Der erste Eindruck bleibt hängen, und da hält Nürnberg für Freunde des zauberhaften Christkindlesmarktes unvergessliche Momente bereit. Um zum Markt aller Märkte zu kommen, nehme man Google Maps oder einen anderen Wegfinder des Vertrauens. Der wird einen vom Bahnhof sicher zur U-Bahn leiten, eine Station nur, dann Ausstieg Lorenzkirche und einfach den Schildern in Richtung Hauptmarkt folgen. Hauptmarkt ist die säkulare Form vom Christkindlesmarkt, der übrigens zauberhaft ist. Oder sagte man das bereits?
Wie auch immer: Zwei Wege gibt es von der U-Bahn zum Markt, einen über die Museums- und einen über die Fleischbrücke. Ist der Wegfinder des Vertrauens an Kommerziellem nicht grundsätzlich desinteressiert, wird er den Besucher über die Fleischbrücke führen, da kann man auf dem Weg noch die Kaiserstraßen-Auslegeware bewundern, die zum Edelsten in der alten Reichsstadt gehört.
Wenn man bis dorthin kommt. Unterhält man sich mit Händlern der U-Bahn-Passage, ist das nicht immer der Fall. Es gibt Touristen, die umdrehen und den Schutz der Läden suchen. Warum? Dass eine so verlotterte Gasse zum womöglich most romantic Christmas Market ever führen könnte, halten sie für undenkbar. Mehrfach schon habe sie verstörte Amis beruhigen müssen, sagt eine Händlerin. Für die sei da gerade ein Weltbild zugrunde gegangen. Unter good old Germany hätten sie sich etwas Blitzsauberes vorgestellt, gerade im - laut Werbeprospekt - heimeligen Fachwerk-Nuremberg.
Nach dem Ausstieg aus der Bahn aber stoßen sie auf eine mit Schließfächern aufgehübschte Fassade, deren Alter man daran ermessen kann, dass dort - kein Witz - mit 50-Pfennig-Stücken bezahlt werden muss. Hinterm Vorhang, wo man liebreizende Passbilder machen kann, fließen gerne mal Urin-Rinnsale hervor. Von oben bröckelt das Hässlichste an Putz, was der Markt so zu bieten hat. Die Lampen sind Murks oder nonexistent. Dafür hängt an ein paar Gitterfernstern ein Dreck, der immerhin für Nachkriegshistoriker von einigem Wert sein könnte.
Warum das alles so ist? Ein Händler zuckt die Schultern. Ein halbes Dutzend Eigentümer gebe es, öffentliche und private. Keiner wisse, wer zuständig sei. Allesamt hätten "irgendwann aufgegeben".