Bayerische Geschichte:Als Lokomobile die Landwirtschaft revolutionierten

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Die Lokomobile hat Martin Hofbauer für das Museum der Bayerischen Geschichte extra ausfindig gemacht und aufgemöbelt. (Foto: Johann Osel)

"Da Dampf kimmt": Früher sehnten Bauern die Lokomobile zur Erntezeit herbei. War sie auf dem Hof, gab es ein Volksfest: mit Blaskapelle, Hendl und sogar Eintritt.

Von Johann Osel, Rotthalmünster

Die großen Scheunen und Schuppen auf dem Grundstück von Martin Hofbauer stechen zwar gleich ins Auge, hier am Rand von Rotthalmünster in Niederbayern; welche Schätze, ja welch kleines Museum sich darin befindet, kann man aber zunächst kaum glauben. Traktoren, Dampfmaschinen, Fahrzeuge, landwirtschaftliches Gerät, Motoren, mechanische Objekte im Groß- und im Kleinformat - unzählige Tonnen schwer ist all das, was Hofbauer zusammengetragen hat in gut 40 Jahren Leidenschaft als Sammler, Tüftler, Restaurator.

Angefangen hat das 1979, da kamen Hofbauer, damals elf Jahre, und sein Vater auf die Idee, den Großvater nach dessen Fendt-"Dieselroß" zu fragen, Baujahr 1938. Sie bekamen es - "den wollten schon andere, aber der Opa hat nichts rausgerückt"; sie restaurierten es. Und der Bub Martin war fortan "mit dem Bulldogvirus infiziert". Das hält bis heute an. Und wenn Hofbauer, längst Profi und besonders profiliert bei Dampfmaschinen, diesen Erstling vorzeigt, merkt man das erst recht.

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Von der Passion der Familie Hofbauer (auch Ehefrau Dania und Pflegesohn Valentin, 13, sind dem Hobby verfallen) profitiert nun das Museum der Bayerischen Geschichte, das im Mai 2019 in Regensburg eröffnen soll. In dessen Auftrag suchte Hofbauer auf dem Sammlermarkt nach einer Dampflokomobile, wie sie einst die Landwirtschaft revolutionierte - fand eine und brachte den Koloss auf Vordermann. Eine Lokomobile vereint Dampfkessel und Maschine in einem Stück, ein langer Riemen dazwischen, fahrbar ist sie mit Rädern und wurde mit Pferden oder Ochsen von Feld zu Feld gezogen, um Getreide zu dreschen und Stroh zu häckseln.

Erst dachten die Macher des Museums, als sie vor ein paar Jahren in Rotthalmünster anriefen, sie könnten eine Lokomobile von Hofbauer kaufen; der besaß damals drei. Das Sammlerherz jedoch, es konnte sich von keiner trennen. Aber er nahm den Auftrag an, Angebot und Preise zu sondieren, zu telefonieren, sich umzuhören, in Fachforen im Netz zu stöbern, kurzum: zu fahnden nach einem geeigneten Exponat.

Das wurde dann: eine Lokomobile der Firma Lanz, die 1921 in Regensburg gebaut und dann nach Argentinien exportiert wurde für eine Zuckerrohrplantage, und die wiederum später ein Berliner Sammler zurückholen ließ. Aus Altersgründen wagte sich der Mann nicht an die Restaurierung. Das stemmten die Hofbauers. Wobei: Zunächst galt es, den Fünf-Tonner zu putzen. "So dick voll Dreck", sagt Hofbauer und zeigt zwischen Daumen und Zeigefinger einen gehörigen Abstand. Dass er als Elektromeister ein guter Restaurator ist, komme durch Erfahrung.

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(Foto: Haus der bayerischen Geschichte)

Wenn die Lokomobile zur Erntezeit auf dem Hof war, wurde das große Ereignis - samt Familie und Gesinde - fotografisch festgehalten.

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(Foto: Johann Osel)

Alte Technik, die funktioniert, ist das Steckenpferd von Martin Hofbauer. Seit gut 40 Jahren sammelt und restauriert er Gerätschaften und Maschinen in seiner Werkstatt.

Und: "Ein guter Elektroniker ist ein kleiner Schlosser. Meine Freizeit ist es, Dinge zum Laufen zu bringen." Seine Frau nennt das so: "Totes Eisen zum Leben erwecken." Inzwischen ist die Lokomobile abtransportiert fürs Museum. Ihr Weg vom Bau bis zur Schau: Regensburg - Buenos Aires - Berlin - Rotthalmünster - Regensburg. Im Museum wird die Maschine eine "Star-Rolle" einnehmen, heißt es. Sie soll dort die agrarische Prägung Bayerns und deren "wirtschafts- und mentalitätsgeschichtliche Folgen" illustrieren.

Gemeint ist damit die schwere körperliche Arbeit und die Erleichterung, wie sie im 19. Jahrhundert die Dampfkraft brachte. Aber auch weiter war vieler Hände Arbeit nötig. Lohndrescher-Trupps mit Maschinisten, Heizer und Helfern - zum Laden, Schneiden, Auffangen, Bündeln oder Schleppen - zogen übers Land. "Bei einem kleinen Sacherl arbeiteten die einen halben Tag, beim Großbauern auch schon mal drei", erzählt Hofbauer. Er sammelt nicht nur das Metall, sondern auch Geschichten dazu. Dutzende Zeitzeugen hat er befragt, ist herumgefahren, oft gelangte er an Erinnerungen, Chroniken und Fotos aus der Landwirtschaft, kurz bevor die Leute starben. Eine dicke Mappe zeugt davon. Wenn seine Frau und er Todesanzeigen in der Lokalzeitung lesen, sagen sie sich öfters: Ah, bei dem war'n wir auch.

"Da Dampf kimmt" - das sagten die Leute im Dorf damals und sehnten das herbei. Nicht nur aus Erntegründen; vielmehr war die Ankunft der Lohndrescher ein gesellschaftliches Ereignis, es kam Leben ins Dorf. Beim Jodlbauer in Eholfing (heute Kreis Passau) zahlten Zuschauer einen Gulden Eintritt, erwähnt eine Chronik. Wenn die Arbeit getan war, spielte nicht selten eine Blaskapelle. Die Gastgeber versorgten die Trupps üppig, schlachteten Schweine oder fuhren Geselchtes und Hendl auf; Fässer mit Bier und Most sieht man auf Fotos. Keine Bäuerin wollte, dass beim nächsten Stopp erzählt wird, bei ihr sei nichts Gescheites kredenzt worden. Eine Zeugin hat Hofbauer geschildert, wie in den Fünfzigern Mähdrescher die Dampfarbeiter ersetzten. Da hätten die Kinder im Dorf das neue Gerät mit Steinen beworfen, weil es jetzt nicht mehr so viel Gutes zu essen gab.

Martin Hofbauer auf einem Traktor. (Foto: Johann Osel)

Solche Geschichten verbergen sich hinter der Lokomobile. Macht man mit Hofbauer einen Rundgang durch sein Revier, auch zu seinen eigenen Lokomobilen, gleicht das einer Zeitreise. Alles poliert übrigens, sodass man sich spiegeln kann. Das Paar hat einen Weg gewählt, um die Stücke zu präsentieren: Sie reisen quer durch Deutschland zu Schauvorführungen. Jüngst in Dresden beim Dampfschifffest. Da hatten sie auch ihre Kirmesorgel dabei, Antrieb mit Motor und Dampf. Sie steht im Schuppen, beim raschen Blick denkt man an einen Altar, doch dafür ist die Dame an der Front zu leicht bekleidet. Hofbauer legt den Walzer "Wiener Praterleben" auf, wuchtige Takte, Pfiffe, dümm-dümm-dümm. Er hat sogar Lochbänder mit neueren Liedern gebastelt. In Dresden hatte eine Dame Tränen in den Augen, aus Nostalgie. Und die Jüngeren? Die staunen oft, berichtet Hofbauer. Oder schauen vermutlich zumindest vom Smartphone auf.

Genau das stellt er sich auch als den Zweck der Lokomobile im Regensburger Museum vor: Erinnerungen oder Neugier zu wecken, je nach Alter. Und einen Einblick zu geben in das, was er so liebt: Technik, ein Jahrhundert und älter, aber funktionierend, meist rein mechanisch. Auch viel Nippes stapelt sich in seinen Beständen, von Messgeräten bis zur pfiffigen Mausefalle, bei der die gefangene Maus in einen Schacht fällt und so automatisch die Klappe für das nächste Opfer freigibt. Hofbauer führt auch derlei mit Begeisterung vor. Ohne Maus natürlich. Was hier in der Luft liegt, ist eine Magie der Mechanik.

Das Exponat wurde dem Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zur Verfügung gestellt, das im Mai 2019 eröffnen soll. Näheres dazu unter www.hdbg.de

© SZ vom 31.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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