Schulen in Bayern:Lehrkräfte warten seit Monaten auf ihr Gehalt

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Bayern setzte im Herbst 2021 wegen der Corona-Pandemie ein Nachhol-Programm auf. (Foto: picture alliance/dpa)

Die Staatsregierung hat im Herbst zahlreiche Personen eingestellt, um Rückstände durch Homeschooling aufzuholen. Nur mit der Bezahlung geht es nicht so schnell - und Lehrerverbände fürchten schon die nächste ungeplante Bezahlschranke.

Von Viktoria Spinrad und Max Weinhold, Aschaffenburg, München

"Würde so etwas in der Privatwirtschaft passieren", sagt Hendrik Schödel, "dann hätte der Arbeitgeber ein ziemliches Problem." Schödel, Vorsitzender des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes Oberfranken (BLLV), hat damit gewiss recht. Aber auch mit dem Freistaat als Arbeitgeber ist es nicht besser, im September eine Stelle anzutreten und im April des folgenden Jahres immer noch kein Gehalt auf dem Konto zu haben. So zumindest ist es einigen Lehrkräften ergangen.

Einen "verlässlichen Arbeitgeber" nennt der CSU-Landtagsabgeordnete Holger Dremel den Freistaat Bayern - dabei hat sich dieser als gar nicht so verlässlich erwiesen. Zu bedeutenden Teilen waren die betroffenen Lehrerinnen, Lehrer und pädagogischen Aushilfskräfte im Zuge des Programmes "gemeinsam.Brücken.bauen" eingestellt worden, um Rückstände durch Homeschooling aufzuholen. Die Zahl solcher Unterstützungskräfte stieg laut Kultusministerium "auch coronabedingt deutlich". Was zu den Verzögerungen bei den Gehaltszahlungen führte, die Verwaltungen waren mit der Bearbeitung der Anträge überfordert.

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Das erlebte auch Sabine Gärtner (Name geändert). Sie arbeitet als angestellte - also nicht verbeamtete - Lehrerin an einer Schule bei Aschaffenburg. Im September trat sie ihren Dienst als Lehrerin einer fünften Klasse an, ihr erstes volles Gehalt erhielt sie am 30. Dezember. Vorher wurde sie mit Abschlagszahlungen vertröstet, die bei Weitem nicht den ihr zustehenden Lohn ersetzten. "Ohne meine Eltern wäre ich am Arsch gewesen", sagt Gärtner. Wenn sie höre, dass jemand vor diesem Hintergrund von einem "verlässlichen Arbeitgeber" spreche, dann könne sie "nur noch lachen".

Als eine, die wenigstens seit Jahresende 2021 regelmäßig volles Gehalt erhält, hat es Gärtner noch vergleichsweise gut getroffen; manch einer hat sein Geld laut BLLV Unterfranken noch immer nicht.

Dem Kultusministerium ist die Problematik bekannt, es lässt sich "regelmäßig zum Sachstand der Abwicklung berichten", heißt es auf Nachfrage. Aktuell ist jener "Sachstand der Abwicklung" dieser: Der "überwiegende Großteil" der fristgerecht eingereichten Vertragsunterlagen habe "zu einer Abwicklung und im Ergebnis zu einer Auszahlung" geführt.

Dass das alles überhaupt so lange gedauert hat, liege an der "Masse von zum Schuljahresbeginn zu erstellenden Arbeitsverträgen", welche für die Personalverwaltung "eine große Herausforderung" darstellten, die "nur sukzessive bewältigt werden kann".

Wie schwierig und zeitintensiv die Bearbeitung der Papierflut ist - in Mittelfranken waren es laut BLLV im September gut 850 Anträge in kurzer Zeit -, erkennen die Lehrerverbände aus Bayern durchaus an. "Es ist ja nicht so, dass die Mitarbeiter in der Verwaltung Däumchen drehen", sagt etwa Markus Erlinger, BLLV-Vorstand in Mittelfranken. Aber dennoch, moniert Thomas Gehring von den Grünen, sei das "ein untragbarer Zustand". Auch für Hendrik Schödel vom BLLV aus Oberfranken ist das alles, "freundlich formuliert", keine gute Werbung für den Freistaat als Arbeitgeber.

Genau wie die Grünen, die mit einem entsprechenden Antrag im Ausschuss zum Öffentlichen Dienst an der fehlenden Unterstützung von CSU und Freien Wählern (FW) scheiterten, fordert Schödel strukturelle Reformen. Er erwartet die "Entbürokratisierung der Formulare und Anträge", diese können etwa nicht digital ausgefüllt werden; und "die Stärkung der inneren Verwaltung", unter anderem sind sogenannte Wiederbesetzungssperren dafür verantwortlich, dass es für in Ruhestand gehende Arbeitskräfte monatelang keine Nachfolger gibt. Und Schödel wünscht sich, dass "Verträge mit guten Lehrkräften rechtzeitig verlängert werden", um zu verhindern, dass eine vollständige Neubearbeitung ihrer Anträge zum Stau beiträgt.

CSU und FW sehen in der Thematik hingegen "eine Scheindiskussion", sagte jedenfalls der CSU-Mann Dremel im Ausschuss. Keine Frage, es sei wichtig, "dass der Freistaat seine Angestellten rechtzeitig bezahlt". Aber die Pandemie sei "eine Sondersituation" gewesen. "Ich denke, wir sind da gut aufgestellt."

Allerdings sehen die Lehrerverbände und die Grünen schon die nächste ungeplante Bezahlschranke für Lehrkräfte. Nämlich dann, wenn für die schulische Versorgung der aus der Ukraine geflüchteten Kinder neue Lehrkräfte ihre Anträge stellen. "Wir müssen befürchten, dass das Gleiche wieder passieren wird", sagt Markus Erlinger.

Wobei die Zahl der Anträge diesmal womöglich ohnehin niedriger bleiben wird - und zwar nicht nur wegen weniger zu beschulender Kinder. Viele Pädagogen hätten schlechte Erfahrungen gemacht, sagt Erlinger. Im Landtagsausschuss berichtete der Grüne Gehring von Pensionären, die beim Nachhol-Programm einsprangen, sich den Bürokratie-Akt "noch einmal aber nicht antun wollen".

Das Kultusministerium arbeitet nach eigenem Bekunden an einer dauerhaften Verbesserung. Kurzfristig hätten Betroffene Abschlagszahlungen erhalten, man habe zudem "bereits die notwendigen Verfahrensschritte und Unterlagen auf Verschlankung geprüft und diese entsprechend angepasst". Bedeutet: Der Umfang der Formulare wurde verringert, auch wurden die Verwaltungsmitarbeitenden in einigen Punkten "sensibilisiert", um effizienter voranzukommen. Außerdem seien für die pandemiebedingten Zusatzprogramme "zur Verstärkung der Personalressourcen" für 2021, 2022 und 2023 Mittel zur Verfügung gestellt worden, "um zur Bewältigung der Arbeitsspitzen zusätzliches Personal einzustellen".

Vielversprechend klingt das jedenfalls schon mal.

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