AfD-Taktik im Landtag:"Bis jeder mal dran war"

Lesezeit: 2 Min.

Wieder und wieder schickt die AfD im Landtag Kandidaten ins Rennen, die nicht gewählt werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die AfD-Fraktion setzt auf Zermürbungstaktik bei verwehrten Posten in Landtagspräsidium und Geheimdienst-Gremium. Was steckt dahinter?

Von Johann Osel, München

Jetzt stehen da für die nächste Sitzung diese zwei Punkte auf der Tagesordnung, wieder mal: Wahl eines Vizepräsidenten des Landtags und Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), das den Verfassungsschutz überwacht. Die AfD will wieder Kandidaten für beide Posten ins Rennen schicken, für die seit 2018 keiner ihrer unzähligen Vorschläge eine Mehrheit bekam. Neu ist: Es wird diesmal eine Aussprache dazu geben, die AfD soll das im Ältestenrat erfolgreich beantragt haben - eine scharfe Debatte ist zu erwarten. Auffällig ist zudem, dass die Fraktion es nochmal mit beiden Posten gleichzeitig probiert. Dem Vernehmen nach ist das der Auftakt für eine Art Zermürbungstaktik - also fortan in Dauerschleife zu nominieren und abstimmen zu lassen. Reihum, so hört man, "bis jeder mal dran war".

Wer am Dienstag Vizepräsident werden will, ist noch unklar, ins PKGr strebt der Münchner Uli Henkel. Er hat am Montag einen Pressetermin dazu angesetzt. Es gehe um Wahrnehmung der auch der AfD "vom Wähler übertragenen Aufgaben", sagt er auf Nachfrage. Wenn sich 89,8 Prozent der Abgeordneten "zusammenrotten", um dies zu verhindern, sei "ein Demokratiedefizit zu verorten". Henkel sieht "eine Beutegemeinschaft, die uns vom Kuchen fernhalten möchte", konkret vom PKGr, damit die "Instrumentalisierung" des Verfassungsschutzes gegen seine Partei geheim bleibe.

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Bei früheren Wahlen hatten die anderen Fraktionen stets die Tauglichkeit der AfD-Kandidaten verneint. "Ausschlaggebend ist natürlich auch die Integrität der zu wählenden Personen", sagte etwa Tobias Reiß, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU, im Frühjahr: "Nachdem die AfD immer wieder durch parlamentarisches Fehlverhalten, gezielte Provokationen, Eklats und Skandale auffällt, kann ich gut nachvollziehen, dass unsere Abgeordneten niemanden von der AfD in diese Funktionen wählen." Zur Besetzung des PKGr gab es im Sommer zudem eine gemeinsame Erklärung von CSU, Freien Wählern, Grünen, SPD und FDP. Darin sagte zum Beispiel der grüne Landtagsvize Thomas Gehring, "Zugang zu solch hochsensiblen, sicherheitsrelevanten und vertraulichen Informationen" sollten richtigerweise nur Abgeordnete haben, "welche das uneingeschränkte Vertrauen der Mehrheit im Parlament genießen". Im politischen München kursiert auch eine andere Lesart der angekündigten Bewerber-Offensive der AfD, außer der ständigen Bühne. Man hört: "Die Fraktion lauert wahrscheinlich in der Aussprache auf ungeschickte Formulierungen oder Versprecher, um damit die Entscheidung gerichtlich anzufechten." Bisher hatte die AfD hier juristisch keinen Erfolg.

Henkel führt jetzt sogar einen vermeintlichen Kronzeugen für die "Ausgrenzung" ins Feld, den ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Der war kürzlich bei der Eröffnung der Wanderausstellung "Orte der Demokratie in Bayern" im Maximilianeum zu Gast, der AfD-Mann sprach ihn an, es kam zu einem kurzen Gespräch in der Landtagsgaststätte. Der Bundespräsident a.D. habe "ganz klare Worte zu der von mir beklagten Situation" gefunden, schreibt Henkel auf Facebook, Gauck sei demnach "kein Freund der AfD", aber er sei dennoch der Ansicht, dass jede "demokratisch gewählte Partei" Anspruch auf einen Vertreter im Präsidium haben müsse, ob im Bundestag oder in Länderparlamenten. Dies habe Gauck auch in einem Buch gefordert.

Das Büro von Joachim Gauck bestätigt auf Anfrage der SZ das Gespräch, auch habe der Präsident a. D. in dem Buch und in Interviews "Skepsis" geäußert, "dass Vertretern einer in demokratischen Wahlen gewählten Partei Verabredungen der parlamentarischen Geschäftsordnung vorenthalten werden". Als Schützenhilfe für Henkel und Kollegen will sich das frühere Staatsoberhaupt aber nicht verstanden wissen: "Herr Gauck lehnt die AfD inhaltlich ab und hält sie für politisch verzichtbar", heißt es. Die Entscheidung, Kandidaten der AfD zu wählen oder nicht, obliege "ausschließlich den Abgeordneten selbst". Das sei damit laut Gauck "keineswegs ,undemokratisch', sondern im Gegenteil eine demokratisch zustande gekommene Entscheidung".

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