Naturschutz:Auf Kollisionskurs

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Eine Rohrweihe im Flug: Die Greifvögel zählen zu den kollisionsgefährdeten Arten, für die das Landesamt für Umwelt jetzt sogenannte Populationsdichtezentren ausgewiesen hat. (Foto: Audrey Sternalski/picture alliance / dpa)

Mit einem neuen Planungsinstrument will das Landesamt für Umwelt den Ausbau der Windkraft beschleunigen. Aus der Branche kommt scharfe Kritik.

Von Christian Sebald, München

Die Rohrweihe ist eine mittelgroße Greifvogelart, die relativ selten vorkommt und hauptsächlich in Feuchtgebieten, Mooren und Schilfbeständen lebt. Rohrweihen-Männchen erkennt man an ihren schwarzen Flügelspitzen, den hellgrauen Flügeln und dem braunen Körper. Die Weibchen dagegen sind einheitlich braun. Laut Bundesnaturschutzgesetz zählen Rohrweihen zu den kollisionsgefährdeten Vogelarten. Das heißt, dass Windräder eine große Gefahr sind für sie. Vogelschützer befürchten, dass die Rohrweihe noch seltener werden könnte in Bayern, wenn hier immer mehr Windräder aufgestellt werden.

Um das zu verhindern, hat das Landesamt für Umwelt (LfU), das für den Vogelschutz in Bayern zuständig ist, jetzt sogenannte Populationsdichtezentren für die Rohrweihe ermittelt. Das sind die Gebiete in Bayern, in denen vergleichsweise viele Brutpaare leben. Die Dichtezentren seien eine "Orientierungshilfe für die Regionalen Planungsverbände", sagt ein LfU-Sprecher, wenn sie jetzt überall im Freistaat Vorranggebiete für die Windkraft ausweisen. Dichtezentren sollen nämlich frei von Windrädern gehalten werden.

Mit den Dichtezentren und den entsprechenden Karten "stellen wir die beschleunigte Abarbeitung des Artenschutzes bei der Ausweisung der Vorranggebiete für die Windkraft sicher", sagt der LfU-Mann außerdem. Die Betonung liegt auf dem Wort "beschleunigte". Gemäß den Vorgaben des Bundes muss der Freistaat bis 2032 nämlich 1,8 Prozent der Landesfläche für den Ausbau der Windkraft zur Verfügung stellen. Die Verfahren dafür laufen gerade erst an. Die Zeit drängt also.

Zumal die Rohrweihe nicht die einzige kollisionsgefährdete Vogelart ist, die beim Ausbau der Windkraft berücksichtigt werden muss. Das LfU hat außerdem Populationsdichtezentren für den Seeadler, den Fischadler, den Uhu, den Wespenbussard und sieben weitere heimische Brutvogelarten festgelegt. Die beiden bekanntesten sind der Weißstorch und der Rotmilan. Der Ausbau der Windkraft solle ja "in Einklang mit Mensch, Natur und Artenschutz passieren", sagt der LfU-Sprecher. Die Dichtezentren und die Karten dazu stellten "eine wesentliche Fachgrundlage dazu dar".

"Unausgewogenes Konzept"

Aus der Windkraft-Szene kommt scharfer Widerspruch. Bernd Wust vom Branchenverband BWE spricht von einem "unausgewogenen Konzept" und "Verhinderungsplanung", die den überfälligen Ausbau der Windkraft abermals verzögere. Zwar sei es grundsätzlich richtig, Gebiete zu definieren, in denen der Vogelschutz Vorrang vor der Windkraft habe. "Aber das Vorgehen des LfU bei den Dichtezentren ist absolut nicht nachvollziehbar."

Wusts Vorwürfe im Einzelnen: Die Daten für die Dichtezentren seien zum Teil mehr als 30 Jahre alt, in Teilen widersprächen sie aktuellen Untersuchungen, wieder andere seien unvollständig. Für den Wanderfalken und den Uhu umfassen die jeweiligen Dichtezentren laut Wust gerade mal die Hälfte der Brutvorkommen in Bayern, beim Baumfalken bildeten sie sogar nur 15 bis 25 Prozent des Bestands ab. Damit schaffe man nur neue Unsicherheiten bei den Planungsverbänden und in der Windkraft-Branche. Weitere Verzögerungen beim Ausbau könne man sich aber nicht mehr leisten.

Beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) hat man Verständnis für die Windkraftbranche. "Die Kritik an der unvollständigen und veralteten Datengrundlage trifft zu", sagt der oberste Artenschützer der Organisation, Andreas von Lindeiner. "Aber das ist nicht die Schuld des LfU." Die Experten dort hätten nämlich keine neueren und vollständigeren Daten. Denn dafür fehle ihnen das Personal und das Geld.

Deshalb habe man am LfU "alles zusammengekratzt, was ihnen zur Verfügung stand" und daraus - so sagt es Lindeiner tatsächlich - "ein relativ brauchbares Instrument entwickelt", um zumindest Teile des kollisionsgefährdeten Vogelbestands in Bayern zu schützen. Lindeiners Forderung lautet deshalb nicht nur "mehr und bessere Vogel-Kartierungen" in Bayern, sondern außerdem ausreichend Personal für das LfU, damit die Behörde das leisten kann.

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