Unter Bayern:Was wohl die Alten sagen würden

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Ein Frau fährt mit ihrem Rad am 13.07.1945 durch Münchens zerstörte Innenstadt. (Foto: imago images/Rolf Poss)

In Zeiten von Corona, Krieg und Inflation weckt der Gedanke an die Vorvor- und Vorgenerationen ein Gefühl aus Wehmut und Unbehagen: Hart im Nehmen waren sie meist, gestählt von ihren Erfahrungen. Deshalb hätten sie mit all dem umzugehen gewusst. Mit einer Ausnahme allerdings.

Kolumne von Katja Auer

Es war nicht zynisch gemeint, sondern zutiefst pragmatisch, als es vor einiger Zeit in der Oberpfalz als großes Glück erkannt wurde, dass "unsere Alten das nicht mehr erleben müssen". Unsere Alten sind gestorben, in einem gesegneten Alter, kurz vor den wildesten Auswüchsen der Corona-Pandemie, es hat ihnen niemand mehr erklären müssen, warum sie die Enkel und Urenkel nicht besuchen kommen, warum keine Hände mehr geschüttelt, sondern Ellenbogen aneinander gedrückt werden und dass es in der Kirche aus Infektionsschutzgründen kein Weihwasser mehr gibt.

Vielleicht wäre das noch gegangen, aber jetzt? Zwei Ängste, nämlich dass der Russe kommt und dass das Geld kaputt wird, waren geblieben von Krieg, Gefangenschaft und Inflation. Wie hätten sie den Ukraine-Krieg und die Preissteigerungen erlebt? Für letzteren Fall wurde immer schon gespart und wiederverwertet. Plastiktüten, Joghurtbecher, Haushaltsgummis - alles wurde aufgehoben, wer weiß, wozu man es noch einmal würde brauchen können. Und so war immer eine Schuhschachtel da, wenn man dringend ein paar Maikäfer fangen musste und niemals fehlte etwas, um Steinschleudern und Dosentürme zum Einschmeißen und all die anderen wichtigen Dinge zu basteln.

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Bei aller Sparsamkeit gab es schon auch Gelegenheiten, ein bisschen Geld auszugeben. Bei runden Geburtstagen, Ehejubiläen und sonstigen Jubeltagen wurde die ganze Verwandtschaft in die Wirtschaft eingeladen. Leberknödelsuppe, gemischter Braten und für die vegetarischen Enkelkinder Kloß mit Soße.

Inzwischen sind solche Feste gar nicht mehr so einfach zu feiern, nicht wegen Krieg und Inflation, sondern weil in den Gasthöfen der Personalmangel grassiert. Wo nicht die Oma selbst die Knödel rollt, gibt es nur noch Brotzeiten, weil Köche fehlen. Und weil Bedienungen rar sind, werden die Ruhetage immer mehr und warme Küche gibt es nur abends. Unvorstellbar, ein Familientreffen am Mittwochabend, wenn es jahrzehntelang am Sonntag nach der Kirche zum Mittagessen ging.

Wobei, erst mal muss sich ja ein Pfarrer finden, der noch einen Gottesdienst hält in der Dorfkirche und dann muss auch wer hingehen. Denn die Sache mit den Russen, dem Geld und Corona ist das eine - aber wie es in der katholischen Kirche gerade zugeht, das hätten unsere Alten nicht mitgemacht. Und dann hätten wir wahrscheinlich auch Mittwochabend Schweinsbraten essen können.

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