Bildung in Bayern:Zittern vor dem ersten Schultag

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Die Schüler fragen sich, warum in den Klassen strengere Regeln gelten sollen als in jedem Wirtshaus. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Lehrer, Schüler und Eltern fragen sich, wie der Unterricht künftig ablaufen soll: Vor allem der bevorstehende Winter löst große Sorgen aus.

Von Anna Günther, München

In einer Woche beginnt in Bayern das neue Schuljahr und noch nie wurde der erste Schultag mit so viel Bangen und Spannung erwartet. Dass es ein besonderes Schuljahr wird, ist sicher. Die Zahl der Corona-Infektionen steigt wieder stetig, dabei sind noch nicht einmal alle Bayern aus den Ferien zurück. Ob und wie lange der erhoffte Regelunterricht umsetzbar ist, werden die kommenden Wochen zeigen. Welche Regeln für diese neue Normalität in Corona-Zeiten gelten, wollen Kultusminister Michael Piazolo (FW) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am kommenden Montag nach einer Besprechung mit Eltern, Schülern und Lehrern bekanntgeben. Das Gerüst, der Rahmen-Hygieneplan, steht seit Ende Juli. Aber die Detailfragen hatten Piazolo und Söder auf Anfang September vertagt.

Bayern hat wie Baden-Württemberg das Glück, spät aus der Sommerpause zurückzukehren. Die bayerische Staatsregierung konnte beobachten, ob und wie lange der Regelunterricht in 14 Ländern mit 14 unterschiedlichen Konzepten funktionierte. Diese Beobachtungen sollen einfließen in die neuen Corona-Regeln. Sicher ist bisher nur, dass das Schuljahr so normal wie möglich beginnen soll, mit allen Schülern in den Klassen, ohne Kleingruppen, ohne Abstand im Klassenzimmer. Wie das gehen soll, beschäftigt Lehrer, Eltern und Schüler sehr.

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Die Gespräche drehen sich vor allem um drei Fragen: Kann überhaupt richtig gelüftet werden? Sind die Schulen gerüstet für den neuen Digitalunterricht? Dass der kommen wird, ist sicher: Wenn die Infektionszahlen steigen, greifen die anderen drei "Szenarien" des Kultusministeriums: Klassen, Schulen oder Landkreise würden zunächst wieder zwischen Digitalunterricht daheim und Lernen in der Schule wechseln, bevor bei noch höheren Infektionszahlen alle daheim lernen. Das dominierende Thema aber ist die Maskenpflicht im Unterricht.

"Kann Söder sich erlauben, laxer zu sein als Laschet?"

Auf dem Flur und im Pausenhof galt diese Regel schon. Nun wird diskutiert, ob Söder auch im Klassenzimmer Masken verordnet. In Nordrhein-Westfalen mussten ältere Schüler nach den Ferien drei Wochen lang Masken im Unterricht tragen. Am Donnerstag kassierte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) diese Regel wieder ein. "Kann Söder sich erlauben, laxer zu sein als Laschet?", fragt ein Schulleiter.

Landesschülersprecher Joshua Grasmüller ist dagegen: "Das ist eine zu große Einschränkung, so können wir uns keinen normalen Unterricht vorstellen." Die Schüler hätten nichts gegen Regelunterricht mit Hygienevorschriften, sagt Grasmüller, aber es sei schwer zu verstehen, "wieso im Klassenzimmer strengere Regeln gelten als in jedem Wirtshaus". Dort dürfen Gäste die Masken am Platz abnehmen. "Wieso ist das in der Schule nicht möglich? Es fühlt sich an, als wären wir die Verlierer dieser Krise, als müssten wir immer mehr einstecken als die Erwachsenen."

Wenn Bayern von anderen Ländern lernen will, müsse die Maskenpflicht für Schüler kommen, sagt dagegen Heinz-Peter Meidinger, der Präsident des Deutschen Lehrerverbands. "Wir müssen alles tun, um einen zweiten Lockdown zu verhindern." Länder, die zu locker ins Schuljahr gingen, mussten rasch wieder Quarantäne verordnen, wie etwa Mecklenburg-Vorpommern. Beim Vollbetrieb ohne Abstand, ohne wirksame Lüftungskonzepte oder Luftreinigungsgeräte seien Masken der einzige Schutz, sagt Meidinger. Viele Lehrer hätten Angst vor Infektionen und Sorge, dass die Politik durch den Druck der Eltern keine strengen Quarantäne-Regeln mehr anordnen wird. Masken würden beruhigen, zumal ältere Schüler laut Kinderärzten ähnlich infektiös sein können wie Erwachsene. Und gerade unter jungen Leuten steigen die Infektionszahlen.

Das sieht der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte vollkommen anders: Ginge es nach Thomas Fischbach, müssten Lehrer im Unterricht Masken tragen. Er nannte sie in der Welt potenzielle "Superspreader" und Auslöser der jüngsten Covid-19-Fälle an Schulen. Für Susanne Arndt wäre die Maskenpflicht für Schüler sogar der "worst case", unzumutbar. Für die Gesundheit der Kinder seien kleine Gruppen im Wechsel zwischen Schul- und Digitalunterricht ohnehin sinnvoller, sagt die Chefin der Landeselternvereinigung Gymnasien.

Dafür aber müsste in den Ferien bei der Digitalisierung einiges vorangegangen sein. Arndt nennt sich Optimistin, wirkt aber sehr skeptisch. Zwar hatten Söder und Piazolo im Juli einen Schub angekündigt inklusive Dienstgeräten für Lehrer, Leihgeräten für Schüler, mehr Systembetreuern, mehr Fortbildungen, einer eigenen Cloud und einem Bayern-Youtube. Aber bis 2024.

Selbst wenn Söder die Balance aus Corona-Ängsten und Wunsch nach normalem Schulalltag hinbekommt, verärgerte Reaktionen sind sicher. Er werde schon die Dinge sagen, die alle hören wollen, sagt eine Schulleiterin. Viel wichtiger sei die Ausstattung der Schulen - und ob die Staatsregierung auch dann noch hinter den Schulleitern steht, wenn es in einem neuen Lockdown drauf ankommt.

© SZ vom 29.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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