Kratzers Wortschatz:Pronomen zum Verlieben

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Die Diskussionen über Sternchen, Unterstriche und Ähnliches stellt sich im Bairischen in einigen Fällen nicht. (Foto: Christian Ohde/Imago)

Genderdebatte hin oder her: Im Bairischen gibt es Wörter, die eine Geschlechterzuordnung überflüssig machen.

Von Hans Kratzer

Ihra sei Bua

Die Genderdebatte hat das Potenzial, einem ganz schön auf die Nerven zu gehen. Man hat ja sonst keine Sorgen. Immerhin fällt einem in diesem Zusammenhang wieder ein, dass die Geschlechterzuordnung im Dialekt häufig von der Standardsprache abweicht. Das gilt auch für viele Substantive, die lieber dem Beispiel anderer europäischer Sprachen folgen. Im Bairischen heißt es der Butter, analog zu le beurre im Französischen. Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen (der Teller, der Schoklad, die Schneid, der Nuller).

Neulich fragte ein älterer Herr in der S-Bahn in Markt Schwaben einen Mitfahrer: "Und wo is de Dei heut?" De Dei, das heißt: deine Frau. Die dialektale Neigung zur Verkürzung äußert sich auch in einer Kuriosität, welche die 3. Person Singular betrifft. Dort gibt es keine Genusunterscheidung. Für jedes Geschlecht existiert allein die Form "sei". Zu der Aussage "Am Hans sei Frau" gehört deshalb das Pendant "Der Anni sei Mo". In der Wissenschaft spricht man von einem ungeschlechtigen Pronomen. Wer die Sprache liebt, wird stets eine Freude daran haben. "Des is ihra seim Bruadan sei Bua" - das ist der Bub ihres Bruders.

Tragl

Vor Kurzem ist der Pädagoge Rudolf Mühlstrasser gestorben, ein treuer Begleiter dieser Kolumne. Als es einmal um den Begriff Biertragl ging, rief dies bei ihm lebhafte Erinnerungen wach, da er einst in den Semesterferien als Bierfahrer tätig war. "Im Lieferbezirk Schwabing wollte so einiges an Stiegenhäusern durchklommen werden", schrieb er uns. Und weiter: "Ein Tragl ließ man dabei am Handgriff hängen, das andere hielt man unter dem Arm. Blechtragl oder gar kunststofferne waren damals (1956-1960) eine Seltenheit.

Erschwerend wirkte sich bei den hölzernen nicht nur Regen aus - zu pasteurisierendes Bier wurde in den Tragln in den Heisswasserbottich gestellt, wo sie sich kräftig vollsaugten. Die damaligen Tragl enthielten 25 Flaschen und hatten Schnappverschlüsse, die ein Mehrfaches der heutigen Kapseln wogen. So kam ein Gesamtgewicht von bis zu einem halben Zentner zustande. Wenn man seine Anzahl von Stiegen hinter sich hatte, konnte eine Kalorienzufuhr in Form von Bier keinen Schaden anrichten", beendete Mühlstrasser seinen lehrreichen Brief.

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