Shop & Drop:Augsburg bekommt Lieferdienst für Einkäufe

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Auch Plätze zum Verweilen wie hier der Herkulesbrunnen, da sind sich Experten einig, sind wichtig in Innenstädten, um den Kunden ein schönes Einkaufserlebnis zu bieten. (Foto: Martin Siepmann/Imago)
  • Mit dem neuen Projekt "Shop & Drop" sollen in Augsburg künftig wieder mehr Menschen in die Fußgängerzone gelockt werden.
  • Nach einer Shoppingtour werden die Einkaufstüten per Radkurier nach Hause geliefert. Die Stadt Augsburg finanziert das Projekt für zwei Jahre.
  • Um dem Leerstand in der Innenstadt entgegenzuwirken, setzt die Stadt zudem auf freies City-Wlan, Lichtshows und mehr Sitzmöglichkeiten in der Annastraße.

Von Florian Fuchs, Augsburg

"Shop & Drop" nennt sich der neue Service, der am 1. Oktober anläuft und nicht nur den Handel in der Innenstadt ankurbeln, sondern auch einen Beitrag zur Mobilitätswende in Augsburg leisten soll. Wer als Augsburger künftig in der Innenstadt einkauft, kann die Tüten bei einer Station abgeben und zwischenlagern - oder sie sich zu einem vereinbarten Zeitraum sogar kostenlos per Radkurier nach Hause schicken lassen. Die Stadt finanziert den Service für die ersten zwei Jahre, nicht nur Boris Hedde vom Institut für Handelsforschung ist begeistert: "Das ist ein spannender Versuch, das gibt es in anderen Städten so nicht." Der stationäre Handel übernimmt den Vorteil des Onlinehandels, sich die Ware bequem nach Hause schicken zu lassen. Und die Leute können mit dem Rad oder der Tram kommen, ohne Einkaufstüten schleppen zu müssen - Parksuchverkehr entfällt.

Onlinehandel, Kaufhauskrise, Schwierigkeiten der Bekleidungsketten, Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Innenstädte haben mit vielen Problemen zu kämpfen, sie müssen sich etwas einfallen lassen und gegensteuern, um die Zentren attraktiv zu halten. Da geht es schon lange nicht mehr nur um kleine Orte, sondern auch um die großen Städte. Augsburg steht im Vergleich gut da, während die Passantenfrequenz in den meisten Städten sinkt, ist sie hier in den vergangenen Jahren sogar kontinuierlich gestiegen. Die Annastraße, das haben verschiedene Zählungen ergeben, ist die meistbesuchte Einkaufsmeile in Augsburg, bayernweit können nur München und Nürnberg Straßen mit höherer Shopper-Frequenz aufweisen. Und dennoch hat die Stadt ausgerechnet an der Annastraße mit ungewöhnlich viel Leerstand zu kämpfen: Sieben Läden sind in der etwa 350 Meter langen Fußgängerzone zur Zeit unbelegt.

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"Der Handel ist im Wandel", sagt Eva Weber (CSU), Wirtschaftsreferentin der Stadt. Man werde sich an den Anblick des einen oder anderen Leerstands gewöhnen müssen. "Das ist bei uns nicht anders als bei anderen Großstädten." Es ist ja nicht so, dass die Immobilien alle in der Hand der Stadt sind, im Gegenteil. Ein Objekt etwa gehört einem luxemburgischen Immobilienfonds mit Sitz in London. "Da kriegst du halt schwer einen ans Telefon", sagt Weber. Und dann hat die Stadt wenig Einfluss darauf, dass eine Ladenfläche schnell weitervermittelt wird. Das frühere Kaufhaus Woolworth etwa steht seit knapp zehn Jahren leer: 1400 Quadratmeter Verkaufsfläche im Erdgeschoss, wuchtige Front, die Scheiben mit Graffiti beschmiert. Peek & Cloppenburg hatte die Immobilie damals gekauft und sich erst jetzt entschieden, sie doch nicht selbst zu nutzen.

Bald soll die Fläche wieder bespielt werden, gegenüber wird gerade eine vor drei Jahren ausgebrannte Gaststätte renoviert. Die Stadt hofft, dass dann außen herum auch wieder einige andere Läden in Leerflächen ziehen. Allerdings, warnt Weber, müssen sich Immobilieneigentümer umstellen: Die Kette Esprit etwa hat gerade den Standort Annastraße dicht gemacht, der Verkauf ging über mehrere Stockwerke. "So etwas lässt sich heute nur noch schwer vermieten, da muss man sich andere Konzepte einfallen lassen: unten ein Laden, oben Büros zum Beispiel."

Schwer vermieten lassen sich manche Läden auch deshalb, weil die 1a-Lage mit hoher Passantenfrequenz teuer ist: 40 bis 60 Euro pro Quadratmeter zahlen Händler an der Annastraße, das sind bei einer durchschnittlichen Ladengröße von 260 Quadratmeter 13 000 Euro im Monat. Das können sich nicht alle leisten, gerade Premium-Anbieter wollen es sich aber offenbar nicht leisten. "So etwas fehlt in Augsburg", sagt Matthias Köppel von der Industrie- und Handelskammer Schwaben. Man könne sich das vorstellen wie an einem Flughafen. Da kauft auch nicht jeder seiner Frau mal eben eine Rolex. Aber solche Läden haben Strahlkraft, sie ziehen Kunden an, und dann kaufen die vielleicht eher etwas im Nachbargeschäft. Wer hochpreisig shoppen will, sagt Köppel, fahre eher nach München. Überhaupt fehle es in Augsburg an Kaufkraft, was den Händlern die Lage erschwert: Sie liegt mit 23 000 Euro pro Kopf unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. In Nürnberg und Würzburg liegt die Kaufkraft bei 25 000 Euro pro Kopf, in Regensburg bei 26 500 und in München bei weit mehr als 30 000 Euro.

Beschmierte Scheiben, aber keine Waren: Das ehemalige Woolworth-Gebäude in der Annastraße steht seit knapp zehn Jahren leer. (Foto: Florian Fuchs)

So angetan Köppel von dem Versuch ist, sich die Einkaufstüten nach Hause liefern zu lassen, so froh ist er auch darüber, dass sich die Stadt nach langen Debatten entschlossen hat, ein neues Parkleitsystem zu installieren. Das alte ist ziemlich in die Jahre gekommen. Auch diese Neuerung bedeute weniger Emissionen, sagt Köppel. Und sie zieht Kundschaft aus dem Umland an, wo die Kaufkraft ebenfalls höher ist als in Augsburg. Überhaupt sieht Köppel Augsburg perspektivisch gut aufgestellt, die Aufwertung des Augsburger Zentralklinikums zum Unikrankenhaus etwa ziehe mehr Kaufkraft in die Stadt. Vor allem aber die Ernennung zum Weltkulturerbe diesen Sommer soll einen Schub bringen. Laut Wirtschaftsreferentin Weber merke man schon jetzt, dass mehr Touristen in die Stadt kommen. "Das ist ein Diamant, den die Stadt nun richtig schleifen muss", sagt auch Händler Marcus Vorwohlt, der das Textilhaus Rübsamen nahe dem Rathausplatz betreibt. Touristen sitzen nicht abends in ihren Hotelzimmern und bestellen Waren im Internet. "Die gehen shoppen und lassen Geld in der Stadt."

Den Wandel durch den Onlinehandel darf man nicht als Ausrede benutzen, meint auch Vorwohlt. Man kann ihn gestalten. Vor zwei Jahren hat die Stadt die Agentur Stadtmarketing ins Leben gerufen, die sich um die Entwicklung im Zentrum kümmert. Das Team um Leiter Ekkehard Schmölz setzt in Absprache mit Verwaltung und Politik nicht nur den neuen Shop&Drop-Service um. Es gibt jetzt mehr Grün in der allerdings trotzdem noch ziemlich betondominierten Innenstadt, mehr Sitzmöglichkeiten, ein freies City-Wlan, der Stadtrat hat einen kostenlosen Innenstadtnahverkehr beschlossen. Schmölz sagt, dass sie neben dem Parkleitsystem auch gerne ein neues Fußgängerleitsystem gestalten würden, die alten Schilder stammen von 1985 - und sehen auch so aus. Die Stadt veranstaltet zahlreiche Events, die Augsburger Sommernächte etwa, gerade stehen überall Klaviere herum, auf denen jeder Passant spielen kann, bald gibt es die Light Nights, eine Lichtshow. Und in einer eigenen Immobilie in der Innenstadt hat Wirtschaftsreferentin Weber veranlasst, Zwischennutzungen zu organisieren. Das soll unter anderem andere Immobilienbesitzer mit Leerstandsflächen zur Nachahmung animieren.

Bequemlichkeit und Erlebnis, das sind die zwei Faktoren, auf die es laut Boris Hedde vom Institut für Handelsforschung ankommt, wenn man Kunden in die Stadt locken will. Insofern bescheinigt der Geschäftsführer der Stadt Augsburg mit all ihren Bemühungen und Aktionen ein gutes Zeugnis. Neben Events in der Stadt wünschten sich Kunden immer Orientierung, Parkmöglichkeiten, einheitliche Öffnungszeiten und allgemein eine gute Erreichbarkeit. "Neun von zehn Euro werden immer noch im stationären Handel erwirtschaftet", sagt Hedde. Für Städte lohne es sich, hier zu investieren. "Es ist halt nur die Anspruchshaltung gestiegen."

© SZ vom 28.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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