun auf einmal gegen die generöse FDP profilieren.

Birgit Kruse

Vor der Wahl: Da war er der große Steuersenker. Nach der Wahl: Da ist er entschiedener Mahner vor Unrealistischem. In der Karriere des Horst Seehofer hat es noch nie an Volten gefehlt.

Horst Seehofer und Guido Westerwelle (Foto: Foto: ddp)

Seine CSU tritt denn auch seit einigen Wochen beim Streitpunkt Steuersenkungen gehörig auf die Bremse. Die Pläne der FDP, die Abgaben im kommenden Jahr um bis zu 24 Milliarden Euro zu senken, bezeichnet Parteichef Seehofer nun sogar als unrealistisch. Bevor weitere Entlastungen für die Bürger beschlossen würden, müsse man die Steuerschätzungen im Mai abwarten, betont er gebetsmühlenartig. Auch müsse man sehen, wie sich die Wirtschaft im ersten Halbjahr 2010 entwickle.

Natürlich hat die CSU, natürlich hat Seehofer recht. Jetzt den Forderungen der FDP nachzugeben, wäre ein Himmelfahrtskommando. Doch hinter dem jüngsten Credo aus Bayern, man müsse sich in der Politik wieder nach den Realitäten ausrichten, steckt eher parteipolitische Strategie als wahre Erkenntnis.

Seit Wochen streitet die schwarz-gelbe Koalition in Berlin in aller Öffentlichkeit über den richtigen Weg in der Steuerpolitik. Zuletzt hat Guido Westerwelle auf dem Dreikönigstrefffen der FDP in Stuttgart klar gemacht, dass die Liberalen eine "faire Gesellschaft" wollen, "in der sich Leistung lohnt". Die Strategie dahinter: Der weltgewandte Außenminister will sich profilieren als Anwalt der leistungsstarken Mittelschicht. Das untere Drittel der Gesellschaft interessiert ihn nicht.

Auch die Strategie der CSU liegt auf der Hand. Selbst wenn Seehofer auf der Klausur in Wildbad Kreuth gerne das Ende der "Selbstkasteiung" im Ton eines Muezzin ausrufen will, kann er damit doch nicht über den wahren Zustand seiner Partei hinwegtäuschen. Die Christsozialen sind zerstritten, die viel gerühmte Geschlossenheit nach außen gehört der Vergangenheit an.

Die Krise der CSU ist eine Glaubwürdigkeitskrise. Es herrscht die Angst vor "Verzwergung", vor allem bei jenen, die sich noch gut an Franz Josef Strauß selig erinnern können.

Da ist die Abgrenzung zu Westerwelles Steuersenkermanie, die an den dänischen Parforceritt des Mogens Glistrup und seiner Fortschrittspartei Anfang der siebziger Jahre erinnert, eine willkommene Chance. Endlich können die Gebeutelten wieder eigenständiges Profil zeigen. Dass Seehofer seine Partei-Reha mit einer Störung des Koalitionsfriedens bezahlt, ficht ihn nicht an.

Eigenständigkeit in Berlin zu demonstrieren, gehörte schon immer zum Selbstbild der CSU.

Doch wer glaubt, Seehofers neue Rhetorik bedeute auch eine Abkehr von den bisherigen Steuerplänen der CSU, der irrt. Noch immer will der Ministerpäsident die Bürger im kommenden Jahr um sieben Milliarden Euro entlasten. Das wird auch so bleiben - es könnte nur eben länger dauern als geplant.

Die Punkte, die der CSU am wichtigsten waren, konnte Seehofer bereits durchsetzen. Die Mehrwertsteuer für Hoteliers wurde gesenkt, die Landwirte können mit zusätzlichen Millionen aus Berlin rechnen. Doch mehr als kurzfristige Klientelpolitik ist das nicht. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit einer Partei, die sich immer als Vertreter aller Bürger und nicht nur von einzelnen Interessengruppen gesehen hat, wird ihr das nicht zurückbringen.

Der CSU-Chef bewegt sich mit seiner Reha-Strategie auf dünnem Eis. Sein neuer Ruf nach Realität in der Politik könnte sich bald rächen. Denn die Realitäten, mit denen er jetzt seinen Kurs rechtfertigt, sind nicht neu. Sie gab es auch schon, als sich die CSU im Bundestagswahlkampf für Steuersenkungen stark gemacht hat.

Deutschland steckte bereits im vergangenen Sommer in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Klar war auch, dass die Staatsverschuldung unter Schwarz-Gelb gigantische Ausmaße annehmen wird und die Spielräume für Steuergeschenke dahinschmelzen.

Die Wählerstimmen aber waren der CSU - ebenso wie der FDP - wichtiger als die Wahrheit. Doch es ist immer noch besser, spät nach Realität zu rufen, als die Augen weiterhin vor der Wirklichkeit zu verschließen.

Die entscheidende Frage aber ist, wann den Worten Taten folgen. Und wie lange der wendige Horst Seehofer seinen Torkel-Kurs durchhalten kann.

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