Prozess:Ein Bezirkstagspräsident steht vor Gericht

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Am Schluss steht der Freispruch für Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel (rechts), der sich am Donnerstag mit Unterstützung seines Anwalts in Obernburg am Amtsgericht wegen Beleidigung verantworten musste. (Foto: Heiko Becker/dpa)

Darf man einen CSU-Kollegen als "rechte Laus" bezeichnen? Am Amtsgericht in Obernburg am Main ist das nun verhandelt worden. Verantworten musste sich Erwin Dotzel, eines der regional bekannten Gesichter der Partei in Unterfranken.

Von Olaf Przybilla, Obernburg

Leser weisen Autoren mitunter darauf hin, dass etwa die Formulierung, jemand stamme aus der "rechten Ecke", sinnentstellend sei. Gemeint sei damit nämlich offenbar, dass da einer von rechtsradikaler oder rechtsextremer Gesinnung ist. Verkürze man dies auf "rechts", werde da schlicht das Gegenteil von "links" diffamiert - und damit quasi alles auf der anderen Seite der politischen Skala. Das kann man so sehen, muss es aber nicht.

Aber um solche Feinheiten geht es nicht, jedenfalls nicht primär, an diesem Donnerstag am Amtsgericht Obernburg, wo sich der unterfränkische Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel (CSU) wegen Beleidigung verantworten muss.

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Dotzel, 72, soll in einem Gruppen-Chat des CSU-Ortsverbands Wörth am Main einen Parteifreund als "rechte Laus" bezeichnet haben. Und sollten Zweifel daran bestehen, dass eine Zuschreibung als "rechts" in der Partei Dotzels überhaupt als beleidigend gelten kann, so wäre dieser Fall ein konkreter Hinweis, dass dies sehr wohl möglich ist. Ganz deutlich ist das bereits in einem Zivilprozess am Landgericht Aschaffenburg zutage getreten, wo der betroffene Parteifreund den Bezirkstagspräsidenten auf die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 12 750 Euro verklagt hat.

Zwar hatte sich das Zivilgericht im vergangenen Juli dieser Geldforderung im fünfstelligen Bereich nicht angeschlossen. Es verurteilte Dotzel aber immerhin zur Zahlung von 750 Euro und sah "einen schwerwiegenden Eingriff ins Persönlichkeitsrecht" des Klagenden.

Zwar habe Dotzel in der örtlichen Presse das Wort von der "rechten Laus" zugunsten der Formulierung zurückgenommen, der CSU-Kollege habe eine "rechte Gesinnung". Aber auch das hatte das Zivilgericht - "mangels Vorliegen eines sachlichen Grundes" - als "nicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt" bewertet. Allerdings falle zugunsten Dotzels "erheblich ins Gewicht", dass dieser in jenem Zivilverfahren klargestellt habe, den Begriff "rechte Gesinnung" nicht negativ - insbesondere nicht im Sinne von "rechtsextrem" - gemeint zu haben. Sondern als Bezeichnung für eine konservative Grundausrichtung.

Mit Streithanselei ist er nie größer in Erscheinung getreten

Seit mehr als 14 Jahren ist Dotzel Bezirkstagspräsident, er gilt als freundliches Gesicht Unterfrankens. Wenn es irgendwo am Main etwas Schönes zu feiern gibt, gerne auch mit Weinkönigin, dann können sich die Veranstalter auf ihn verlassen. Mit Streithanselei, zumal innerparteilicher Art, ist Dotzel nie größer in Erscheinung getreten. Und dann das: Die Staatsanwaltschaft beantragt einen Strafbefehl wegen Beleidigung, das Gericht kommt dem nach, Dotzel soll 20 Tagessätze zu je 160 Euro zahlen. Er legt Widerspruch dagegen ein. Also muss verhandelt werden.

In welchem Kontext es zur inkriminierten Bezeichnung von der "rechten Laus" gekommen ist? Der Miltenberger CSU-Kreisverband hatte 2021 einen Digitalbeauftragten gesucht und jener, der sich dafür meldete, wurde mit satter Mehrheit gewählt. Noch während der Wahl wurde in einer Whatsapp-Gruppe unter CSU-Parteifreunden debattiert. Und da soll Dotzel, eher dem analogen Flügel der Partei zuzurechnen, beigesteuert haben, man werde feststellen, "welche rechte Laus" man "sich da ins Nest geholt" habe. Der Betroffene erfuhr davon, trat umgehend vom neuen Ehrenamt zurück - und erstattete Anzeige.

Dotzel, weißes Hemd, hellblauer Anzug, lässt eine Erklärung verlesen: Seit 1983 sei er in der CSU, 30 Jahre Bürgermeister von Wörth am Main gewesen, in der Zeit habe er natürlich politische Debatten erlebt, habe sich auch - aus "politisch motivierter Emotion" heraus - Angriffen ausgesetzt gesehen. Einen Anlass aber für eine Anzeige? Habe er nie gesehen.

Besagte Whatsapp räumt Dotzel dem Inhalt nach ein. Tatsächlich habe es bei Animositäten im CSU-Ortsverband Differenzen mit dem späteren Kurzzeit-Digitalbeauftragten gegeben. Aber das Wort von der "rechten Laus" - nach 22 Uhr ins Handy getippt -, das habe ausschließlich an seinen Schwiegersohn gehen sollen. Sollte das in die örtliche CSU-Chatgruppe gelangt sein, an 19 Personen also, so wäre dies ein "Versehen" gewesen. Er habe niemanden diskreditieren wollen.

Ob da womöglich "eine Laus zum Elefanten gemacht" wird

Der Zeuge, der zurückgetretene Digitalbeauftragte, spricht leise hinter seiner Maske. Aber dass er samt Familie bis heute auf die Sache mit der Laus angesprochen werde in der Heimat und er sich da "in eine Ecke" gedrängt sehe, in die er nicht gehöre, das ist zu verstehen im Sitzungssaal.

Ob da womöglich "eine Laus zum Elefanten gemacht" wird, will der Staatsanwalt nicht näher bewerten. Aber dass besagte Whatsapp falsch versendet wurde, hält er für nachgeschoben und also weiterhin 20 Tagessätze wegen Beleidigung für angemessen. Der Verteidiger fordert Freispruch, immerhin sei da eine private Nachricht aus einem Kurzmitteilungsdienst gegen den Willen seines Mandanten an die Öffentlichkeit gelangt, das hätte gar nicht verwertet werden dürfen.

Der Richter spricht Dotzel schließlich frei. Die Bezeichnung "rechte Laus" hätte seiner Auffassung nach zwar den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, sie sei herabwürdigend, zumal sie "von oben nach unten", also von Bezirkstagspräsident zu Lokalpolitiker erfolgt sei. Nur nimmt der Richter zugunsten Dotzels an, dass er die Nachricht mit persönlicher Anrede tatsächlich nur an seinen Schwiegersohn habe senden wollen - und aus Versehen in die Chatgruppe geraten sei. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, wie auch das zivilrechtliche Verfahren.

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