Tourismusbranche:"Wir sind ja kein Schuhgeschäft"

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Viele Hoteliers machen sich Sorgen um das Herbstgeschäft und ziehen deshalb neben den notwendigen Hygiene-Maßnahmen auch eine Impfpflicht für Gäste in Erwägung (Symbolbild). (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

In einigen Regionen Bayerns können Hotels wieder öffnen, aber was, wenn die Inzidenz steigt? Müssen sie ihre Gäste dann wieder zurückschicken? In der Branche herrscht Verunsicherung.

Von Ralf Scharnitzky, München

Seit Beginn der Pfingstferien ist in einigen Regionen Bayerns wieder Urlaub möglich. Nach monatelangen Betriebsschließungen wegen der Corona-Pandemie durften am Freitag Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und Campingplätze öffnen - sofern in den jeweiligen Städten und Landkreisen die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter dem Wert 100 liegt und die Einhaltung der Corona-Regeln möglich ist. Die Freude ist groß, aber auch die Bedenken. Und es gibt massive Forderungen aus der Tourismusbranche an die Staatsregierung. Aber auch Warnungen aus der Politik. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) mahnte bei einem Besuch im oberbayerischen Bad Aibling zum Neustart der Tourismussaison zur Vorsicht: "Der Trend kann auch leicht wieder umschlagen." Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, sagte dabei: "Für uns ist das ein weiterer Schritt zurück in die Normalität. Weitere müssen folgen."

Einer der wichtigsten Schritte wäre für alle Quartierbetreiber die Schaffung von mehr Sicherheit für die Betriebe, wie sie Anna Maria Fässler fordert, Direktorin und zusammen mit ihrem Mann Besitzerin des Fünf-Sterne-Hotels "Sonnalp Ressort" in Ofterschwang im Allgäu. Das Gastgewerbe müsse die gleiche Ausnahmeregelung bekommen wie die Schulen und bis zum Inzidenzwert von 165 öffnen dürfen. Oder zumindest müssten die Gäste, die bereits im Hotel sind, bleiben dürfen, auch wenn der 100er-Wert überschritten wird. "Wir sind ja kein Schuhgeschäft, das man so einfach schließen und öffnen kann."

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Für die jetzige Öffnung ist die Hotelchefin mit rund einer Million Euro ins "eigene Risiko gegangen": Alle 500 Mitarbeiter wurden aus der Kurzarbeit zurückgerufen, um das Luxus-Hotel innerhalb von zwei Wochen "aus dem Dornröschenschlaf" zu holen. "Da fallen enorme Lohn- und Betriebskosten an, ohne dass bereits Einnahmen vorhanden sind." Deshalb verspürt sie "unglaubliches Zittern und Herzklopfen", dass die Werte unter der für sie gefährlichen Marke bleiben. Denn die 200 Zimmer sind bereits zu gut 80 Prozent belegt: "Wir haben viele Stammgäste. Und die haben immer wieder umgebucht von Weihnachten auf Fasching, dann auf Ostern und jetzt auf Pfingsten."

Das kleine 21-Zimmer-Hotel "Drei Raben" von Daniela Hüttinger in der Nürnberger Innenstadt ist für Touristen noch geschlossen. "Wir hängen in der Luft, die Inzidenz pendelt immer so um 100", sagt die Hotelbesitzerin. Sie hofft, Ende der Woche öffnen zu können, nachdem der Wert aktuell seit vier Tagen unter der kritischen Marke liegt. "Ich freue mich, wenn es wieder losgeht." Sie hat derzeit im Schnitt zwei Geschäftsleute pro Tag zu Gast - ohne Messen und Veranstaltungen fanden Geschäftsreisen kaum statt. Deshalb hat sie trotz November- und Dezember-Hilfe vom Bund noch einen Kredit gebraucht: "Gott sei Dank habe ich den bekommen - weil mir das Hotel gehört. Als Pächter hätte es wohl schlecht ausgesehen." In nächster Zeit rechnet sie mit 100 Prozent der Kosten, aber nur 50 Prozent des Umsatzes - die Buchungen laufen schleppend, aber das Personal muss da sein. Fürs nächste Jahr ist sie optimistisch: "Da gibt es sicher einen Nachholeffekt."

Einmal am Tag kommt das Testmobil zu den Campern

"Wir sind komplett ausgebucht", freut sich Matthias Lederer, Pächter des gemeindeeigenen Campingplatzes in Seeshaupt am Südende des Starnberger Sees: "Und das seit dem Tag, nach dem die Staatsregierung die Öffnung verkündet hat." Jeden Tag kommt für eine Stunde ein Wohnmobil einer Münchner Apotheke, in dem die Urlauber, die alle 48 Stunden einen neuen negativen Test vorlegen müssen, getestet werden. Lederer darf alle gut 70 Plätze belegen, da die Parzellen viel Platz zum Nachbarn bieten.

Die 41 Gäste, die seit diesem Wochenende auf dem Gut Grasleiten bei Huglfing (Kreis Weilheim-Schongau) Urlaub auf dem Bauernhof machen, haben mindestens seit einem Dreivierteljahr gebucht: "Die habe ich alle angeschrieben, als feststand, dass sie kommen können", erzählt Agraringenieur und Gutsbesitzer Alois Schmid, der fürs ganze Jahr ausgebucht ist: "Bei uns in den Wohnungen, Appartements und Zimmern war alles bereit. Wir konnten von null auf 100 durchstarten."

Die Mahnung Holetscheks, im Umgang mit dem Virus weiter vorsichtig zu sein, nehmen die Urlaubsgäste nach Beobachtung der Gastgeber ernst. Es laufe alles sehr ruhig und entspannt ab. Ofterschwangs Luxus-Hotel-Chefin Fässler, zu deren Wellnesslandschaft mehrere Schwimmbäder und ein See gehören, veranschaulicht es bildlich: "Da stürzen sich nicht 20 Gäste auf einmal ins Wasser."

© SZ vom 25.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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