Personalbedarf:Die Pflege gilt nach wie vor als attraktiver Beruf

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In nur wenigen Jahren wird der Personalmangel in der Pflege sich deutlich verschärfen. Denn dann kommt die Babyboomer-Generation in ein Alter, in der Hilfe und Betreuung notwendig werden können. (Foto: Tom Weller/dpa)

Ein Job im Team mit Sinn und Sicherheit: Es gibt immer noch viele Menschen, die sich für den Pflegeberuf entscheiden, selbst nach den Belastungen während der Pandemie. Das ist die gute Nachricht einer umfassenden Personalstudie. Doch es gibt auch schlechte.

Von Nina von Hardenberg

Die guten Nachrichten vorweg: Die Pflege ist für viele Menschen nach wie vor ein attraktiver Beruf. Wer dort arbeitet, bleibt dem Job oft über viele Jahre treu. Das in der Corona-Pandemie zuletzt häufig gezeichnete Bild der völlig ausgebrannten Pfleger, die den Beruf in Scharen verlassen, stimmt so nicht. "Es gibt diese Menschen natürlich", sagt der Freiburger Pflegewissenschaftler Thomas Klie. Man müsse aber die anekdotische Evidenz von der empirischen trennen. Die Zahlen zeigten kein verstärktes Ausscheiden aus dem Pflegeberuf, weder nach Corona, noch jetzt. "Wir haben absolut stabile Beschäftigungszahlen, die sogar noch etwas in die Höhe gehen", sagt Klie. "Es gibt einige Mythen zu korrigieren." Klie ist einer der Leiter der Monitoringstudie zum Pflegepersonalbedarf in Bayern, die am Montag in Nürnberg vorgestellt wurde.

Die Pflege sei mit ihren vielfältigen Arbeitsfeldern und Aufstiegschancen für manche Menschen weiterhin ein ausgesprochen attraktiver Beruf, sagt er. Er biete Sinn, Sicherheit und Arbeit im Team. Auch viele Schulabsolventen in Bayern sähen das offensichtlich so. Denn während die Zahl der Schulabsolventen mit mindestens mittlerem Bildungsabschluss seit 2011 um fast ein Drittel zurückging, blieben die Ausbildungszahlen in der Pflege stabil. Im Jahr 2020 erreichten sie in Bayern gar einen Höchststand. Niemals zuvor wurden so viele Pflegefachkräfte ausgebildet.

Eine schlechte Nachricht hat der Professor aber auch: Genug Pflegekräfte sind es trotzdem nicht.

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Das liegt vor allem daran, dass viele der jetzt aktiven Pflegekräfte in den nächsten Jahren in Rente gehen werden. Voraussichtlich 2028 wird es in Bayern zu einem kritischen Kipppunkt kommen, wenn mehr Pflegekräfte in Rente gehen als frisch Ausgebildete nachkommen, heißt es in der Studie. Eine beunruhigende Perspektive, nannte das Georg Sigl-Lehner, der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern (VdPB), die die Studie in Auftrag gegeben hatte. Er warb dafür, um jeden Ausbildungsplatz zu kämpfen. Gleichzeitig müssten sich aber auch die Strukturen ändern, damit die weniger werdenden Pflegerinnen und Pfleger effizienter arbeiten könnten.

Auch die Studie kritisiert, dass das deutsche Gesundheitssystem keineswegs effizient organisiert sei. Mit sechs Pflegekräften pro 1000 Einwohner liege Deutschland eigentlich im Vergleich der OECD-Staaten im oberen Drittel. Aber die Pflegekräfte könnten einen größeren Beitrag leisten, wenn sie eigenständiger arbeiten dürften. Seit 2020 schon definiert das Pflegeberufegesetz sogenannte Vorbehaltsaufgaben, die nur die Pflege allein übernehmen darf. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Eigenständigkeit jetzt noch ausbauen. Der Forscher begrüßt das. Die Idee ist, dass die Pflege die Verantwortung für das pflegerische Wohlergehen der Patienten allein übernimmt. Das geht von einer eigenständigen Pflegedienstleitung im Krankenhaus bis über die Möglichkeit, dass die ambulante Pflegerin, die bei alten Menschen zu Hause vorbeischaut, auch etwa Rezepte für Wundverbände ausstellen darf.

Trotzdem werden künftig Pflegekräfte fehlen. Denn nicht nur wird es künftig schwerer, sie zu finden. Auch die Zahl der gebrechlichen alten Leute steigt. Menschen werden meistens erst ab einem Alter von 75 Jahren pflegebedürftig. Die Zahl der über 75-Jährigen aber steigt, da die Babyboomer-Generation in dieses Alter vorrückt.

Im Landkreis Bamberg werden deutlich mehr Alte leben

Dabei sind die alten Menschen in Bayern keineswegs gleichmäßig verteilt. Während in der Stadt München 2040 lediglich 7,8 Prozent mehr Menschen in dieser Altersgruppe leben dürften, liegt die prozentuale Zunahme im Landkreis Bamberg bei 63,6 Prozent.

Mehr alte werden vielerorts auf weniger mittelalte Menschen treffen - und damit auch auf weniger Hände, die sie stützen können. Auch diese Regel gilt allerdings nicht überall in Bayern. Während in Oberbayern und Schwaben die Gruppe der 30- bis 75-Jährigen bis zum Jahr 2040 sogar noch leicht wachsen soll, bleibt sie in Niederbayern ungefähr gleich. In den anderen Regierungsbezirken aber werden der Prognose zufolge weniger Menschen zwischen 30 und 75 Jahren leben. Am deutlichsten wird der Rückgang demnach in Unterfranken (7,7 Prozent) und in Oberfranken (9,4 Prozent) sein.

Schon heute aber sind die Personalengpässe laut Studie "eklatant". Sie zwingen Pflegeheime, Betten leer stehen zu lassen. Was also ist zu tun? Die Studie empfiehlt, die Bedürfnisse der Pflegenden noch stärker zu achten. Das gilt auch für die aktuelle Klinikreform. Die Forscher haben die Anfahrtswege von Tausenden Pflegenden untersucht. Pflegende sind ortstreu, lautet ihr Fazit. Wer also morgen kleine Kliniken an einem zentralen Standort zusammenlegt, riskiert, dass die Pflegenden da nicht mitkommen.

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