Evangelisch-Lutherische Kirche:Abschied von Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm

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Am Sonntag nimmt Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Abschied von St. Matthäus in München. Eine Woche später wird er dann in St. Lorenz in Nürnberg entpflichtet. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Am Sonntag feiert Heinrich Bedford-Strohm seinen letzten Gottesdienst als bayerischer evangelischer Landesbischof. Eine Woche später wird in Nürnberg der Münchner Regionalbischof Christian Kopp als sein Nachfolger ins Amt eingeführt.

Von Annette Zoch

Es wird wohl ein emotionaler Moment: An diesem Sonntag feiert Heinrich Bedford-Strohm in München seinen letzten Gottesdienst als bayerischer evangelischer Landesbischof. Nach zwölf Jahren nimmt der 63-Jährige Abschied von St. Matthäus am Sendlinger Tor - die Kirche ist eine von zwei Bischofskirchen in Bayern. In der anderen Kirche, in St. Lorenz in Nürnberg, wird Bedford-Strohm dann am 29. Oktober entpflichtet und der bisherige Münchner Regionalbischof Christian Kopp als neuer Landesbischof ins Amt eingeführt.

Als Bedford-Strohm im Frühjahr 2011 in St. Matthäus von der Landessynode zum Nachfolger von Landesbischof Johannes Friedrich gekürt wurde, war er der "Herr Professor": Mit ihm kam ein Mann auf den Bischofsstuhl, der sich vor allem als Wissenschaftler und Sozialethiker profiliert hatte. Von Wolfgang Huber, dem späteren EKD-Ratsvorsitzenden, war er 1992 an der Uni Heidelberg promoviert worden. Nach Vikariat, Ordination und einer Station als Gemeindepfarrer an der Coburger Kirche St. Moriz hatte er sich in Systematischer Theologie habilitiert und war schließlich 2004 einem Ruf an die Otto-Friedrich-Universität Bamberg gefolgt, als Professor für Systematische Theologie und Theologische Gegenwartsfragen.

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Wer einen vergeistigten Bücherwurm im Landeskirchenamt erwartet hatte, wurde allerdings enttäuscht. Bedford-Strohm kam mit dem Fahrrad zur Arbeit, spielte seinen Mitarbeitern an Weihnachten auf der Geige vor, verbrachte den Heiligabend in einer Flüchtlingsunterkunft - und vor allem war er der erste Social-Media-Bischof Deutschlands, ausgestattet mit Facebook-Profil und reger Mitteilsamkeit. Joggende Münchner und Hundebesitzer kennen ihn heute als den Prediger mit Selfie-Stick aus dem Englischen Garten, wo er seit dem Corona-Lockdown jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe einen kleinen Morgenimpuls in die Handykamera spricht. Seine kurzen Videos haben eine treue Fangemeinde.

Der scheidende Landesbischof stammt aus der fränkischen Pastorendynastie Strohm, den Namenszusatz Bedford hatte seine amerikanische Frau Deborah mit in die Ehe gebracht. Dass die evangelische Kirche einmal eine solche Rekordzahl an Mitgliedern verlieren könnte, das war 2011 in dieser Dimension noch überhaupt nicht absehbar. Dennoch sagte Bedford-Strohm schon kurz nach seiner Wahl, er wolle darüber nachdenken, "wie wir in säkularen Kontexten, wo Menschen noch nie etwas von Kirche gehört haben, neugierig auf Menschen zugehen können". Denn er sei überzeugt: "Die alte Botschaft des Evangeliums ist in der heutigen Zeit aktueller denn je."

Bedford-Strohm ist erklärter Vertreter der sogenannten Öffentlichen Theologie - einer Theologie, die die Überzeugung vertritt, dass das Christentum auf heutige politische und gesellschaftliche Fragen Orientierung bietet und Christen auch zum Engagement verpflichtet. Diesem Ansatz ist er konsequent gefolgt, und so gehört Bedford-Strohm wohl noch heute auch über Bayern hinaus zu den bekanntesten Vertretern des Protestantismus in Deutschland. 2014 wurde er zum Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland gewählt und einmal bestätigt. Im November 2021 gab er den Ratsvorsitz ab. In seine Amtszeit fällt unter anderem die Gründung des Bündnisses "United 4 Rescue" und der Kauf des ersten Seenotrettungsschiffs. Bedford-Strohm hat das Engagement für Geflüchtete stets gegen Kritik verteidigt und dafür auch Morddrohungen bekommen.

Zur Kundgebung "Zammreißen - Bayern gegen Rechts" auf dem Odeonsplatz kurz vor der Landtagswahl war Bedford-Strohm bewusst als bayerischer Landesbischof gekommen, "weil ich es unerträglich finde, wenn man sich bei menschenfeindlichen Einstellungen auch noch auf das Christentum beruft, wenn Fremde unter dem Stichwort ,christliches Abendland' ausgegrenzt werden", sagte er. Wer die christliche Botschaft zur Ausgrenzung missbrauche, habe von ihr nichts verstanden.

Der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs trägt zur Vertrauenskrise bei

Einig im Engagement für Geflüchtete und gegen rechts ist Bedford-Strohm mit dem katholischen Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx. Für einige Jahre residierten die Köpfe beider großer Konfessionen - Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Bedford-Strohm als EKD-Ratsvorsitzender - nur wenige Gehminuten voneinander entfernt in der Münchner Innenstadt. Bedford-Strohm und Marx bezeichnen einander als Freunde, im Reformationsjubiläum und auch danach arbeiteten beide eng zusammen und unter anderem ihrem guten Verhältnis zueinander war es zu verdanken, dass nach der Ökumenischen Eiszeit unter Papst Benedikt XVI. inzwischen zumindest wieder so etwas wie leichtes Tauwetter zwischen den Konfessionen herrscht.

Die große Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise der Kirchen zwingt aber auch beide Konfessionen zur stärkeren Selbstbeschäftigung, auch in der evangelischen Landeskirche in Bayern. "Profil und Konzentration", kurz PuK, heißt zum Beispiel das Sparprogramm, das die protestantische Kirchenleitung ihren Gemeinden und Ämtern verordnet hat. "Wir werden als Kirche weiter gesellschaftlich aktiv sein. Viele Dinge, die die Kirche tut, sind segensreich und sinnvoll für die Gesellschaft", sagte Bedford-Strohm dem Evangelischen Presse-Dienst. "Was aber auch klar ist: Wenn mehr Menschen aus der Kirche austreten, dann können sich vor allem die Ausgetretenen nicht beschweren, wenn sich die Kirche weniger engagieren kann. Jeder Austritt sorgt auch dafür, dass die Kirche weniger Geld in segensreiche Dinge wie die Diakonie stecken kann."

Zur Vertrauenskrise trägt auch der Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs bei. Betroffene werfen der evangelischen Kirche vor, dass vor allem in Sachen Aufarbeitung und Verantwortungsübernahme viel zu wenig passiert sei. Er sei persönlich seit vielen Jahren im Kontakt mit Missbrauchsbetroffenen, so Bedford-Strohm. Aber: "Die institutionelle Aufarbeitung über die Einzelfälle hinaus hat erst ihren Weg genommen, als das Thema eine breitere gesellschaftliche Öffentlichkeit erfahren hat." Hinter der katholischen Kirche hinken die Protestanten jedenfalls hinterher, Ende Januar 2024 soll in Hannover die erste große bundesweite Studie zum Missbrauch in evangelischer Kirche und Diakonie vorgestellt werden - volle sechs Jahre nach der katholischen MHG-Studie. Heinrich Bedford-Strohm ist dann als bayerischer Landesbischof schon im Ruhestand.

Wobei Ruhestand bei Bedford-Strohm nicht bedeutet, sich künftig nur noch in die Hängematte zu legen. Im September 2022 wählte die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) Bedford-Strohm zum Vorsitzenden des Zentralausschusses, dem höchsten Leitungsgremium dieses überkonfessionellen Kirchenbundes, in dem insgesamt 352 Kirchen mit weltweit 580 Millionen Christinnen und Christen zusammengeschlossen sind. Mit einer Delegation des ÖRK reiste Bedford-Strohm im Mai in die Ukraine, um dort zwischen verfeindeten orthodoxen Kirchen zu vermitteln.

Mit dem Weltkirchenrat geht es im November drei Wochen nach Nigeria, danach trifft Bedford-Strohm in Genf den Erzbischof von Schweden. Von Mitte Dezember an konzentriert er sich dann mal wieder auf die akademischen Wurzeln: An der Uni im südafrikanischen Stellenbosch wird er für zweieinhalb Monate lehren, seit 2009 bereits hat er dort eine außerordentliche Professur. Langweilig wird es ihm also nicht.

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