Rechtsextremismus:Vermeintliche Leichen beschäftigen den Landtag

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Die Grünen fordern einen Bericht der Staatsregierung zu einer Demonstration in Würzburg. Die Splitterpartei "Der III. Weg" hatte dort mit blutverschmierten Puppen der Kanzlerkandidaten provoziert.

Von Johann Osel, München/Würzburg

Knapp zwei Monate nach einer rechtsextremistischen Aktion mit vermeintlichen Leichenpuppen der drei Kanzlerkandidaten in Würzburg fordert der Innenausschuss im Landtag von der Staatsregierung einen Bericht zu dem Vorfall an. Die rechtsextremistische Splitterpartei "Der III. Weg" hatte damals in Würzburg Strohpuppen mit Kunstblut ausgelegt und dazu Fotos der Gesichter von Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) drapiert. Der Partei zufolge sollten die Leichen die Opfer der Würzburger Messerattacke durch einen Somalier im Sommer darstellen, Beobachter wähnten vielmehr einen Gewaltaufruf gegen die Politiker.

Die Grünen beantragten am Mittwoch im Innenausschuss einen Bericht der Staatsregierung, der offene Fragen klären solle, insbesondere warum die Provokation "nicht im Vorfeld durch Polizei und Staatsanwaltschaft unterbunden oder spätestens am Tag der Veranstaltung wegen eindeutiger volksverhetzender und zu Gewalt aufrufender Elemente umgehend beendet wurde". Alle Abgeordneten, mit Ausnahme der AfD, stimmten diesem Berichtsantrag zu.

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Die Neonazi-Partei, sagte die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze in der Sitzung, teste bekanntlich stets "mit ihren Aktionen die Grenzen des strafrechtlich Zulässigen aus". Die Demonstration sei angemeldet gewesen, "man wusste, was passiert". Dem Antrag zufolge gab es vor der Aktion Bedenken seitens des Ordnungsamtes, am Tag selbst Hinweise auf strafrechtliche Relevanz und "den pietätlosen Charakter" der symbolischen Darstellung. Anwesende Polizei und auch Repräsentanten der Staatsanwaltschaft hatten sich aber gegen einen Abbruch entschieden, erst im Nachhinein änderte die Strafverfolgungsbehörde ihre Bewertung. Seitdem laufen Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung und der Aufforderung zu Straftaten.

Wie später das Justizministerium auf eine Anfrage des grünen Rechtsextremismus-Experten Cemal Bozoğlu mitteilte, wurde während der Aktion "nicht von Amts wegen eingeschritten, weil eine erste Einschätzung vor Ort durch die Staatsanwaltschaft zunächst nicht zur Bejahung eines Anfangsverdachts für strafbares Verhalten geführt hatte". Grundlage für diese Beurteilung "war eine erste vorläufige Wertung unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt ersichtlichen Umstände". Die Veranstalter selbst hatten behauptet, dass durch Plakate wie "Asylflut stoppen" oder "Ausländer raus" der Kontext als migrationskritische Demonstration ersichtlich sei.

"Stark neonazistisch geprägter Rechtsextremismus"

Für Cemal Bozoğlu handelt es sich "um eine eklatante politische Fehleinschätzung der Staatsanwaltschaft und um ein operatives Versagen der Polizei vor Ort". Er fragt: "Wieso wurde das alles erst im Nachhinein erkannt?" Seiner Ansicht nach wolle die Regierung der Staatsanwaltschaft nun "nicht auf die Füße treten" und drücke sich vor der Aufklärung. Die Grünen sind gerade bei Provokationen dieser rechtsextremistischen Partei sensibilisiert, da es im Bundestagswahlkampf auch Plakate mit "Hängt die Grünen!" gegeben hatte - ein bayerisches Gericht entschied, anders als in einem anderen Bundesland übrigens, dass dies einem Mordaufruf gleiche und nichts mit Plakate-Aufhängen zu tun habe.

Die Regierungsparteien CSU und Freie Wähler stimmten dem Antrag zu, einen Bericht anzufordern. Der CSU-Abgeordnete Alfred Grob sagte im Innenausschuss, dass zwar die Staatsregierung parlamentarische Anfragen beantwortet habe und "in der Summe" wohl wenig Neues zu erwarten sei. Ein "klarer Mehrwert" eines solchen Berichts sei aber, dass zu erwartende Ergebnisse der laufenden Ermittlungen einfließen könnten. Ein rundes Bild zur Causa sozusagen. Die CSU, betonte Grob, stelle sich "gegen jede Form von Extremismus".

Das Landesamt für Verfassungsschutz sieht beim III. Weg einen "stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus", mit "eindeutigen Parallelen" zum Programm der NSDAP. Zuletzt registrierte das Amt auch antisemitische Hetze im Zuge der Corona-Pandemie. Gut 160 Parteimitglieder zählt die Partei in Bayern, das ist fast ein Viertel der bundesweiten Gefolgschaft. Bei der Bundestagswahl kam die Partei im Freistaat auf 3544 Zweitstimmen, was als 0,0 Prozent ausgewiesen wird.

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