Reaktionen auf Genderverbot in Bayern:Widerstand mit Gendersternchen

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Lehrerverbände begrüßen die neuen Sprachregeln für Schulen, Hochschulen und Behörden in Bayern. (Symbolbild) (Foto: Marijan Murat/dpa)

Während Lehrerverbände die neuen Sprachregeln für Schulen, Hochschulen und Behörden in Bayern begrüßen, sprechen Grünen-Politiker von "Kulturkampf" und rufen indirekt zum Boykott auf.

Von René Hofmann

Der Erlass zum Genderverbot der bayerischen Staatsregierung hat gemischte Reaktionen hervorgerufen. "Nicht weniger, sondern mehr Vielfalt wäre ein wichtiges Zeichen in Bayern", kritisiert der Queer-Beauftragte des Bayerischen Jugendrings (BJR), Patrick Wolf.

Beschäftigte in staatlichen Behörden sowie Lehrpersonal an Schulen und Universitäten in Bayern dürfen künftig nicht mehr mit Sonderzeichen gendern. Dafür wird die allgemeine Geschäftsordnung (AGO) für Behörden geändert. Das hat das Kabinett von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag beschlossen.

Am selben Tag stellte der BJR eine Studie mit dem Namen "HAY" (How are you?) vor. Diese zeige, so Patrick Wolf, dass LSBTIQA*-Personen in nahezu allen Lebensbereichen in hohem Maß von Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen betroffen seien. "Daher wäre ein sensiblerer und aktueller Umgang mit unserer deutschen Sprache umso wichtiger", sagte er dem Evangelischen Pressedienst.

Der Deutsche Lehrerverband begrüßte das Verbot hingegen. Im gesamten amtlichen Sprachgebrauch gehe es immer auch darum, deutlich zu machen, dass alle Menschen gemeint seien und nicht nur einzelne Gruppen, sagte Verbandspräsident Stefan Düll der Deutschen Presse-Agentur: "Missverständliche Formulierungen sind daher grundsätzlich zu vermeiden. Es geht um respektvolle Formulierungen, die damit auch gendersensibel sind, ohne es als solche zu markieren. Auch das Sternchen kann schließlich ausgrenzend verstanden werden."

Die Bundesschülerkonferenz, die ständige Konferenz der Landesschülervertretungen der Länder, verurteilt den Kabinettsbeschluss: Sprache sei sehr persönlich, "wie ich mich ausdrücke, wie ich schreibe, wie ich spreche: Das sollte jeder für sich selbst entscheiden", heißt es in einer entsprechenden Stellungnahme. Die bayerische Sektion, der Landesschülerrat Bayern, teilte auf X (ehemals Twitter) mit: "Wie Diskursräume in einer Gesellschaft offengehalten werden durch ein allgemeines Genderverbot ist uns schleierhaft. Der bayerische LSR stellt sich gesammelt gegen das beschlossene #Genderverbot der bayerischen Regierung."

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) hatte bei der Bekanntgabe des Verbots dieses unter anderem damit begründet, dass eine "ideologiegetriebene" Gendersprache die Diskursräume verenge. Es bestehe die Gefahr, dass Personen, die gendergerechte Sprache verwendeten, als menschenfreundlich und diejenigen, die es nicht tun, als solche angesehen würden, "die auf der dunklen Seite" stehen. Es solle durch eine solche Sprache kein moralischer Druck entstehen, "nur wenn ich etwas so sage, sage ich es richtig".

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Auch Lehrkräfte und Schulleiterinnen und Schulleiter müssten sich in Vorlagen und dem Schriftverkehr an die neue Geschäftsordnung halten, sagte Herrmann. Zudem werde das Kultusministerium die Verordnung für Lernmittel so ändern, dass auch keine Schulbücher bestellt werden, die Gendersprache verwenden. Schülerinnen und Schüler jedoch dürften gendern. Ihnen würden dafür keine Fehlerpunkte gegeben, sagte Herrmann.

Einheitliche Regeln für das Thema gibt es in Deutschland nicht. Für Bildung und Schulen sind die Bundesländer selbst zuständig. Auf Länderebene wird immer wieder kontrovers darüber diskutiert. In Hessen etwa hatte die neue schwarz-rote Landesregierung sich darauf verständigt, festzuschreiben, dass in der öffentlichen Verwaltung sowie weiteren staatlichen und öffentlich-rechtlichen Institutionen wie Schulen, Universitäten und dem Rundfunk auf das Gendern mit Sonderzeichen verzichtet wird.

Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), unterstützt laut einer Mitteilung den Kabinettsbeschluss. Sie schränkt aber ein, sie hätte sich "mehr Selbstbestimmung und entsprechende Freiheiten für die Schulen vor Ort gewünscht". Allerdings seien auch "befürchtete weitergehenden Verbote" ausgeblieben.

Dominik Krause (Grüne), Zweiter Bürgermeister der Landeshauptstadt München, kritisierte den Kabinettsbeschluss. Er postete ein Statement in den sozialen Medien, in dem es hieß: "Die CSU entwickelt sich immer mehr zur Verbotspartei. Wir haben in Bayern große Probleme, Herr Söder redet aber häufiger übers #Gendern als über bezahlbare Wohnungen." Krause weiter: "Ich finde, beim Gendern sollten wir uns mal ein bisschen locker machen. Wer gendern will, soll das machen, wer nicht, lässt es eben." Die CSU führe einen "Kulturkampf".

Florian Kraus, Stadtschulrat in München und ebenfalls Mitglied der Grünen, strich in einem schriftlichen Statement heraus, "dass für die städtische Verwaltung und damit auch für die städtischen Schulen außerhalb des Unterrichts nicht die Vorgaben der AGO, sondern der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München (AGAM) relevant sind".

In dieser sei festgelegt, dass in der internen und externen Kommunikation "auf einen geschlechterdifferenzierten Umgang und gegebenenfalls auf eine zielgruppenspezifische Ansprache zu achten" sei. "Vor diesem Hintergrund", so Kraus, "möchte ich die städtischen Schulleiter*innen ermutigen, weiterhin den Gedanken von Toleranz und Antidiskriminierung in ihre Sprache und in den Unterricht aufzunehmen." Das Gendersternchen dürfte als bewusste Provokation gesetzt worden sein.

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