Bayerns Ministerpräsident:Söder will der Klassenbeste sein

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Markus Söder präsentiert bei seiner Regierungserklärung 100 Projekte, die seine Handschrift tragen - und stark an seinen Mentor Edmund Stoiber erinnern. Wie dieser will er möglichst alles kontrollieren.

Von Wolfgang Wittl, München

Ein paar Menschen in Bayern soll es angeblich geben, die dem Füllhorn entkommen sind, das Markus Söder in seiner Regierungserklärung über das Land ausgeschüttet hat: der kinderlose, angestellte Bratwurstverkäufer zum Beispiel, der nicht Bus fährt und der sein Eigenheim schon vor Jahren errichtet hat. Oder die betagte Pensionärin, die glücklicherweise noch keine Pflegehilfe benötigt und nebenbei auch nicht freiberuflich als Hebamme arbeitet. Wobei damit nicht gesagt ist, dass nicht auch sie noch in den Genuss Söderscher Wohltaten kommen. Ein paar Monate sind ja noch hin bis zur Landtagswahl am 14. Oktober.

Hundert - darunter manch kurios anmutende - Einzelprojekte hat Ministerpräsident Markus Söder in seiner ersten Regierungserklärung vorgelegt. Und so kleinteilig sein Katalog aufgebaut war, so viel verrät er insgesamt doch über den Typ Politiker, der jetzt an der Spitze der Staatsregierung steht. "Wir wollen modern sein und bayerisch bleiben", sagte Söder gleich zu Beginn seiner Rede. Damit hat er vor allem seine Marschrichtung der letzten Jahre beschrieben: Mehr als jeder andere in seiner Partei verkörpert Söder die alte CSU-Schule mit neuen Mitteln. Mehr als jeder andere hat er die Fähigkeit, auch sperrige Vorhaben in hübsche Bilder oder prägnante Wortschöpfungen zu kleiden.

Wenn etwa in jeder bayerischen Großstadt eine Reiterstaffel stationiert werden soll, dann ist das nicht einfach der Ausbau einer bereits bestehenden Einheit der Polizei, sondern die Schaffung einer "Bayerischen Kavallerie". Damit Unternehmen leichter an einen neuen Standort im Freistaat ziehen können, kümmert sich darum nicht bloß eine Abteilung der Wirtschaftsagentur, sondern sie wird mit dem Titel "Invest daheim" versehen. Und wenn Bayerns Forschungselite das Weltall erobern soll, trägt das Raumfahrtprogramm den Namen "Bavaria One".

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Man kann solche Überschriften als arg überambitioniert verspotten, doch sie bleiben im Gedächtnis haften - und damit auch im Bewusstsein der Wähler. Unabhängig vom Marketingeffekt zeigen all diese Projekte eine klare Handschrift Söders. Wie sein Mentor Edmund Stoiber pflügt er durch die politischen Felder Wirtschaft und Wissenschaft. Leuchtturmprojekte, wie die europaweit erste Referenzstrecke für den Hyperloop, ein Transportsystem mit 1000 Kilometern pro Stunde, sollen übers Land hinausstrahlen und das bayerische "Mia-san-mia-Gefühl" stärken. 18 000 Studienplätze will Söder schaffen. Auch Stoiber ließ Hochschulen bauen, sein Hyperloop hieß Transrapid, den Bahnhof der politischen Ankündigung aber hat er nie verlassen. Egal: "Wir haben den Mut zu futuristischen und visionären Vorhaben", sagt Söder. Wer so weit in die Zukunft denkt, suggeriert damit auch, dass er nicht nur bis Herbst regieren will.

Konservativ im Stoiberschen Sinn agiert Söder auch in Sicherheitsfragen. Recht und Ordnung haben in seiner Regierungserklärung den ersten Platz bekommen. Mehr Polizei, mehr Richter, mehr Staatsanwälte, mehr Vollzugsbeamte und natürlich die Kavallerie - dazu noch ein harter Flüchtlingskurs, so will Söder Wähler von der AfD zurückholen. Sogar das von Stoiber eingemottete Oberste Landesgericht lässt er wieder auferstehen, denn das "gibt es nur in Bayern".

Söders Regierungserklärung richtet sich an drei "B's"

Rund eine Milliarde Euro kostet Söders Programm in diesem Jahr, haushaltspolitisch unterscheidet er sich von Stoiber und seinem Sparkurs also gravierend. Doch anders als damals sind Staatskassen heute zum einen prall gefüllt (es bleibt eine Rücklage von fünf Milliarden Euro), zum anderen war Stoiber bereits frisch für fünf Jahre gewählt - Söder muss das erst noch schaffen. Dafür setzt er traditionell auf die drei "B": Bürgermeister, Beamte, Bauern. Alle drei Gruppen finden in der Regierungserklärung diverse Zuckerl, sie schmecken süß nach Stellen oder Fördermittel. Im Einklang sollen auch Naturschutz und Landwirtschaft leben, doch im Zweifel haben die Bauern Vorrang: Bei Umweltmaßnahmen gelte der Grundsatz "Freiwilligkeit vor Ordnungsrecht". Das Prestigeprojekt dritter Nationalpark stellt Söder auf unbestimmte Zeit zurück.

Dass Söder aber auch liberale Vorstellungen hat, zeigt die Gesellschaftspolitik. Den ideologischen Streit um das von der Opposition als "Herdprämie" gebrandmarkte Betreuungsgeld hat er beendet, indem er es mit dem Landeserziehungsgeld zu einem Familiengeld zusammenlegt. Jedes Kind sei gleich viel wert. Ob Kita oder Betreuung daheim - "wir respektieren alle Formen", sagt Söder. Und natürlich bekommt auch hier jede Familie mehr Geld, wie auch beim Erwerb eines Eigenheims.

Zwei Wesenszüge Söders offenbarten sich indes nicht im Inhalt, sondern durch die Präsentation der Regierungserklärung: ein für Spitzenpolitiker typisches Misstrauen gepaart mit einem ausgeprägten Sinn für Kontrolle. Selbst die CSU-Landtagsfraktion informierte er eine Stunde vorher nur über wenige Details, aus Sorge, wichtige Punkte könnten vorab nach außen dringen. Und die zuständigen Ministerien wussten nicht einmal am Tag danach, was der Ministerpräsident sich unter manchem Projekt vorstelle. Da müsse man schon in der Staatskanzlei nachfragen, wo die Ideen entstanden seien. Bislang trägt die Fraktion jede Entscheidung mit, das ist es ja, was sie wollte: Der Stärkste sollte es machen, sein Wille geschehe.

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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