Landtag in Bayern:AfD-Abgeordnete wollen Fraktionschefs abwählen

Gegen die Fraktionschefs Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn haben sich viele Gegner verbündet.

Ausgang ungewiss: Gegen die Fraktionschefs Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn haben sich viele Gegner verbündet. Doch keiner der Kritiker will am Sonntag einen Kommentar zur beantragten Abwahl des Duos abgeben.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Zwölf von 20 Abgeordneten haben einen Antrag zur Abwahl der Vorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn unterzeichnet. Ein Insider sagt: Am Mittwoch im Landtag könnte "Blut fließen".

Von Johann Osel

In der AfD-Fraktion im bayerischen Landtag ist ein offener Machtkampf über die Führung entbrannt. Eine Mehrheit der Abgeordneten hat für die Sitzung an diesem Mittwoch einen Abwahlantrag gegen die beiden Vorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn unterzeichnet. Zwölf von 20 Abgeordneten haben das Dokument unterschrieben, es kursiert seit dem Wochenende im Netz. Außerdem soll laut Antrag auch Ferdinand Mang, stellvertretender parlamentarischer Geschäftsführer, abgelöst werden; insgesamt richtet sich der Putschversuch also gegen die Hälfte des sechsköpfigen Fraktionsvorstands.

Für die Behandlung des Antrags reichen die 60 Prozent Zustimmung aus, eine konkrete Abwahl benötigt jedoch eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Gleichwohl sind die Lager volatil. Die Führungsriege rund um Katrin Ebner-Steiner wird vom formal aufgelösten völkischen "Flügel" dominiert, die politische Ausrichtung ist in dem Konflikt aber zweitrangig - es geht um Persönliches. Und um die Machtfrage.

Gesprächsanfragen seitens der SZ quer durch die Fraktion und in beiden Lagern blieben am Sonntag unbeantwortet oder wurden abgelehnt. Viele zeigten sich verstört, dass derlei Interna publik werden. Es werde "Blut fließen" am Mittwoch, sagt ein Parteiinsider. Man sollte im Maximilianeum vorsorglich "Gummistiefel anziehen".

Es ist eine neue Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung, die seit der Fraktionsgründung nach der Landtagswahl nie abgeebbt war. 2018 hatte die AfD Ebner-Steiner und Markus Plenk an ihre Spitze gewählt, Letzterer verließ ein gutes halbes Jahr später Partei und Fraktion. Er habe es "satt, die bürgerliche Fassade einer im Kern fremdenfeindlichen und extremistischen Partei zu sein", sagte Plenk damals.

Daraufhin führte die Niederbayerin allein die Fraktion, bei einer Vertrauensabstimmung im Juni gab es ein Patt - zehn gegen zehn. Ursächlich war da teils der Konflikt zwischen Flügel-nahen und für AfD-Verhältnisse liberalen Abgeordneten, doch vor allem hatte sich Unmut über den Führungsstil gebildet. Von mangelnder Kollegialität, sogar von einem "mafiösen Regime" oder dem "Kaltstellen unliebsamer Köpfe" war die Rede. Im September wurde dann Hahn als Ebner-Steiners Co-Vorsitzender gewählt; er gehört nicht zu den Völkischen, zeigte sich aber dem Vernehmen nach loyal zur bisherigen Spitze. An der Abstimmung beteiligten sich nur zwölf von 20 Abgeordneten, der Rest blieb fern - ein Bruch in aller Öffentlichkeit. Das Patt überwinden konnte das Lager um Ebner-Steiner auch durch das Angebot von Funktionen samt Zulagen für einzelne Abgeordnete.

Seitdem hieß es in Fraktionskreisen stets, ein neuer Anlauf für den Machtwechsel werde kommen - und zwar nach der Kommunalwahl im März 2020. Dann erst "knallt es", weil man die vielen Ehrenamtlichen im Wahlkampf nicht durch Störfeuer aus dem Landtag und Unfrieden in den Medien ausbremsen wolle. Wegen der Rahmenbedingungen durch die Corona-Krise schien dann ein neuerlicher Showdown zunächst vertagt zu sein; mittlerweile aber sehen die Rebellen anscheinend die Stunde gekommen für die Machtfrage.

Der Ausgang am Mittwoch ist ungewiss. Denkbar wäre, dass sich die Zwölfergruppe zwei weitere Stimmen sichern kann, womöglich ebenfalls unter Zusicherung von Privilegien. Wer dann allerdings den oder die Chefsessel einnähme, ist fraglich. Dem Fraktionstratsch zufolge fühlen sich mehrere Abgeordnete prädestiniert für höhere Weihen. So könnte am Ende zwar das Gegenlager eine Mehrheit haben, jedoch keinen Konsens über eine neue Spitze finden. Würde die Führung den Umsturz abbügeln, stellt sich gleichermaßen die Frage, wie es weiterginge. Die öffentliche Beschädigung für das Vorstandsduo bei zwölf Kontrahenten wäre immens, ein normales Arbeiten schier unmöglich. "Zwölf ist nicht genug, aber eigentlich der Hammer. Das zeigt ja, dass es auf keinen Fall so weiterlaufen darf", heißt es im Rebellenumfeld.

"Das ist kein Flügelding", hört man in beiden Lagern

Wie der Abwahlantrag zeigt, hat das Gegenlager die Stimmung gedreht und steht mit zwölf zu acht Leuten in Opposition zur Führung. Flügel-nahe Politiker haben sich von Ebner-Steiner und Hahn abgewendet, auch sie fühlen sich offenbar nicht ausreichend gewürdigt und eingebunden in Auftritt und Arbeit der Fraktion. Im Gegenzug werden dezidiert völkische Mitglieder im Fraktionsvorstand unter den Abzuwählenden nicht genannt. "Das ist kein Flügelding", hört man in beiden Lagern. Zwar wäre die Abwahl Ebner-Steiners - zuletzt die wohl prominenteste Flügel-Frau im Freistaat - ein symbolhafter Schlag gegen die Strömung. Und in bundesweiten Flügel-Kreisen wurden der geplante Umsturz am Sonntag prompt als "Säuberung" interpretiert. Konkret spielen all die Grabenkämpfe zwischen Nationalisten und Gemäßigten, die sich bundesweit akut am geplanten Parteiausschluss des Brandenburger Rechtsradikalen Andreas Kalbitz entzünden, hier praktisch kaum eine Rolle.

Eine gewichtige Rolle dürfte in der Zuspitzung der Machtfrage dagegen der Abgeordnete Franz Bergmüller spielen, ehemals mächtiger Vorsitzender der Oberbayern-AfD. Der als Anti-Rauchverbot-Aktivist bekannt gewordene Gastwirt war erst in der CSU, danach bei den Freien Wählern und in der AfD. Wegen einer mutmaßlichen Überschneidung von Mitgliedschaften stritt er seit Jahren mit der AfD, ob er überhaupt rechtmäßig den Rechtspopulisten angehört. Daher hielt sich Bergmüller öffentlich eher zurück, durfte zum Beispiel bei Parteitagen nur auf der Besuchertribüne zuhören. Er wolle "angreifen", sobald die leidige Causa endlich geklärt sei, war aus seinem Lager immer wieder zu vernehmen. Das ist nun seit Kurzem der Fall. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wurde Bergmüller im Mai als Neumitglied aufgenommen. Auch er ließ eine SZ-Anfrage am Sonntag unbeantwortet.

Auf dem Antrag für Mittwoch sind die drei Abzuwählenden handschriftlich notiert - die Zeilen ähneln sehr der Signatur des alten, neuen Mitglieds Bergmüller.

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Abwahlantrag gegen die AfD-Landtagsfraktionsvorsitzenden: Katrin Ebner-Steiner, Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, und Ingo Hahn, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag

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