Artenschutz:Luchse sollen in ganz Bayern heimisch werden

Lesezeit: 3 min

Der Bund Naturschutz will Raubkatzen gezielt freilassen, um die Population zu erhöhen - doch es gibt erbitterte Gegner der Tiere.

Von Christian Sebald, Nürnberg

Der Bund Naturschutz (BN) fordert ein groß angelegtes Wiederansiedlungsprojekt für Luchse. "Die kleine Population im Bayerischen Wald stagniert seit Langem, auch die wenigen Auswilderungen in der Oberpfalz und im Fichtelgebirge haben den Luchs nicht vorangebracht", sagte der Geoökologe und oberste Artenschützer des BN, Kai Frobel, der Süddeutschen Zeitung. "Wenn es dem Freistaat ernst ist mit dem Bekenntnis zu einer lebenskräftigen Luchs-Population, braucht es Taten."

Den Anfang sollen laut BN gezielte Freilassungen in Nordbayern machen - genau gesagt im Oberpfälzer Wald, Fichtelgebirge und Frankenwald. Nach Vorstellung des BN sollen in dem Mittelgebirgsbogen binnen zehn Jahren 20 Luchse freigelassen werden. Parallel sollen weitere Projekte im Spessart und in den bayerischen Alpen entwickelt werden.

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Mit der Forderung begibt sich BN-Mann Frobel auf sehr dünnes Eis. Auf der einen Seite bekennt sich die Staatsregierung seit Langem zur Rückkehr der europaweit streng geschützten Luchse nach Bayern. "Ziel ist eine vitale Luchs-Population, die ihren Lebensraum selbst wählt. Sie besiedelt alle geeigneten Lebensräume in Bayern", heißt der oberste Leitsatz im Luchs-Managementplan des Freistaats von 2008.

Er ist die Richtschnur für den Umgang mit den Raubkatzen in Bayern und in einer Kooperation aus dem Umwelt- und dem Agrarministerium sowie zahlreichen Verbänden und Organisationen aus der Umweltszene, der Landwirtschaft und der Jagd entstanden. Mit dem Leitsatz folgt die Staatsregierung dem Naturschutzrecht der EU und der Nationalen Strategie des Bundes zur biologischen Vielfalt von 2007.

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Auf der anderen Seite sind Luchse vor allem unter Jägern sehr umstritten. Der Grund ist, dass die Raubkatzen praktisch ausschließlich Rehe jagen und fressen. Die Jäger betrachten sie deshalb als scharfe Konkurrenz. Der bayerische Jagdverband (BJV) hat schon 2008 einen Ausschluss von Wiederansiedlungsprojekten durchgesetzt - und zwar direkt im Luchs-Plan wenige Passagen nach dem obersten Leitsatz. "In Bayern ist weder eine Aussetzung oder Ansiedlung von Luchsen (...) vorgesehen", lautet die entsprechende Formulierung. Die Vorgabe wurde all die Jahre nicht angetastet, obwohl Experten immer wieder darauf verwiesen haben, dass sich die Luchse ohne ein aktives Zutun von Biologen und Behörden nicht ausbreiten werden.

Tatsächlich ist es um die Luchse in Bayern denkbar schlecht bestellt. Die Population im Bayerischen Wald stagniert bei etwa 50 erwachsenen Tieren und zuletzt 17 Jungtieren. Sie leben grenzüberschreitend im Dreiländereck mit der Šumava in Tschechien und dem Mühlviertel in Österreich. Die Population geht auf Freilassungen in die Siebzigerjahren im Nationalpark Bayerischer Wald und ein Wiederansiedlungsprojekt auf tschechischer Seite in den Achtzigerjahren zurück.

Wilderer stellen ihnen immer wieder nach - mit Gewehren, Gift und Schlingen

Dass sich die Luchse nicht allmählich ausbreiten, hat nicht nur mit Verkehrsunfällen und anderen Unglücken zu tun, denen immer wieder Tiere zum Opfer fallen. Sondern vor allem mit illegalen Tötungen, sowie die Raubkatzen das unmittelbare Gebiet des Nationalparks verlassen. Dann stellen ihnen immer wieder Wilderer nach - mit Gewehren, Gift und Schlingen.

Vor einiger Zeit begannen Polizei und Justizbehörden die Wildereien intensiv zu verfolgen. Prompt erholte sich die Population etwas. Bisher wurde allerdings kein Täter dingfest gemacht. Zuletzt stellte das Landgericht Regensburg das Verfahren gegen einen Verdächtigen aus der Jägerszene ein, weil man dem Mann die Vorwürfe letztlich nicht nachweisen konnte. Zumindest einige Zeit lang war freilich die Furcht der Luchs-Wilderer im Bayerischen Wald vor Enttarnung so groß, dass keine Raubkatze mehr illegal getötet wurde.

Im Februar wurde der Kadaver einer Luchsin gefunden

Inzwischen gibt es aber wieder starke Hinweise auf erneute Nachstellungen. Ende Februar wurde bei Bischofsmais der Kadaver einer Luchsin gefunden. Sie war offenkundig mit einer Vorderpfote in eine Falle geraten. Als sie sich daraus befreite, erlitt sie dabei so schwere Verletzungen, dass sie jagdunfähig war und deshalb einging.

Beobachter gehen denn auch fest davon aus, dass ein Wiederansiedlungsprojekt für Luchse mit der Zustimmung des Jagdverbands steht und fällt. Der BJV-Präsident und CSU-Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme zu der BN-Forderung erreichbar. Im Umweltministerium bekannte man sich derweil "zum Erhalt der bayerischen Luchs-Population", wie ein Sprecher erklärte. Es sollte "alles unternommen werden, um den Bestand zu sichern". Die Forderung nach einem Wiederansiedlungsprojekt begrüßte der Sprecher "fachlich grundsätzlich". Allerdings könne es nur gelingen, wenn es von allen Beteiligten unterstützt werde.

© SZ vom 23.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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