CSU fällt auf historisches Tief:Die unerbittliche Wahrheit

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Horst Seehofer erreicht mit der CSU nur 41,9 Prozent bei der Bundestagswahl. Es ist das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der CSU. Der frühere Parteichef Huber spricht von einem Desaster.

Katja Auer

Die Wahrheit liegt in der Wahlurne. Das ist einer der Lieblingssätze von CSU-Chef Host Seehofer. Diesmal hat ihn die Wahrheit aus der Urne eiskalt erwischt. "Die Wahrheit war unerbittlicher als das Gefühl, das wir im Wahlkampf hatten", sagte Seehofer, kurz nachdem klar war, dass die CSU nicht weit über 42 Prozent hinauskommen würde und damit das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. ""Es macht keinen Sinn, daran vorbeizureden. Ich bin enttäuscht." Die Stimmung sei viel besser gewesen im Wahlkampf, die Bierzelte seien voll gewesen. Nun steht er da, mit einem Ergebnis, das noch unter dem Tiefpunkt seiner Vorgänger bei der Landtagswahl vor einem Jahr liegt. Doch über Rücktritt spricht er nicht. "Ich werde als Parteichef und Ministerpräsident alles tun, für die Partei und das Land", sagt er. "Beides ist ein erheblicher Teil meines Lebens."

Horst Seehofer ist enttäuscht: Die CSU kommt nur auf etwa 42 Prozent und fährt das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. (Foto: Foto: dpa)

Die CSU verlor im Vergleich zur letzten Bundestagswahl mehr als sieben Prozentpunkte, im Gegenzug gewann ihr Koalitionspartner FDP im Freistaat mehr als fünf Prozentpunkte hinzu. 1998, als Theo Waigel als Parteichef und Bundesfinanzminister bei der Bundestagswahl nur 47,7 Prozent eingefahren hatte, musste er daraufhin zurücktreten.

Seehofers Vorgänger als Parteivorsitzender, Erwin Huber, der wegen des historisch schlechten Landtagswahlergebnisses von 43,4 Prozent vor einem Jahr zurückgetreten war, nennt das Ergebnis vom Sonntag beim Namen: "Ein Desaster" sei das. Auch eine mögliche Ursache analysiert er, wenn auch nicht konkret: "Der Streit in einer möglichen Koalition stößt viele unserer Wähler vor den Kopf", sagt er schon beim Eintreffen zur Wahlparty in der Hanns-Seidel-Stiftung in München. Gemeint sind Seehofers Attacken auf den bayerischen Koalitionspartner FDP. Wochenlang hatte er die Liberalen angegriffen - und die haben davon offenbar profitiert und 5,5 Prozentpunkte zugelegt. Ein CSU-Präside weist darauf hin, dass die FDP in Bayern mit 15 Prozent sogar stärker sei als im Bund. Da müsse man sich mal Gedanken machen, ob das Verhalten der CSU in den vergangenen Wochen so klug gewesen sei.

CSU-Europagruppenchef Markus Ferber fordert schon die Aufarbeitung des Ergebnisses. "Wir müssen darüber reden, was im Wahlkampf schief gelaufen ist, und die Arbeitsmethoden überprüfen", sagt er. "Mehr Teamarbeit" will er, "weniger Ausgrenzung." Spitzenkandidat Peter Ramsauer versucht sich an einer Analyse: Treue CSU-Wähler hätten diesmal zuhauf FDP gewählt, um eine schwarz-gelbe Koalition zu sichern. Kein Fehler der CSU also.

Mit dem Ergebnis setzt sich der Negativkurs der CSU fort, und es bestätigen sich die Analysen vieler, dass das relativ gute Abschneiden bei der Europawahl kein Anzeichen für eine echte Stabilisierung gewesen sei. 48,1 Prozent hatte die CSU da im Frühjahr erreicht, weil offenbar die Bayernkarte trumpfte, auf die die CSU damals gesetzt hatte. Bei der Europawahl habe man die eigenen Anhänger gut mobilisiert, analysiert Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU). Jetzt hätten das halt die anderen auch geschafft. Selbst viele Direktkandidaten der CSU verzeichneten herbe Verluste, auch wenn sie die Mandate gewinnen konnten: So schaffte es die Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Dagmar Wöhrl, in Nürnberg-Nord gerade noch auf 36 Prozent. Das aber reichte, ihr SPD-Gegner Günther Gloser bekam nur 32 Prozent. In allen Großstädten musste die CSU Verluste hinnehmen. Aber auch CSU-Wahlstimmenkönig Ernst Hinsken aus Niederbayern musste zehn Prozent abgeben.

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Dabei hatte Seehofer noch mit der Bayern-Strategie bei der Abschlusskundgebung am Samstag versucht, die Stimmung zu drehen. Auf dem Münchner Marienplatz demonstrierte er Selbstbewusstsein. "Wir reden in Berlin nicht hochdeutsch, sondern bairisch, und wir werden trotzdem verstanden", rief er dem Publikum zu, und das antwortete mit Jubel. Da waren echte CSU-Anhänger gekommen, darunter auch Tölzer Lederhosenträger mit mächtigem Gamsbart. "Woiht's alle CSU", sagte er ins Mikrofon. Den Rest der Stimmung besorgten die Junge Union. Publikumsliebling Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der den lautesten Beifall bekam, begrüßte die JU mit eigens gepinselten "KT"-Schildern. Guttenberg schaffte es denn auch gegen den Trend hinzuzugewinnen: In seinem Wahlkreis erreichte er 68 Prozent, acht Punkte mehr als 2005.

Seehofer betonte am Samstag die Bayernkraft der CSU. Per Liveschaltung grüßte er Angela Merkel nach Berlin. Er sei sich sicher, "dass wir morgen das hohe Vertrauen der bayerischen Bevölkerung für Dich und die Union bekommen werden". Und eine ganz persönliche Überraschung für die CDU-Chefin hatte er auch noch. Er schenkte ein Lebkuchenherz vom Oktoberfest mit der Aufschrift: "Angela, unser Sonnenschein."

© SZ vom 28.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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