Rosenheim (dpa) - Im Streit um den Neubau einer Bahnstrecke durchs Inntal zum Brenner wollen Bürgerinitiativen diese Woche ihre eigenen Vorschläge beim Eisenbahn-Bundesamt einreichen. Sie machen sich weiter für den Ausbau der bestehenden Strecke anstelle eines Neubaus stark, wie ein Zusammenschluss der Initiativen am Dienstag in Rosenheim gemeinsam mit dem Bund Naturschutz mitteilte. Die Vorschläge sollen laut den Neubau-Gegnern nach der Prüfung durch das Eisenbahn-Bundesamt dem Bundestag vorgelegt werden. Zudem bereiten die Gegner Klagen vor, um das aus ihrer Sicht überflüssige Milliardenprojekt zu verhindern.
Die Vorschläge der Bürgerinitiativen erschienen „nach erster Sichtung nicht zukunftsfähig angesichts der Aufgabe, Schienenwege bereitzustellen, die auch in den kommenden Jahrzehnten noch Verkehr aufnehmen können“, teilte die Deutsche Bahn (DB) hingegen mit. „Die DB hat in den vergangenen Jahren schon mehrfach fachlich dargelegt, dass ein Fokus auf die bestehende Strecke im Inntal die Probleme - noch mehr Güterzüge durch die Ortschaften - nicht lösen kann.“
Die Neubaustrecke zum im Bau befindlichen Brenner-Basistunnel könnte nach derzeitigem Stand 2040 in Betrieb gehen. Die Alternativvariante könne hingegen schon mit der 2032 erwarteten Eröffnung des Tunnels befahren werden, argumentieren die Bürgerinitiativen. Das Ziel „mehr Güter auf die Schiene“ sei damit zehn Jahre früher zu erreichen. Die Schäden für Natur, Umwelt, Landwirtschaft und Tourismus sowie die CO2-Belastung in Bau- und Betriebsphasen seien deutlich geringer. Die Alternative koste auch nur ein Viertel der Bahn-Variante, die den Gegnern zufolge derzeit bei zehn Milliarden Euro veranschlagt wird.
Neben der Optimierung der Bestandsstrecke fordern die Gegner für Güterzüge eine Umfahrung um Rosenheim sowie den lange angekündigten Ausbau der Strecke von München über Mühldorf nach Salzburg. „Ein Verweis auf die Ausbaustrecke Mühldorf stellt nur eine Problemverlagerung dar“, urteilte hingegen die Bahn. Ein Ausweichen auf innerösterreichische Strecken hätte eine Verdoppelung der Streckenlänge zur Folge und würde an Gewichtsbeschränkungen scheitern. Der ebenfalls vorgeschlagene Tunnel unter Rosenheim negiere die bekannten geologisch schwierigen Verhältnisse.
Der sogenannte Brenner-Nordzulauf reicht über rund 60 Kilometer von Grafing bis Kiefersfelden. Auch Bürgermeister mehrerer betroffener Gemeinden haben sich gegen den Neubau ausgesprochen. Die Bahn hat ihre Pläne für den Trassenverlauf weitgehend festgelegt. 2025 soll der Bundestag über das Projekt entscheiden.
„Neue Kapazitäten auf der Schiene allein werden den steigenden Lkw-Transitverkehr nicht drosseln“, warnte der Vorsitzende der Initiative Brennerdialog, Lothar Thaler. Vielmehr seien Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung nötig wie etwa eine höhere Lkw-Maut vor allem in Deutschland und Italien, eine Alpentransitbörse zur Deckelung der Fahrten sowie die Durchsetzung eines fairen Lkw-Verkehrs ohne Dumpinglöhne und Gesetzwidrigkeiten.
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