Tourismus:Keine Lust auf noch mehr Rummel auf dem Hörnle

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Der Sessellift aufs Hörnle gehört nicht unbedingt zu den High-Tech-Einrichtungen Bayerns. Aber er funktioniert seit bald 66 Jahren, einfach so. (Foto: Ammergauer Alpen)

Die Touristenorte und die Seilbahnen in den bayerischen Bergen rüsten seit Jahren enorm auf. Am Hausberg von Bad Kohlgrub sind nicht nur die Almbauern gegen eine neue Zehner-Kabinenbahn.

Von Christian Sebald

Den Anfang haben die Almbauern gemacht. Sie haben mit großer Mehrheit entschieden, dass sie nicht noch mehr Rummel auf dem Hörnle haben wollen und deshalb gegen eine moderne Kabinenbahn am Hausberg von Bad Kohlgrub sind. Aber nicht nur die Almbauern sind gegen die neue Hörnlebahn. Sondern auch viele andere Kohlgruber. Ihr Sprecher ist der Elektromeister und Gemeinderat Martin Niklas. "Unsere alte Bahn gehört zu Bad Kohlgrub wie das Hörnle", sagt Niklas, 54, kräftige Statur, grauer Bart und schulterlange Haartracht. "Ich tät's schad finden, wenn man sie einfach wegreißt." Also hat Niklas durchgesetzt, dass die Neubaupläne erst einmal gestoppt worden sind. Stattdessen lässt der Gemeinderat nun prüfen, ob die alte Hörnlebahn saniert werden kann.

Die Touristenorte und die Seilbahnen in den bayerischen Bergen rüsten seit Jahren enorm auf. Überall werden alte Schlepplifte und Sesselbahnen abgerissen und durch neue Kabinenbahnen mit Sitzheizungen und Rundumblick ersetzt. Damit sich die vielen Ausflügler und Urlauber, die sie hinaufbefördern, oben am Berg beschäftigen können, wird die Natur dort zugebaut - mit Almrestaurants, Streichelzoos, Sommerrodelbahnen, Kunstschneepisten. Allein 2019 wurden 70 Millionen Euro in neue Seilbahnen investiert, meldet der Branchenverband VDS. Warnungen der Naturschützer, dass immer mehr Berge zu Funparks verkommen, verhallen meist ungehört. Erst dieser Tage hat der Freistaat das Seilbahn-Förderprogramm um drei Jahre verlängert.

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Die Förderung für Lifte und Seilbahnen wird um etliche Millionen Euro erhöht. Das sei notwendig, um den Tourismus zu stärken, sagt Wirtschaftsminister Aiwanger. Die Grünen beklagen "staatlich subventionierten Umweltvandalismus".

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Auch am Hörnle sollte so eine Aufrüstung stattfinden. Die Machbarkeitsstudie liegt vor. Anstelle des alten Sessellifts sieht sie eine Zehner-Kabinenbahn vor, an der neuen Talstation Parkdecks für 700 Autos, auf 1400 Metern Höhe am Berg ein Panoramarestaurant mit Abenteuerspielplatz. Dazu drei Wanderwege, für die Bergbahn-Passagiere, die in Richtung der Hörnle-Gipfel gehen wollen, statt sich an der Bergstation zu tummeln. Und für den Winter eine zweite, beschneite Rodelbahn, auf der man im Sommer mit Mountaincarts - das sind bergtaugliche Dreiräder - hinabdonnern kann. 21,5 Millionen Euro soll alles kosten, etliche Millionen davon soll der Freistaat bezahlen.

Martin Niklas, die Almbauern und viele andere Kohlgruber sind nicht nur überzeugt, dass es so eine Modernisierung nicht braucht. Sondern dass sie ein großer Schaden wäre für ihren Hausberg. Denn der Andrang würde nur weiter zunehmen. Das wollen sie nicht. Sie wollen es anders machen. Das Hörnle ist seit jeher ein viel besuchter Berg. Denn von seinen drei, knapp 1500 Meter hohen Gipfeln - dem Vorderen, dem Mittleren und dem Hinteren Hörnle - hat man eine weite Aussicht: Nach Süden über die stillen Ammergauer Berge hinweg zum felsigen Wetterstein samt Zugspitze, nach Norden zum Ammer- und Starnberger See und an Föhntagen sogar bis nach München. Vorne am Aussichtspunkt "Zeitberg" steht die urige Hörnlehütte. Ihre Wirtsleute sind berühmt für ihren Kaiserschmarrn. Von Bald Kohlgrub aus steigt man nur gut eine Stunde zur Hörnlehütte auf. Mit der Hörnlebahn braucht man nur 20 Minuten.

Die Hörnle-Schwebebahn, wie sie offiziell heißt, ist ein technisches Unikum. Das hat mit ihren hundert himmelblauen, ein wenig angegrauten Doppelsitzen zu tun. Sie sind sogenannte Schwenkdoppelsitze. Für gewöhnlich müssen Sessellift-Passagiere nach dem Aussteigen schnell seitlich wegtreten. Ansonsten schlägt ihnen der Sitz gegen das Hinterteil. Denn bei gewöhnlichen Sesselbahnen fahren die Sitze auch während des Aussteigens langsam weiter. Anders bei der Hörnlebahn. Da steigen die Passagiere aus und müssen erst einmal stehen bleiben. Denn dann klappen die Sitze auseinander. Ein jeder dreht sich 90 Grad zur Seite. Die Sitze fahren um die Passagiere herum und schließen sich wieder. Erst jetzt können die Passagiere zum Ausgang gehen.

Mit ihren Doppelschwenksitzen ist die Hörnlebahn eine der kuriosesten Bergbahnen überhaupt. "Insgesamt sind ja nur vier Sessellifte mit dieser Technik gebaut worden", sagt Martin Niklas. Außer dem am Hörnle einer im Allgäu, ein weiterer im früheren Jugoslawien und der vierte in den USA. "Aber unserer hier dürfte der einzige sein, der noch fährt", sagt Niklas. "Zumindest in Europa." Schon seit 1954 dreht die Hörnle-Schwebebahn ihre Runden - im Sommer für die Ausflügler und Wanderer, im Winter für die Skifahrer. Denn das Hörnle ist auch ein Skiberg. Unzählige Kinder aus München und Augsburg haben in dem kleinen Skigebiet an seinen Hängen das Skifahren gelernt. Außerdem gelten die drei Gipfel als ziemlich lawinensicher und einfache Skitouren-Ziele. Deshalb steigen sogar an schlechten Wintertagen unzählige Tourengeher die Pisten entlang den Berg hinauf.

Das Hörnle ist ein beliebtes Ausflugsziel für Wintersportlerinnen und -sportler. (Foto: Ammergauer Alpen)

Nun sind also die Gutachter an der Reihe. "Die Seilbahn- und die Gewerbeaufsicht, aber auch die Berufsgenossenschaft monieren schon seit Jahren, dass unsere Schwebebahn nicht mehr den modernen Standards entspricht", sagt Franz Degele. Der frühere Banker ist Bürgermeister von Bad Kohlgrub. Die Hörnlebahn gehört fast zu hundert Prozent der Gemeinde. Deshalb ist Degele auch für sie zuständig. Wie die amtlichen Stellen ist er der Überzeugung, dass die Hörnlebahn dringend modernisiert werden muss. Auch das hat mit den Doppelschwenksitzen zu tun.

"Sie sind nicht ohne Risiko", sagt Degele. Die allermeisten Passagiere sind es nicht gewöhnt, dass sie beim Aussteigen aus einem Sessellift erst einmal stehen bleiben müssen, sie wollen sofort zur Seite gehen. "Da kann's schnell passieren, dass einer den weggeklappten Sitz abkriegt", sagt Degele. Zwar kann er sich nicht erinnern, dass in den 65 Betriebsjahren der Hörnlebahn ein schwerer Unfall passiert wäre. Aber Degele sagt: "Das mit den Schwenksitzen muss man lösen, dann steht einer Sanierung nichts im Wege."

Und wenn man es nicht lösen kann? Dann kommt doch eine neue Hörnlebahn. Aber eine deutlich abgespeckte. Dafür haben sich Martin Niklas, die Almbauern und andere Kohlgruber schon stark gemacht. "Wir wollen keine gigantischen Tal- und Bergstationen", sagt er, "auch kein Riesenrestaurant und keine Parkdecks". Außerdem könne sich Bad Kohlgrub so eine Millionen-Investition nicht leisten. "Aber das Wichtigste ist", sagt Niklas sehr nachdrücklich, "dass am Hörnle nicht noch mehr Rummel herrscht. Unser Berg soll möglichst so bleiben, wie er ist."

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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