Tourismus:"Wir wollen nicht, dass Bayern zum Disneyland wird"

Nebelschwaden im Bayerischen Wald

Der Bayerische Wald ist eine der Regionen, in denen Minister Aiwanger noch Entwicklungspotenzial sieht.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Zum siebten Mal in Folge verbucht Bayern einen Touristenrekord - München ist besonders beliebt, aber auch Heilbäder und Kurorte. Manche Ziele sind allerdings sehr überlaufen.

Von Johann Osel

Es gibt erneut Rekorde im bayerischen Tourismus, zum siebten Mal in Folge: Mit 99 Millionen Übernachtungen und 39 Millionen Gästeankünften war das Bundesland 2018 attraktiv wie nie für Urlauber. Das teilte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am Montag bei der Jahrespressekonferenz Tourismus mit. Zuwächse gab es demnach in allen sieben Bezirken - wobei Oberbayern mit 43,4 Prozent aller Übernachtungen herausragt. Das liegt - nicht nur, aber auch - an der unangefochtenen Nummer eins der Destinationen: München, mit 17,1 Millionen Übernachtungen. Auf Platz zwei und drei folgen Nürnberg (3,6 Millionen) und Bad Füssing (2,2 Millionen). Der Rest der besten zehn: Oberstdorf, Bad Kissingen, Füssen, Garmisch-Partenkirchen, Regensburg, Würzburg und Bad Griesbach.

Aiwanger und die Präsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands, Angela Inselkammer, betonten die Rolle des Fremdenverkehrs für die Wirtschaft: Das Einkommen von 600 000 Beschäftigten sei vollständig vom Tourismus abhängig; insbesondere in ländlichen Regionen sichere das Jobs. Von einem "Musterknaben der Wirtschaftsbranchen", sprach Aiwanger, "hier rollt der Rubel".

Wobei das mit Blick auf die Herkunftsländer nur bedingt stimmt, Gäste aus Russland stehen auf Rang zehn. Drei Viertel aller Urlauber sind Inländer. Die meisten Besucher aus dem Ausland stammen aus den USA ("vielleicht kommen sie wegen Trump", sagte Aiwanger), dahinter folgen in der Statistik die Österreicher, Schweizer, Niederländer und Italiener. Die arabischen Golfstaaten liegen auf Platz acht. Interessante Details der Jahreszahlen 2018: Insgesamt jede vierte Übernachtung findet in einem Heilbad oder Kurort statt. Und: Die Auslastung der Betten variiert enorm, im Durchschnitt sind 46 Prozent aller Betten belegt; am schlechtesten ist der Wert in der Oberpfalz: 37,2 Prozent.

Wald, Heimat und Gesundheit sieht der Minister als Trends. "Urlaub im Wald" soll als bayerische Kampagne auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin im März starten, angesichts von Nationalparks, Naturparks und Reservaten sowie Moden wie "Waldbaden". Es sei "eine Chance, Tourismus noch mehr in die Fläche Bayerns zu tragen". Aiwanger will die Branche stärker unterstützen. Bald komme etwa sein Modernisierungsprogramm für Gasthäuser außerhalb von Großstädten; auch sollen Klein- und Kleinstbetriebe unter zehn Betten besser beraten werden. Aiwanger sieht trotz der neuen Rekorde "Luft nach oben".

Die Frage nach den Grenzen, nach der Zumutbarkeit für Einheimische ist in der Branche aber tatsächlich ein heißes Thema. Unter dem Motto "Overtourism", Über-Tourismus, werden weltweit derlei Debatten geführt, oft geht es da um Städte wie Venedig. Doch auch im Freistaat wirken Orte vor allem mit Tagesgästen überlaufen, was Kontroversen auslöst - bei Attraktionen wie Schloss Neuschwanstein, bei Altstädten wie Bamberg, teils bei Bergen oder Seen. Alfred Bauer, Professor für Tourismus an der Hochschule Kempten, forscht zum Thema. Er hält den Begriff Overtourism in Bayern für "überspitzt", wenngleich man an manchen "Hotspots" aufpassen müsse. "Das Schlagwort bietet aber einen Anlass, über Konzepte nachzudenken, wie viel Tourismus man in einer Region will, was tragfähig ist, wo das Wohlbefinden der Einheimischen endet." Im besten Fall gebe es Diskussionsprozesse mit allen Beteiligten.

Bauer wird einem Bayerischen Zentrum für Tourismus vorstehen, das demnächst in Kempten gegründet werden soll. Es soll Erkenntnisse bündeln und Impulse setzen, etwa für "sanften Tourismus". Die SPD forderte am Montag "ein schlüssiges Gesamtkonzept für nachhaltige Tourismusentwicklung". Aiwanger verwies darauf, dass man "die Identität der Heimat bewahren" werde. Der Mensch sei ein "Herdentier", man müsse daher Attraktionen in ihrer Breite erkennbar machen, Stichwort Wald-Kampagne. "Wir wollen nicht, dass Bayern zum Disneyland wird."

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