Nürnberg:Der scheußliche Weg zum Christkindlesmarkt

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Am U-Bahnhof Lorenzkirche, der zentralen Station in Nürnbergs Altstadt, sieht es in etwa so aus wie in einem Verlies eines unbedarften Schurkenstaates.

Polemik von Olaf Przybilla

Nürnbergs Baureferent Daniel F. Ulrich ist ein ironieaffiner Mensch. Und so pariert er den Vorhalt, am U-Bahnhof Lorenzkirche - der zentralen Station in Nürnbergs romantischer Altstadt - sehe es in etwa so aus wie in einem in Vergessenheit geratenen Verlies eines ästhetisch maximal unbedarften Schurkenstaates, mit einem Hinweis: Ob man sich denn bitteschön die Schließfächer auf dem Weg von der Haltestelle zum Christkindlesmarkt gewissenhaft genug angeschaut habe? Weil: Dass man noch irgendwo mit D-Mark und sogar 50-Pfennig-Stücken bezahlen könne - und zwar ausschließlich damit -, das sei ja wohl bundesweit, ach was, europaweit absolut einzigartig. Ein Alleinstellungsmerkmal also, aber hallo!

Ulrich lässt dann in einen der folgenden Nebensätze einfließen, deutlich leiser gedimmt, dass er dazu noch eine Zweitmeinung vorhält, eine private allerdings. Man glaubt die Bemerkung zu hören: "Nee, im Ernst, das ist abartig da." Als Baureferent aber dürfte er dergleichen natürlich niemals formulieren. Nürnberg ist schön, seine Bauwerke weltberühmt, man legt Wert auf gepflegte Gastlichkeit und so weiter.

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Schon klar. Warum es in einer Passage in etwa 250 Metern Entfernung vom Christkindlesmarkt - einer Veranstaltung, die für sich in Anspruch nimmt, Weltruhm zu genießen - so ausschaut, wie's ausschaut, das ist Ulrich aber ohne Umschweife bereit zu erläutern. Erstens: Der Fokus der Stadt, was die Sanierung öffentlicher Schandflecken betrifft, lag zuletzt eindeutig in den Eingeweiden des Hauptbahnhofs. Da gab es eine Passage, die optisch ähnlich herausfordernd war (um nicht zu sagen: abartig) wie jene am Lorenzplatz. Zweitens: Vom geneigten Touristen würden sich Nürnbergs Stadtobere erhoffen, dass der sich souverän von Google Maps löst und am Bahnhof eben nicht in die U-Bahn einsteigt, um direkt am Christkindlesmark wieder auszusteigen. Deutlich besser wär's, der Tourist käme zu Fuß in die Altstadt, genösse die weltberühmten Bauwerke und so weiter.

Drittens: Ja, man habe in der Zeit des U-Bahn-Baus leider den Fehler gemacht, öffentliche Räume zum Teil auch in privaten Besitz zu übergeben. Viertens: Die "ultimative Liebe" einer Warenhauskette zur U-Bahn-Station, wo ihr allerlei gehört, sei Ulrichs Beobachtungen zufolge zuletzt "wohl etwas erschlafft". Fünftens: Der Brandschutz! Man müsse erst mal viel bohren und Schächte suchen, bevor man sanieren könne. Und sechstens: Wer U-Bahnhöfe neu baue - und da gibt es einige sehr hübsche in Nürnberg -, werde mit bis zu 90 Prozent vom Staat gefördert. Wer nur saniere, bekomme so ziemlich gar nichts.

Und so, darf man resümieren, sieht es an der Lorenzkirche eben so aus, als wolle die Stadt dem Gast signalisieren: Toll, dass Du da bist. Zu Hause wär's aber auch ganz schön gewesen - fast noch schöner, oder?

Auch die Sprecherin der Verkehrsbetriebe, Elisabeth Seitzinger, gehört zu jenen, die man professionell dazu zwingen müsste, damit sie zu einer Lobrede auf die Optik dieser U-Bahn-Station ausholt. "Aber wir sind da wirklich dran", verspricht sie. Ob's nächstes Weihnachten womöglich schon richtig schön aussieht? Na also, so optimistisch wolle sie nun auch wieder nicht sein.

© SZ vom 10.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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