Die AfD im Landtag hat am Donnerstagabend ihre Fraktionsführung abgewählt, allen voran die bisherigen Vorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn. Künftig sollen Ulrich Singer und Christian Klingen an der Spitze der Abgeordneten stehen. Ein Wechsel hatte sich bereits seit Langem angedeutet, da ein Termin im September zur Vorstandsneuwahl turnusmäßig anstand und die Fraktion als in zwei Lager gespalten gilt. Unklar war bis Donnerstag nur, welche Exponenten die Gruppe von elf Abgeordneten, die intern die Mehrheit stellen, ins Rennen schickt.
Ebner-Steiner steht seit der Fraktionsgründung 2018 an der Spitze. Die Niederbayerin, gestärkt durch ihren erfolgreichen Bundestagswahlkampf 2017 und medial bekannt als "Populistin im Dirndl", führte die AfD zunächst mit Markus Plenk. Dieser war aber bald ausgetreten, er rügte einen völkischen Kurs der Fraktion; Hahn rückte 2019 an die Seite Ebner-Steiners. Nach hitzigem Streit und langem Patt im internen Machtkampf hatte sich vergangenen Sommer ein Elferbündnis dem sechsköpfigen Fraktionsvorstand offen entgegengestellt. Sie bildeten intern eine Mehrheit. Für eine Abwahl zwischendurch wäre laut Satzung jedoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig gewesen; bei den regulären Neuwahlen wie jetzt reicht die einfache Mehrheit. Wie stabil oder volatil die Verhältnisse sind, war lange offen. Die Führung wurde bisher von dezidierten Vertretern des formal aufgelösten völkischen "Flügels" dominiert, etwa Ebner-Steiner. Hahn selbst wollte sich nie nach Strömung kategorisieren lassen.
Der interne Konflikt verläuft aber weniger nach politischer Richtung. So zählen auch zu den elf Abgeordneten keineswegs nur gemäßigtere Köpfe. Vielmehr geht es um persönliche Animositäten und Stilfragen. In einem offenen Brief im Sommer 2020 warf die Elfergruppe der Spitze mangelnde Professionalität und fehlenden Teamgeist vor. Im Lager der bisherigen Spitze beklagte man dagegen untergriffige Attacken vor allem auf Ebner-Steiner als Person und "Indiskretionen". Eskaliert war die Lage vergangenes Jahr, als man im Streit die Sommerklausur abbrach; man konnte sich nicht mal auf eine Tagesordnung einigen - ein Novum wohl in der Historie des Parlaments.
Ulrich Singer, 45, aus Nördlingen ist Rechtsanwalt, im Landtag ist er Sozial- und Familienpolitiker. Bisher ist er nicht durch radikales Auftreten aufgefallen. Gleichwohl erinnert er etwa regelmäßig daran, dass die Geburtenrate hierzulande steigen müsse, in Ablehnung weiterer Migration. An seiner Seite steht künftig Christian Klingen, 56, aus Kitzingen. Er galt früher quasi als unterfränkischer Kontaktmann zum "Flügel" und, wie es in AfD-Kreisen heißt, "glühender Anhänger" des Thüringer Politikers Björn Höcke; zuletzt hatte er sich aber vom "Flügel" distanziert und sich der Elfergruppe angeschlossen. Im Landtag sitzt Klingen im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz. Beide neuen Chefs wurden nach Informationen der SZ mit genau elf Stimmen gewählt - also wohl durch die besagte Gruppe. Auch die Vize-Posten und weitere Funktionen sicherte sich die Elfergruppe, neue stellvertretende Vorsitzende sind Gerd Mannes und Franz Bergmüller.
Dem Vernehmen nach soll es in der Sitzung aber einigermaßen harmonisch zugegangen sein. Auch die bisherige Spitze ist offenbar an einem friedlichen Übergang interessiert und hat sich wohl eingestanden, den Rückhalt verloren zu haben. Der oberfränkische Abgeordnete Martin Böhm, bisher eine Stütze des Vorstands um Ebner-Steiner und Hahn, sagte bereits kurz vor der Sitzung, dass es sich hier um "kein Wunschkonzert" handele. Es herrsche inhaltlich ja Konsens, die "Agenda-Setzung der Fraktion ist im Großen und Ganzen eindeutig", etwa bei der Migration. Uli Henkel sprach für die Fraktion im Anschluss von einer "disziplinierten" Wahl und sachlichen Aussprache. Die Abgewählten machten nicht den Eindruck von Kindern, denen "im Sandkasten das Förmchen weggenommen wurde".