Leben und Gesellschaft:Senioren verlangen mehr politischen Einfluss

Lesezeit: 2 min

Frauen und Männer über 65 Jahre machen in Bayern derzeit ein Fünftel der Bevölkerung aus. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Menschen über 65 Jahre machen mehr als ein Fünftel der Bevölkerung Bayerns aus - Tendenz steigend. Seit 1. April gilt das Seniorenmitwirkungsgesetz, das die Beteiligung der Älteren an Entscheidungen im Freistaat fördern soll. Doch das Gesetz ist umstritten.

Von Sophie Burkhart

"Dieses Gesetz ist aus meiner Sicht eine Farce", zeigt sich Franz Wölfl, Vorsitzender der Landes-Senioren-Vertretung Bayern (LSVB), der überparteilichen Dachorganisation der kommunalen Seniorenvertretung, enttäuscht. Das Seniorenmitwirkungsgesetz, das seit 1. April die Beteiligung der Älteren an politischen Entscheidungen im Freistaat fördern soll, sei "nicht geeignet, die Mitwirkungsrechte der Seniorinnen und Senioren signifikant zu stärken". Der Vorsitzende der LSVB stört sich vor allem daran, dass die Einrichtung eines Seniorenbeirates oder des Amtes eines Seniorenbeauftragten nicht verpflichtend ist. "Jede Gemeinde wird angehalten, eine ehrenamtliche Seniorenvertretung einzurichten" - so steht es in Artikel 1 des Seniorenmitwirkungsgesetzes. Vonseiten des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales heißt es hierzu, dass man die Gemeinden ganz bewusst nicht zu einer Einführung von Seniorenbeiräten verpflichte, da eine verpflichtende Regelung "bestehende Strukturen gefährdet".

Doch wo liegt der Unterschied zwischen Seniorenbeirat und -beauftragtem? Der Seniorenbeirat ist ein beratendes und gewähltes Gremium auf Gemeinde-, Landkreis- oder Stadtebene, das aus mehreren Personen besteht. Der Seniorenbeauftragte ist eine Einzelperson, die von der Gemeinde oder Stadt dazu berufen wurde, sich haupt- oder ehrenamtlich für die Interessen Älterer einzusetzen, wie die LSVB informiert. Insgesamt gibt es in 349 von 2056 bayerischen Gemeinden Seniorenbeiräte - das sind rund 17 Prozent. Im Großteil der Gemeinden, etwa 80 Prozent, gibt es einen Seniorenbeauftragten. Das Sozialministerium teilt mit, dass rund 91 Prozent der Gemeinden über eine Seniorenvertretung verfügten, entweder in Form eines Beauftragten oder eines Beirates - bei manchen sogar in mehrfacher Ausführung.

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"Die meisten fragen sich: Für was brauchen wir einen Seniorenbeirat, wenn es einen Seniorenbeauftragten gibt?", nennt Wölfl ein Argument der Gegner eines Seniorenbeirats. Seine Antwort: Der Seniorenbeauftragte sei seinem Dienstherrn gegenüber - meistens der Oberbürgermeister - weisungsgebunden, der gewählte Seniorenbeirat hingegen nicht. Die Staatsregierung habe sich zudem gesträubt, eine gesetzliche Grundlage für gewisse Mindeststandards für die Seniorenbeiräte zu schaffen, sagt Wölfl. Darunter versteht er beispielsweise Regelungen für einen Etat, das Rederecht in Ausschüssen oder die Möglichkeit zur Einbringung von Gesetzesvorschlägen.

Franz Wölfl bekomme oft auch zu hören, dass die Mitglieder im Gemeinderat sowieso meistens älter seien und sich dementsprechend automatisch um die Belange der Senioren kümmerten. "Das ist schlichtweg falsch. Deren Sicht ist kommunalpolitisch und nicht seniorenspezifisch", betont er. Die LSVB vermisse außerdem gesetzliche Regelungen zu einem Mindestalter von 60 Jahren für die Mitglieder der Seniorenbeiräte, einer demokratischen Wahl sowie der politischen Unabhängigkeit des Gremiums. All das sei im Gesetz nicht definiert.

"Wir brauchen Seniorenbeiräte, weil die Menschen immer älter werden. Und diese Menschen haben den Staat mit aufgebaut. Sie haben ein Recht darauf, ihre Belange vorzutragen", bekräftigt Franz Wölfl. "Wir wollen nicht mitentscheiden, aber zumindest mitdiskutieren!" Auf Landesebene sieht das Gesetz die Einrichtung eines Landesseniorenrats vor, in den die Seniorenvertretungen der Gemeinden und Landkreise Delegierte entsenden können. Sie "fungieren als Bindeglieder zwischen Politik und Gesellschaft", beschreibt das Ministerium die Funktion. In den einzelnen Kommunen besteht laut Wölfl aber noch Nachholbedarf. "Mein Eindruck ist, dass viele Kommunen gar nicht wollen, dass ältere Menschen mitreden", berichtet er etwas verbittert.

In Landshut aber, wo Wölfl der Vorsitzende des Seniorenbeirates ist, funktioniere die Zusammenarbeit sehr gut - trotz Meinungsverschiedenheiten. Auch der Zweite Bürgermeister von Landshut, Thomas Haslinger (CSU), nimmt den Austausch mit dem Seniorenbeirat als konstruktiv und offen wahr und empfiehlt die Einrichtung eines solchen Gremiums weiter.

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