Kratzers Wortschatz:Kann ein Rankerl Geselchtes eine Sünde sein?

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(Foto: Renate Schmidt/Renate Schmidt)

Über eine Spezialität, die bei Genießern - sofern sie keine Veganer sind - in der Zeit des Jahreswechsels hoch im Kurs steht. Neben den kulinarischen Genüssen geht es aber auch darum, lieben Mitmenschen das neue Jahr abzugewinnen.

Neujahr abgewinnen

Zum Jahreswechsel sind nach altem Brauch mehrere Briefe mit guten Neujahrswünschen ins Haus geflattert. Darin war zum Beispiel zu lesen: "Lieber Herr . . . , i woit eana nur a guads neis Jahr abgwinga." Das neue Jahr abgewinnen - es ist so schön, dass dieser Brauch heute noch gepflegt wird. Dahinter steckt natürlich ein tieferer Sinn, wie man dem Bayerischen Wörterbuch von Johann Andreas Schmeller aus dem 19. Jahrhundert entnehmen kann. In diesem unvergleichlichen Werk ist unter dem Stichwort Neujahr zu lesen: "Einem das Neujahr abgewinnen, ihm mit dem Glückwunsch zum neuen Jahr zuvorkommen; ihm gleich von vorne herein unsre Überlegenheit fühlen lassen." Schmeller kannte den Brauch also als eine Art Wettkampf. Gewonnen hat, wer als erster gratuliert.

Von der aus Dorfen stammenden Emma H. erfährt man dazu, bei ihrer Großtante sei das Abgewinnen anders verlaufen. Sie sei als Mädchen an Silvester zu ihr gelaufen, "dann hamma a bisserl geratscht, und bevor es dunkel geworden ist, hab ich gesagt, jetz muass i wieder gehn, oiso, dann wünsch i eich a guads neis Jahr." Daraufhin habe die Tante erwidert: "Jetz hast ma 's Jahr abgwunna. Wart a weng!" Dann habe sie den Geldbeutel aufgemacht und sie mit einem 20-Mark-Schein belohnt.

Rankerl Geselchtes

Ein Geselchtes ist ein geräuchertes Schweinernes. Wer noch nicht ins Lager der Vegetarier und Veganer übergelaufen ist, wird davon schwärmen, vor allem wenn er ein Rankerl Geselchtes als Weihnachtsgeschenk bekommen hat. Die Herstellung des Geselchten erfordert Können und Geduld. Es braucht dazu das Fleisch einer möglichst selbst gefütterten Sau, eine Sur nach geheimen Rezepten und ein gutes Gespür beim Selchen, also beim Räuchern. Das Fleisch wird zunächst mit Salz, Knoblauch und allerlei Gewürzen eingesurt und dann in einer Selche (Räucherkammer) geräuchert. Ein Synonym für das Rankerl (Ranken) ist das Wort Zenterling. Die Franken sagen dazu Gracherts, die Oberpfälzer Schraidl. Früher hatte ein Zenterling durchaus den Umfang eines Schweineviertels, heute werden kleinere Rankerl geselcht. Der Autor Georg Queri hat dieser Delikatesse im Jahr 1909 ein unvergleichliches Denkmal gesetzt: "Und dann ein Pfund Gselchtes von einer jungen Sau - da hört sich die Weltgschicht auf, wenn man so ein gutes Bröckl hat, und ich könnts sauber an einem Freitag auch fressen und tät mich nicht Sünden fürchten."

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