Gesundheit in Bayern:Jetzt werden die Einmalhandschuhe knapp

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In Krankenhäusern und vielen anderen Einrichtungen werden jedes Jahr Milliarden Einweghandschuhe verbraucht. Der Nachschub hält nicht mehr mit. (Foto: imago)

Pflegedienste klagen über mangelnden Nachschub, Händler über horrende Preise und Konkurrenz aus Asien und den USA. Es bahnt sich ein neues Dilemma an.

Von Florian Fuchs und Dietrich Mittler, München

Ein Besuch in Unternehmen, die Atemschutzmasken herstellen, ist bei bayerischen Politikern gerade sehr beliebt. Das verspricht schöne Fotos. An Masken mangelt es nach der großen Versorgungsnotlage im Frühjahr kaum mehr. Aber schon bahnt sich das nächste Dilemma an: Nun sind Einweghandschuhe Mangelware. Achim Theiler vom Schutzbekleidungshersteller "Franz Mensch" aus dem Ostallgäu klagt über explodierende Preise, geringe Bestände, stornierte Aufträge und knappe Rohstoffe. "Es wird in einigen Bereichen zu einem Mangel kommen", warnt das Unternehmen.

Bei Bayerns Pflegediensten ist dieser Mangel bereits spürbar, wie Marliese Biederbeck vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe bestätigt. "Teilweise sind Einmalhandschuhe gar nicht mehr lieferbar", sagt sie und macht klar, warum das für die Pflegedienste, aber auch für pflegebedürftige Menschen in Corona-Zeiten mit verschärften Hygienevorschriften ein Problem ist: "Allein bei einer Tour im ambulanten Pflegebereich verbraucht eine Pflegefachkraft ungefähr 50 solcher Einmalhandschuhe."

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Will ein Pflegedienst neue Handschuhe bestellen, heißt es seitens der Anbieter meist: Wartezeit bis zu einem halben Jahr, auf jeden Fall nicht mehr 2020. Und: "Die Pflegeeinrichtungen melden mir zurück, dass die Preise ins Unermessliche gestiegen sind", sagt Biederbeck. "Ja, kann ich bestätigen", sagt Carsten Ehm, strategischer Einkäufer der PEG-Einkaufs- und Betriebsgenossenschaft, die insbesondere Akutkrankenhäuser, Rehakliniken und Pflegeeinrichtungen beliefert. Der Preis für eine Packung mit Einmalhandschuhen sei von ursprünglich 2,50 Euro auf bis zu zwölf Euro gestiegen. "Der Markt ist momentan leergefegt", sagt er. Und deshalb hätten nun alle führenden Anbieter in Deutschland das Problem, Einmalhandschuhe auszuliefern. "Franz Mensch" etwa importiert eine Milliarde Handschuhe pro Jahr, auch für die Lebensmittelproduktion, für Küchen und Labore.

Doch wegen der Corona-Pandemie habe sich die Nachfrage weltweit vervierfacht, der Einkaufspreis sei um mehr als 500 Prozent gestiegen. "In Asien und auf dem amerikanischen Markt gibt es eine hohe Nachfrage", sagt PEG-Einkäufer Ehm, "dort können Hersteller höhere Preise als auf dem deutschen Markt erzielen." Folglich würden die Handschuhe in Richtung Amerika verschifft. Wie bereits beim Vertrieb von Schutzmasken greife der chinesische Staat auch jetzt stark in den Handel ein, sagt der Unternehmer Achim Theiler. Die Hersteller sitzen größtenteils in Asien. Eine heimische Produktion aufzubauen sei komplizierter als bei den Masken. Die Bauzeit für eine Anlage, die solche Handschuhe herstellen kann, betrage etwa ein Jahr.

Das bayerische Gesundheitsministerium kann zwar keinen Engpass erkennen, beobachtet aber Preissteigerungen. Im Pandemiezentrallager des Freistaats, sagt ein Sprecher, befinde sich derzeit eine Stückzahl im oberen zweistelligen Millionenbereich für die Versorgung in Krisensituationen. Auch würden Lieferanten täglich bei Handschuhen Stückzahlen im Millionenbereich anbieten. Von solchen Angeboten kann jedoch auch Hans Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes, nicht berichten. "So richtig spaßig ist die Beschaffung von Einmalhandschuhen gerade nicht", sagt er. Aber so sei eben der so viel beschworene Markt: "Bei einer starken Angebotsverknappung steigt der Preis." Unter Bayerns praktizierenden Ärzten hält sich das Unbehagen noch in Grenzen. Das Problem werde zwar schon mal "im Nebensatz erwähnt", heißt es seitens der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, aber "so richtige Beschwerden" gebe es noch keine. Das liege vielleicht daran, dass sich viele Ärzte im Sommer - als bei der Corona-Schutzkleidung die Preise wieder fielen - auch mit Handschuhen eingedeckt hätten.

Bei Bayerns Krankenhäusern war dies auf jeden Fall so. Von einem Mangel an Handschuhen ist der Bayerischen Krankenhausgesellschaft bislang nichts zu Ohren gekommen. Die kreiseigenen Häuser in Weilheim und Schongau etwa haben vor Wochen sechs Paletten pro Haus geliefert bekommen. "Es ist schon eine spannende Zeit für unsere Einkäufer", heißt es dort.

© SZ vom 30.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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