Artenschutz:Abschuss von Wölfen soll erleichtert werden

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In Zukunft können Wölfe womöglich leichter abgeschossen werden. Dieser hier lebt allerdings im Wildpark Poing. (Foto: Lino Mirgeler/dpa)

Der Bund Naturschutz revidiert sein striktes Nein zur Entnahme von auffälligen Tieren. Damit soll vor allem den Almbauern entgegengekommen werden.

Von Christan Sebald

Wenn über die Wiederausbreitung der Wölfe in Bayern debattiert wird, ist Jagdminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) immer vorne mit dabei. Am Montag zum Beispiel war gerade mal bekannt, dass der Bund Naturschutz (BN) seine Position zu den Raubtieren überdacht hat und Abschüsse einzelner Wölfe, die Weidetiere attackieren, nicht mehr ganz so kritisch sieht wie bisher.

Sofort ließ Aiwanger mitteilen, dass er den Schritt des BN begrüße. "Wir müssen raus aus dem juristischen und politischen Gezerre um jeden einzelnen Problemwolf", erklärte Aiwanger. "Wir brauchen pragmatische Lösungen statt Dauerstreit auf dem Rücken der Landwirte." Schließlich sehe man "in vielen anderen Regionen Deutschlands, dass Wolfsübergriffe zum Aus der als besonders artgerechten Freilandhaltung von Nutztieren wie Schafen, Rindern und Pferden führen".

Beim BN waren sie einigermaßen erstaunt über Aiwangers Einlassungen. Zum einen war es ja schon in der Vergangenheit so, dass der BN einzig darauf gepocht hat, dass sich die Staatsregierung und die Behörden bei ihren Abschuss-Überlegungen an Recht und Gesetz halten. In den Fällen, in denen BN-Chef Richard Mergner und seine Organisation dafür vor Gericht gezogen sind, sind sie in ihrer Haltung bestätigt worden. Zum anderen lässt der BN auch in seinem neuen Wolfspapier keinen Zweifel, dass er in erster Linie die Staatsregierung in der Pflicht sieht. "Sie muss dafür sorgen, dass Miteinander von Bauern, Weidetieren und Wölfen möglich ist, insbesondere auf den Almen, aber auch im übrigen Bayern", sagte Mergner am Dienstag bei der Vorstellung des Papiers, "durch eine Förderung von Herdenschutz, bessere Beratung und ein professionelles Wolfsmanagement."

Und wie ist das mit der Öffnung für Wolfsabschüsse? Da vollzieht der BN das nach, was Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und die Umweltministerkonferenz der Bundesländer im Dezember beschlossen haben. Danach soll ein Wolf in einem Gebiet mit erhöhtem Rissaufkommen schon nach einer einmaligen Attacke auf Weidetiere abgeschossen werden dürfen. Vorausgesetzt, die Herde war eigentlich gegen einen solchen Angriff geschützt und das Raubtier hat den Zaun überwunden. Die Abschussgenehmigung, für die kein genetischer Nachweis des jeweiligen Wolfes mehr notwendig sein soll, gilt 21 Tage nach der Attacke und in tausend Metern Umgriff um die betroffene Weide. Was ein Gebiet mit erhöhtem Rissaufkommen ist, muss noch festgelegt werden.

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"Wir wollen Normalität im Umgang mit dem Wolf", sagt Jägerpräsident Ernst Weidenbusch. "Dazu gehört ein professionelles Monitoring ebenso wie Klarheit über mögliche Wolfsrisse."

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Für die Almen und Alpen in den bayerischen Alpen hat der BN diese Position angepasst. Damit will er den Almbauern gerecht werden, die sich besonders massiv gegen die Wiederausbreitung der Wölfe wehren. Der Grund: Die Almbauern halten wolfssichere Zäune in den Bergen nicht für möglich, weil die Weiden dort zu weitläufig und steil dafür seien und außerdem die Rinder, Schafe und Ziegen an die Freiweide gewöhnt seien. Ohne die Möglichkeit, übergriffige Wölfe unbürokratisch abschießen zu können, würden viele Almbauern die Almwirtschaft über kurz oder lang aufgeben, sagen nicht nur Wirtschaftsminister Aiwanger und Bauernpräsident Günther Felßner. Sondern auch viele Landwirte selbst.

"Unsere neue Position soll den Sorgen der Almbauern besonders Rechnung tragen", sagt Mergner. Allerdings müsse man dabei sorgfältig unterscheiden. Auf den Almen in Bayern werden zumeist Rinder gehalten, die älter als ein Jahr sind. Die aber seien sehr wehrhaft, sagt der BN-Wolfsexperte Uwe Friedel, und würden nur sehr selten von einem Wolf angegriffen. Deshalb hält der BN Herdenschutzzäune und andere Vorsorgemaßnahmen auf Almen mit älteren Rindern für verzichtbar - vorausgesetzt die Almen sind behirtet. In den seltenen Fällen, in denen ein Wolf dennoch Rinder angreift, sollte er nach der Vorstellung des BN nach dem zweiten Mal freigegeben werden können. Für Rinder, die jünger als ein Jahr sind, sei allerdings auch auf einer Alm oder Alpe ein Herdenschutzzaun notwendig, zum Beispiel rund um das Almgebäude

Acht oder neun Rudel in Bayern

Bei den Schafen und Ziegen auf den Almen werden die Bauern nach Überzeugung des BN nicht darum herumkommen, Schutzzäune aufzustellen oder sie nachts in einen Stall oder Pferch zu treiben. In den meisten Almregionen sei das auch möglich, da dort nur kleine Gruppen von drei bis zehn Schafen oder Ziegen auf den Almen seien. Dort solle es dabei bleiben, dass Abschussgenehmigungen nur möglich seien, wenn ein Wolf zweimal einen Schutzzaun überwunden hat. Wo Schutzzäune ausscheiden, weil, wie im Werdenfelser Land, die Schafherden deutlich größer sind als zehn Tiere, müssten die Bauern professionelle Hirten anstellen. "Bis das funktioniert, braucht es natürlich Zeit", sagte Mergner. "Für einen Übergang von fünf Jahren können wir uns deshalb auch bei Schafsrissen auf Almen Abschussgenehmigungen vorstellen, wenn der Herdenschutz noch fehlt."

Das Werdenfelser Land ist übrigens die einzige Almregion in den bayerischen Bergen, in denen sich bisher ein Wolfsrudel etabliert hat. Derzeit ist es allerdings ruhig um die Elterntiere und ihre Nachkommen, was natürlich daran liegt, dass dort wie überall in den bayerischen Bergen noch keine Rinder, Schafe und anderen Nutztiere auf den Almen und Alpen sind. Die anderen sieben bayerischen Wolfsrudel leben fernab der Bergwelt - im Altmühltal, im Bayerischen Wald, auf den Truppenübungsplätzen in Wildflecken und Grafenwöhr, sowie im Veldensteiner Forst, im Manteler Forst und im Pressather Wald. In der Rhön streift außerdem ein Wolfspaar herum, gut möglich, dass die beiden die Stammeltern des neunten bayerischen Rudels werden.

Aiwanger war am Dienstag nicht erreichbar. Dafür äußerten sich Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und Umweltminister Thorsten Glauber (FW), der ja für den Umgang mit der streng geschützten Art eigentlich zuständig ist. "Die neue Haltung des BN ermöglicht die lange überfällige Diskussion über pragmatische Lösungen vor Ort", sagte Glauber. Kaniber äußerte sich ähnlich, erteilte dem BN zugleich aber eine Abfuhr. "Sowohl die Anforderungen an den Herdenschutz als auch an die Entnahme von Wölfen müssen realistisch, praktikabel umsetzbar und nachvollziehbar sein", sagte sie. "Die vom Bund Naturschutz präsentierten Ansätze sind das nicht."

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