Fall Genditzki:Neuer Prozess um Mord oder Unfall in der Badewanne

Lesezeit: 2 min

Manfred Genditzki bei seiner Freilassung am 12. August 2022 in Landsberg mit seiner Anwältin Regina Rick. (Foto: Hans Holzhaider)

In einem der umstrittensten Justizfälle der vergangenen Jahre steht der Termin für das Wiederaufnahmeverfahren fest: Vom 26. April an steht Manfred Genditzki erneut vor Gericht. Das frühere Urteil wegen Mordes wurde aufgehoben.

Von Hans Holzhaider

Im Wiederaufnahmeverfahren gegen den ursprünglich wegen Mordes verurteilten Manfred Genditzki hat das Landgericht München I jetzt den Termin für die neue Hauptverhandlung festgesetzt. Wie der Pressesprecher des Münchner Oberlandesgerichts Laurent Lafleur mitteilte, soll der Prozess vor der 1. Großen Strafkammer unter dem Vorsitz von Elisabeth Ehrl am 26. April beginnen. Das Gericht hat 20 Verhandlungstage bis zum 7. Juli terminiert.

Genditzki war im Januar 2012 zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil das Gericht ihn für schuldig hielt, die 87-jährige Lieselotte Kortüm nach einem Streit in ihrer Badewanne ertränkt zu haben. Im August 2022 wurde er nach mehr als 13 Jahren aus der Haft entlassen, weil das Gericht aufgrund neuer Gutachten zu dem Schluss gekommen war, dass gegen ihn kein dringender Tatverdacht mehr besteht. Das Urteil gegen ihn wurde aufgehoben und eine neue Hauptverhandlung angeordnet.

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Der heute 62-jährige Manfred Genditzki war Hausmeister in der Wohnanlage in Rottach-Egern, in der die alleinstehende Rentnerin Lieselotte Kortüm lebte. Am Abend des 28. Oktober 2008 wurde Kortüm tot in der mit Wasser gefüllten Badewanne in ihrer Wohnung aufgefunden. Nachdem bei der Obduktion zwei Blutergüsse unter ihrer Kopfhaut entdeckt wurden, ging die Staatsanwaltschaft von einem Gewaltverbrechen aus und erhob Anklage gegen den Hausmeister Genditzki, der die alte Dame jahrelang betreut hatte. Das Gericht schloss aus, dass der Tod Kortüms Folge eines häuslichen Unfalls war. Es stützte sich dabei wesentlich auf das Gutachten des Münchner Gerichtsmediziners Wolfgang Keil, der es für äußerst unwahrscheinlich hielt, dass die Frau durch einen Sturz in die Position gelangt sein könnte, in der sie aufgefunden wurde, und der es ausschloss, dass die beiden Hämatome durch einen Sturz in die Badewanne entstanden sein könnten.

Diese beiden für die Verurteilung wesentlichen Annahmen wurden durch die von Genditzkis Verteidigerin Regina Rick vorgelegten neuen Gutachten entkräftet. Eine von dem Stuttgarter Professor Syn Schmitt durchgeführte Computersimulation beweist, dass sowohl die Lage der Leiche in der Badewanne als auch die beiden Blutergüsse zwanglos durch einen Sturz in die Badewanne zu erklären sind. Darüber hinaus konnte durch ein thermodynamisches Gutachten über die Temperatur des Wassers in der Badewanne der Todeszeitpunkt so eingegrenzt werden, dass Manfred Genditzki als Täter nicht mehr in Frage kommt. Nach ausführlicher Anhörung der Sachverständigen erklärte die 1. Große Strafkammer den Wiederaufnahmeantrag für begründet und ordnete die Freilassung Genditzkis an. Die Staatsanwaltschaft München I hatte sich der Wiederaufnahme des Verfahrens bis zuletzt widersetzt.

Manfred Genditzki lebt seitdem wieder bei seiner Familie in Rottach-Egern. "Ich will einfach nur mein normales Leben zurück", sagte er in einem Interview. "Ich will meiner Arbeit nachgehen, das Wochenende mit meiner Frau, meinen Kindern und meinem Enkel verbringen. Mehr will ich nicht."

Ehe er das kann, muss er sich nun aber einer neuen, nach dem Willen des Gerichts sehr langwierigen Verhandlung stellen. Die Strafkammer unter dem Vorsitz von Elisabeth Ehrl hat offenbar nicht die Absicht, kurzen Prozess zu machen und Manfred Genditzki nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" freizusprechen, was nach dem Ergebnis der neuen Gutachten durchaus möglich wäre. Die angesetzte Verhandlungsdauer deutet darauf hin, dass die Kammer den Fall vollständig neu aufrollen und viele Zeugen aus dem ersten Verfahren erneut anhören will.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Fassung wurde der Beginn der Wiederaufnahme des Prozesses mit "28. April" angegeben. Der Prozess beginnt am 26. April, wir haben das korrigiert.

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