Für die CSU kommt es einer Sensation gleich: Landtagspräsidentin Ilse Aigner hat als Mitglied der Fraktion Ministerpräsident Markus Söder sanft, aber immerhin offen widersprochen. Darf die das überhaupt? Man muss tief ins Archiv greifen, um einen vergleichbaren Vorgang zu finden. Als das Bienenvolksbegehren vor zwei Jahren verabschiedet wurde, moserten ein paar Abgeordnete meist hintenrum, dass die Partei sich zu sehr an die Grünen anbiedere. Das war es auch schon.
Widerworte, noch dazu im Wahljahr, klingen in der CSU fast schon wie Majestätsbeleidigung. Schließlich pflegt der Ministerpräsident einen erfolgreichen Ein-Mann-Regierungsstil, dem sich sein Kabinett und die Partei längst ergeben haben. Der Landtag wird über Entscheidungen der Staatsregierung regelmäßig in Kenntnis gesetzt, was ein sehr netter Zug ist, aber vielleicht doch dem Grundsatz widerspricht, wonach das Parlament die Regierung kontrollieren sollte.
Söders Politik:Alles wieder gut in der CSU-Fraktion? - "Jein"
Bayerns Ministerpräsident Söder schwört die CSU-Abgeordneten auf seinen vorsichtigen Corona-Kurs ein. Doch die Mittelstandsunion prescht mit einem Papier voran, in dem sie umfassende Öffnungen fordert.
Andererseits hat die Fraktion schon lange nichts mehr Substanzielles zum Kurs der Staatsregierung beigetragen. Der Verantwortliche dafür ist Fraktionschef Thomas Kreuzer, der seit Jahren so ideenlos und bieder vor sich hin werkelt, als sei er im Maximilianeum Söders Hausmeister. Tatsächlich scheint Kreuzer seine Mission darin zu sehen, dass er es seinem Chef recht macht.
In Erfüllung seiner Aufgabe ist er jetzt blöderweise der Landtagspräsidentin über den Mund gefahren, was ein paar Leute aufgeschreckt hat. Mit seinem erratischen Verhalten hat sich Kreuzer inzwischen Gegner zugezogen. Das könnte ihm bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands im Frühjahr ein schlechtes Ergebnis einbringen, dürfte ihm aber kaum den Job kosten.
Dabei ist ein Neustart längst überfällig, wenn die Fraktion irgendwann mal wieder die "Herzkammer" der Partei sein will, wie es einst Franz Josef Strauß formulierte.