Ausstellung "Viecher" in Bogenberg:Wie sehen wir den Wolf?

Lesezeit: 3 min

. Hausschlachtung eines Schweins in Hadersbach in den 1920er Jahren. (Foto: N/A)

Die Ausstellung "Viecher" in Bogenberg zeigt das Verhältnis zwischen Mensch und Tier auf dem Land in den vergangenen 200 Jahren. Dabei kommt viel Erhellendes, Überraschendes und Widersprüchliches ans Licht - gerade, wenn es um den Wolf geht.

Von Hans Kratzer, Bogenberg

In der Nähe des Dorfes Neufraunhofen (Kreis Landshut) steht am Rande eines Waldes ganz einsam die alte Wolfssäule. Sie erinnert an ein schreckliches Ereignis, das sich an jener Stelle vor mehr als 300 Jahren zugetragen hat. In gereimter Form schildert eine Inschrift das Drama: "Lurte auf diesem Platz allhier / ein Wolf, ein grimmig wildes Tier / als spät nach Hausbach ganz allein / ein Mädchen rüstig eilte heim / doch plötzlich sie des Wolfs Gebiss / erfasste und zu Boden riss ..."

An diesem Ort wird deutlich, wie sich die Sicht auf Wildtiere wie den Wolf gerade ändert. Sie schwankt jetzt zwischen der Urangst - wie sie an der Wolfssäule und auch beim bösen Wolf in Grimms Märchen zum Ausdruck kommt - und einer neuen Wertschätzung. Noch im frühen 19. Jahrhundert fühlte sich der Mensch dermaßen bedroht, dass Wolf, Bär und Luchs fast ausgerottet wurden. Heute versucht man, diese Tiere, die streng geschützt, aber nicht unumstritten sind, wieder anzusiedeln.

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Barbara Michal, die Leiterin des Kreismuseums Bogenberg bei Straubing, hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit dem sich wandelnden Verhältnis von Mensch und Tier beschäftigt. Auch zu den sogenannten Schädlingen gebe es heute sehr unterschiedliche Ansichten, sagt sie. "Die einen betrachten sie als Tiere, die Lebensgrundlagen bedrohen, für andere sind sie ein wichtiger Teil des ökologischen Systems." Die einen sehen also im Borkenkäfer einen Waldzerstörer, die anderen einen Walderneuerer.

"Wir unterscheiden zwischen Nutztier und Schädling, Haustier und Wildtier. Die Grenzen sind kulturell bestimmt und manchmal fließend", sagt Michal, die mit ihren Mitstreitern zu diesem Thema eine sehenswerte Ausstellung konzipiert hat. "Das Thema ist absolut zeitgemäß", sagt sie. Trotzdem hat sie der Ausstellung den alten Begriff "Viecher" verpasst. Darunter versteht man auf dem Land das Rindvieh und sonstige bäuerliche Nutztiere. "Der Name ist bewusst gewählt, weil ihm Landluft anhaftet", wie Michal sagt.

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(Foto: Kreismuseum Bogenberg)

Schüler der landwirtschaftlichen Winterschule Straubing 1910/1911.

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(Foto: N/A)

Hausschlachtung eines Schweins, 1920er-Jahre.

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(Foto: N/A)

Angriffsübung eines Dienst-Schäferhundes in der JVA Straubing, 1920er-Jahre.

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(Foto: N/A)

Insektenkopf aus Draht der Künstlerin Renate Haimerl Brosch. Fotos: Kreismuseum Bogenberg

Mensch und Tier, das ist aber auch ein hochgradig vermintes Gelände, wie Michal bei ihren Recherchen gelernt hat. Deshalb will die Ausstellung die grundverschiedenen Haltungen zu Tieren aufzeigen und gegenüberstellen. Das ist vorzüglich gelungen: Selten einmal erhielt man so tiefe Einblicke in die unterschiedlichen Welten der Landwirte, Züchter, Künstler, Tierschützer, Jäger und Fischer. "Jeder hat seine eigene Sicht auf das Tier und auf den Umgang mit ihm", sagt Michal. Es kommt darauf an, ob man damit seinen Lebensunterhalt verdient, Tiere zum Vergnügen hält oder ob man sie schützen will und das Jagen und Schlachten ablehnt.

"Das Thema polarisiert sehr"

Kaum zu fassen ist die Breite, in der die Ausstellung das Verhältnis von Mensch und Tier in den vergangenen 200 Jahren thematisiert. Obwohl nur der ländlich geprägte Landkreis Straubing-Bogen als Untersuchungsraum herangezogen wurde, ist die Fülle des Materials überbordend. Das Museumsteam hat nicht nur Objekte, Archivalien, Fotos und Kunstwerke gesammelt, sondern auch Interviews mit 30 Gewährsleuten geführt, die zum Themenkomplex Wildtier-Haustier-Nutztier etwas zu sagen haben. Auf diese Weise kommt viel Erhellendes, Überraschendes und Widersprüchliches zum Komplex Tiere und Menschen auf dem Land ans Licht.

"Das Thema polarisiert sehr, viele trauen sich gar nicht, offen ihre Meinung zu sagen", stellte Barbara Michal fest. Das kommt auch daher, dass die Kategorien, in die Tiere eingeteilt werden, stets fließend sind. In vorindustrieller Zeit waren die meisten Nutztiere zugleich Haustiere. Während aber Rinder und Kühe zu hoch spezialisierten Leistungsträgern herangezüchtet wurden, die immer mehr Milch und Fleisch spenden, genießen Hund und Katze heute einen hohen emotionalen Stellenwert. Sie werden als Familienmitglieder und als Sozialpartner gehätschelt.

Immer wieder wurden aber kulturelle Tabus gebrochen. So zeigt ein Fleischbeschau-Stempel, dass in Notzeiten manchmal auch Hunde Schlachtvieh waren und gegessen wurden. Umgekehrt werden heute Nutztiere wie die Hühner als geliebte Heimtiere gehalten. Das Bedürfnis nach einer Nähe zur Natur befriedigen im modernen Privatgarten oft Bienen und Hühner.

Nutztiere waren zwar Rohstofflieferanten, sie strahlten aber früher auch eine eigene Ästhetik aus. Eines der Objekte ist ein Hornrichter (Hörndlbieger), der Rinderhörner in eine Form wachsen ließ, die zum Joch passte und gleichzeitig den Wert und die Schönheit des Tieres hob. Die existenzielle Bedeutung der Nutztiere in vorindustrieller Zeit belegen Votivtafeln mit Tierabbildungen, die bei Wallfahrten geopfert wurden, um in der Not Hilfe zu erlangen. Der materielle Wert des Viehs spiegelt sich in dem zynischen, aber einst populären Spruch: "Weibersterben kein Verderben / Rossverrecken tut den Bauern schrecken!"

Zu den unzähligen Schichtungen, die das Thema Mensch-Tier aufweist, gehört auch der Misthaufen, einst ein wertvoller Dünger und Zeichen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Bis der Mineraldünger die Abhängigkeit von tierischem Mist auflöste. Heute besteht eher Überfluss als Mangel an tierischen Exkrementen. Nicht zuletzt sei die Gattung des Viehhändlers erwähnt, der ja auch als Heiratsschmuser tätig war und damit so etwas wie eine Frühform der Plattform Tinder verkörperte.

Viecher - Über Tiere und Menschen auf dem Land. Kreismuseum Bogenberg, bis 30. Oktober, Mittwoch-Freitag 14-17 Uhr, Sa/So 12-17 Uhr.

© SZ vom 03.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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