Interview am Morgen: Corona-Testpflicht:"Unsere Fahrer sind keine Maschinen"

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Seitdem Tschechien als Corona-Hochrisikogebiet eingestuft wurde, müssen Pendler aus Tschechien alle 48 Stunden einen negativen Test vorlegen. Beim bayerischen Unternehmer Josef Dischner löst das Unverständnis aus.

Interview von Lisa Schnell, Regensburg

Kilometerlange Schlangen, stundenlange Wartezeiten, tschechische Medien nannten die Zustände an den Testzentren entlang der bayerischen Grenze vergangene Woche "die Hölle". Seitdem Tschechien als Corona-Hochrisikogebiet eingestuft wurde, müssen Pendler aus Tschechien alle 48 Stunden einen negativen Test vorlegen. Bei vielen der etwa 23 000 Grenzgänger und bei bayerischen Unternehmen löste das Unverständnis aus. Das von Logistikunternehmer Josef Dischner aus Weiding (Landkreis Cham) ist nicht abgeklungen. Etwa 80 Prozent seiner Fahrer kommen aus Tschechien, die meisten müssen jedes Wochenende über die Grenze.

SZ: Herr Dischner, alles entspannt, meldet die Polizei mittlerweile von den Testzentren. Wie entspannt sind Sie?

Josef Dischner: Wir sind sicher nicht entspannt. Ich nicht und meine Fahrer erst recht nicht. Für unsere, aber auch für andere Branchen, ist diese Regelung aber nur sehr schwer einzuhalten. Wir machen klassischen Güternah- und -fernverkehr, unsere Lastwagen fahren von Ostbayern nach Westen, europaweit. Die Testzeiten von 48 Stunden können unsere Fahrer nur befolgen, wenn sie ihre Ruhezeiten am Wochenende verletzten. Das ist eh schon ein extrem anstrengender Beruf. Unsere Fahrer sind keine Maschinen.

Wie sieht so ein Wochenende für einen Ihrer Fahrer jetzt aus?

Ein Beispiel: Ein Fahrer muss an einem Montag spätestens um halb sechs in der Früh bei uns im Unternehmen in Weiding sein. Die Teststationen öffnen aber erst um 5 Uhr, viel zu spät. Also muss der Fahrer am Sonntag aus Tschechien zum Testen an die Grenze kommen. In Tschechien selbst gibt es keine flexiblen Testmöglichkeiten. Von 18 bis 21 Uhr kann man sich testen lassen. Wieder zurückfahren lohnt sich dann nicht mehr, also schläft er im Lkw. Letztes Wochenende hat die Hälfte meiner 70 Fahrer im Laster übernachtet. Sechs bis zwölf Stunden gehen etwa an Ruhezeit verloren durch die Testpflicht. Insgesamt sind davon allein im Logistikbereich sicher ein paar Tausend Mitarbeiter betroffen.

Was haben Sie sich alles von ihren Fahrern anhören müssen die Woche?

Es geht nicht, wir können nicht, wenn es so weiter geht, dann . . .

Dann?

Wir versuchen unser Leute zu motivieren, aber ich habe schon von ersten Kündigungen gehört in der Industrie. Einige Kunden von uns haben wirklich Probleme, weil ihre Arbeiter das nicht mehr mitmachen wollen. Es herrscht große Unruhe. Die Probleme haben ja nicht nur wir, sondern auch Unternehmen mit Schichtbetrieb. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber wenn uns fünf Fahrer abspringen, das wären fünf Prozent der Flotte. Eigentlich nicht vorstellbar.

Josef Dischner, 53, leitet seit gut 30 Jahren ein Transportunternehmen in der Oberpfalz. Bis jetzt ist 2021 ganz gut angelaufen, trotz Corona. Nun befürchtet er, dass ihm Fahrer wegen der neuen Testvorschriften abspringen. (Foto: privat)

Wie könnte es besser laufen?

Bayern hat deutschlandweit die schärfsten Regeln. Und Sachsen grenzt ja auch an Tschechien, und da gibt es Ausnahmen für Pendler. Wir bräuchten entweder einen 24-Stunden-Betrieb bei den Teststationen oder eine Testung nur einmal wöchentlich.

Aber ist das verantwortbar, allein an einem Tag sind 200 Tests positiv ausgefallen?

Seit Beginn der Pandemie hatten wir nur drei positive Fälle. Man muss auch zwischen den Branchen differenzieren. Unsere Fahrer sitzen alleine in ihrem Lastwagen, unterschreiben mal kurz ein Papier, und das war's. Da ist die Ansteckungsgefahr nicht so hoch. Vielleicht kann es für solche Branchen eine Ausnahmeregelung geben. Wir haben hohen Respekt vor diesem Virus und der Pandemie, aber die Lösungen müssen auch praktikabel sein.

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Seit Jahren freuen sich Politiker, dass Tschechien und Bayern zusammenwachsen. Geht das jetzt verloren?

Bayern und Böhmen sind ein seit 30 Jahren zusammengewachsener Wirtschaftsraum. Warum differenzieren wir da zwischen Tschechien und Deutschland? Das Virus macht nicht Halt an der Grenze und die Deutschen sind genauso nah an der Grenze wie die Tschechen. Viele unserer Mitarbeiter fühlen sich deshalb diskriminiert, weil die Regeln nur für sie gelten, aber nicht für ihre deutschen Kollegen, und ich kann das verstehen.

Was schlagen Sie vor?

Man müsste sich genauer ansehen, wo in Tschechien die Zahlen besonders hoch sind. Nur, weil das in Prag so ist, muss es in anderen Regionen doch nicht so sein.

Haben Sie das Gefühl, Ihre Einwände werden gehört?

Wir haben es sogar noch gut im Landkreis Cham. Andere Landkreise haben ein viel schlechteres Angebot. Auf unser Drängen hin wurden die Öffnungszeiten am Sonntag geändert. Aber das genügt nicht. Die Politik wird nicht gerne kritisiert, sollte aber nach Rücksprache mit den Unternehmen zu Lösungen kommen, die zumutbar sind.

© SZ vom 29.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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